Das BEHG: wirkungsvoller für die Abfallwirtschaft?

Mehr Klimaschutz wird es nicht zum Null-Tarif geben. Und speziell das Brennstoffemissionshandelsgesetz wird Deutschland teurer zu stehen kommen. Ist wenigstens damit zu rechnen, dass die erhöhten Abfallgebühren für Bürgerinnen und Bürger den nationalen CO2-Ausstoß verringern?

Die Branche ist nicht einverstanden
Das Brennstoffemissionshandelsgesetz – kurz BEHG – bezog sich zunächst auf Mineralölprodukte wie Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl sowie Erdgas und Flüssiggas. Diese Produkte wurden ab 2021 mit dem CO₂-Preis belastet. Im nächsten Jahr – ab 2023 – kommen auch Abfälle und feste Brennstoffe wie Mischstoffe und Kohle hinzu. Die Ausweitung des Gesetzes auf den Abfallsektor wird zunächst die Verbrennungsanlagen betreffen, doch die Branche ist damit keineswegs einverstanden. Nach Ansicht der ITAD – Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland sei dies ein „nationaler Alleingang ohne Nutzen für die Umwelt und den Klimaschutz“. Er werde zu mehr Abfallexporten und geringerer Energiebereitstellung führen. Für die EEW Energy from Waste GmbH sei „eine Verlagerung der Abfallströme in preiswerte und häufig schlechtere Verwertungswege“ zu befürchten. Und auch der Verband Kommunaler Unternehmen VKU mutmaßt durch die Bepreisung der Müllverbrennung mehr Deponierung von Abfällen und steigende Methanemissionen. Alle drei Verbände erwarten steigende Abfallgebühren und zunehmende Kosten bis hin zu einer Inflationsspirale.

Verteuerte Verbrennung wäre lukrativer
Der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung ist anderer Meinung. Seiner Ansicht nach würden in Müllverbrennungsanlagen „riesige Mengen an Bioabfällen und hochwertigen Gewerbeabfällen mitverbrannt“ und würde „damit gegen geltendes europäisches und nationales Recht verstoßen“. Nur durch verteuerte Verbrennung wäre es für die Anlagenbetreiber lukrativer, Bioabfälle zu vergären sowie stofflich zu nutzen und Gewerbeabfälle in die dafür geeigneten Aufbereitungsanlagen zu liefern. „Die Entsorgungsunternehmen können den fossilen Kunststoffanteil nämlich über Behältergrößen, Preise und Beratung steuern. Sie machen dies aber nur, wenn man sie dazu bewegt“, sind sich bvse-Präsident Henry Forster und bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock sicher. Somit hätte die CO2-Bepreisung in diesem Bereich durchaus eine ökologische Lenkungswirkung.

Mehrkosten durch CO2-Bepreisung
In einer Studie im Auftrag der Bundesministerien für Umwelt sowie für Wirtschaft und Klimaschutz schätzten die Autoren im März 2022 unter anderem die entstehenden Mehrkosten durch CO2-Bepreisung. Für eine Modellmischung an typischem MVA-Input mit ungefährem Heizwert von elf Megajoule pro Kilogramm (MJ/kg) und einem Emissionsfaktor von 0,45 veranschlagten sie bei einem CO2-Zertifikatpreis von 35 Euro pro Tonne insgesamt 15,93 Euro pro Tonne, für den Einsatz von Ersatzbrennstoffen mit einem Heizwert von rund 13 MJ/kg und einem Emissionsfaktor von 0,65 insgesamt 22,63 Euro pro Tonne im Jahr 2023.

In gleicher Weise kalkulierten sie modellhaft für eine Tonne „Hausmüll ohne Kunststoff/Verbunde“ (Emissionsfaktor 0,07) 2,54 Euro, bei „Hausmüll“ (Emissionsfaktor 0,28) 9,75 Euro, bei „Sperrmüll“ (Emissionsfaktor 0,48) 16.69 Euro und für „eine Tonne Kunststoffe/Verbunde“ (Emissionsfaktor 1,99) 69,52 Euro. Diese Kosten könnten sich bis 2026 noch deutlich erhöhen – bei anziehendem CO2-Zertifikatpreis von 65 Euro und steigenden Entsorgungskosten für Hausmüll ohne Kunststoffe auf maximal 4,71 Euro, bei Kunststoff und Verbunden auf maximal 129,11 Euro pro Tonne. Das ist nicht der endgültige CO2-Zertifikatpreis, da dieser nach 2026 Marktmechanismen folgend durch den Börsenpreis geregelt wird und steigen dürfte. Unberücksichtigt sind auch die – auf die nutzende Bevölkerung umzulegenden – Mehrkosten für das Monitoring der Treibhausgasemissionen, für die zusätzlich zu installierende Messtechnik beziehungsweise die Abfall-Beprobung und für möglicherweise weitere zusätzliche Personalkosten.

