Design for Recycling – Design for what?

Den Begriff des Design for Recycling – zu Deutsch: der recyclinggerechten Kon­struktion – gibt es seit Ende der 1970er Jahre. Auch die Gesetzgebung ist an ihm nicht vorbeigekommen. Doch inwieweit ist er inzwischen bei Verpackungen, Elektroschrott, Automobilen und Gebäuden heimisch geworden?

Im Bereich von Verpackungen ist die Umsetzung eines Design for Recycling vermutlich am fortgeschrittensten. Das liegt zum einen daran, dass Paragraf 21 im Verpackungsgesetz vorschreibt, die Verwendung von Materialien und Materialkombinationen zu fördern, die unter Berücksichtigung der Praxis der Sortierung und Verwertung zu einem möglichst hohen Prozentsatz recycelt werden können.

Zusätzlich ist vorgesehen, dabei die Verwendung von Rezyklaten sowie von nachwachsenden Rohstoffen voranzubringen. Jedenfalls sollen bis 2030 sämtliche in der EU hergestellten Verpackungen zu 100 Prozent wiederverwendbar oder recycelbar sein. Zudem schreibt die Zentrale Stelle Verpackungsregister mit einem sogenannten „Mindeststandard für die Bemessung der Recyclingfähigkeit von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen“ Kriterien vor, die bei der Ermittlung der Recyclingfähigkeit wenigstens zu berücksichtigen sind. Demnach muss für eine Verpackung eine Sortier- und Verwertungsinfrastruktur zum werkstofflichen Recycling vorhanden sein. Außerdem müssen die Verpackungen sortierbar und gegebenenfalls für ein hochwertiges werkstoffliches Recycling in ihre Komponenten trennbar sein.

Trennbar und Recycling-verträglich
Der Grüne Punkt interpretiert diese Mindestanforderungen um in die fünf Punkte helle Farbgebung, Verwendung von Monomaterialien, optimierte Etiketten- und ebensolche Verschlusslösungen und eine Trennbarkeit von Komponenten im Recyclingprozess. Und listet unter der Überschrift „Design for Recycling“ eine Reihe von „Verpackungen aus recyclingfähigem und nachhaltigem Material“ auf, hergestellt und vertrieben von Anbietern von Tiefkühlkost, Eiscreme, Fertigsuppen, Putzmitteln, Margarine und Fleisch- sowie Wurstwaren.

Die Sesotec GmbH – Spezialist für Fremdkörperdetektion, Materialsortierung und -analyse – sieht neben der Notwendigkeit einer Sortier- und Verwertungsinfrastruktur und der Sortier- und Trennbarkeit der Komponenten auch die Vermeidung von Recycling-Unverträglichkeiten als zwingend für ein zukunftsweisendes Design an. Zudem macht das Unternehmen deutlich, dass verbliebene Produktreste wie etwa Waschmittel oder Wandfarbe die Sortierung erschweren und zu einem Qualitätsverlust beim Rezyklat führen können.

Patrick Semadeni, Hersteller von Kunststoffverpackungen und Mitglied im Vorstand des schweizerischen Verpackungsinstituts SVI, wird mit dem Hinweis zitiert, dass Einzelteile wie Etiketten oder Verschlüsse leicht separierbar sein müssten, auf Überverpackung verzichtet werde und möglichst geringe Wandstärken verwendet werden sollten.

Gute Fortschritte …
Für die Alpla Group – Hersteller von Kunststoffverpackungen – stellen sich weitere Fragen, die beim Design eines Materials zu klären sind: „Ist dem Konsumenten klar, wie er sie entsorgen muss? Ermöglicht das Verpackungssystem eine gute Restentleerung? Gibt es für die verwendeten Materialien etablierte Recyclingströme? Können gängige Sortiersysteme die Materialien einwandfrei erkennen? Verringern Verschlüsse, Etiketten