Wie auch immer: Diese Gebühren für Haus- und Sperrmüll – ob mit oder ohne Kunststoffanteil – können erst in der Verbrennungsanlage taxiert werden. Eine inhaltliche Prüfung der jeweiligen Restmülltonne auf CO2-haltiges Material ist während der Sammlung offensichtlich nicht möglich, da die dafür notwendige entsprechende Technik nicht zur Verfügung steht. Folglich wird die Gebühr für die Entsorgung nicht in allen Fällen vom einzelnen Haushalt, sondern bei Mehrfamilienhäusern von der jeweiligen Gemeinschaft erhoben, wodurch Haushalte mit geringerem Abfallaufkommen für solche mit höherer Müllproduktion mitzahlen müssen. Das fördert keineswegs die Bereitschaft der Verbraucher, Abfälle einzusparen.

Bedingungen beim Zertifikatkauf
Martin J. Gering und Holger Thärlichen vom Verband kommunaler Unternehmen wiesen in ihrem Beitrag am 24. Juli auf der Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz darauf hin, dass Emissionshandel per Zertifikatkauf – hierzu zählt die CO2-Bepreisung – nur unter bestimmten Bedingungen einen Klimaschutzeffekt bewirkt. Erstens muss das Kaufsignal beim Energieverbraucher ankommen, es muss zweitens zeitlich mit der Kaufentscheidung zusammenliegen, und es muss drittens einen deutlichen Vorteil bieten. Diese Voraussetzungen seien bei der CO2-Bepreisung durch das BEHG nicht gegeben.

Erstens hat der Verbraucher keine Entscheidungsalternative gegenüber der Verbrennung von fossilen Kohlenstoffen aus Abfall und der Verbrennung von nicht recycelbaren Restabfällen: Er ist beim Kauf eines Plastikprodukts nicht darüber informiert, ob es mit fossilem Kohlenstoff hergestellt wurde, und er hat nicht darüber zu entscheiden, was mit den Reststoffen geschieht, die er in die Abfalltonne wirft. Folglich ist er (insbesondere in Mehrfamiliengebäuden) gezwungen, die Zertifikatkosten anderer mitzutragen. Zweitens entsorgt der Verbraucher nach Ansicht der Autoren Abfälle erst nach einer gewissen Weile oder manchmal erst nach Jahren, sodass er für Abfälle Zertifikatskosten trägt, die es zum Zeitpunkt des Kaufs noch gar nicht gab. Außerdem erfolgt die Abrechnung der Entsorgungskosten nur zeitversetzt, wodurch für den Verbraucher der Zusammenhang zwischen zukünftiger CO2-Freisetzung und Kosten des Abfalls nicht deutlich ist.

Kaum Lenkungswirkung
Im Gegensatz zu den Betreibern von Kraftwerken und Industrieanlagen gibt es für den durchschnittlichen Abfallverursacher also weder ein erkennbares Preissignal noch eine darauf aufbauende freie Kaufentscheidung pro oder contra Emissionszertifikate. Hinzu kommt, dass die Gebühren für Haus- und Sperrmüll – ob mit oder ohne Kunststoffanteil – in der Mehrzahl der Fälle nicht nach einzelnen Haushaltsmengen, sondern bestenfalls nach Beendigung einer Fuhre abgerechnet werden. Mithin bewirkt das BEHG in dieser Form zwar höhere Gebühren, erweist sich aber keineswegs als „verursachergerecht“, wie es Gehring/Thärichen formulieren. Eine Lenkungswirkung über den Kraftwerks- und Anlagenpark hinaus ist daher trotz erheblicher Verteuerung von dieser Regelung kaum zu erwarten.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 09/2022, Seite 12, Foto: so med / pixabay.com)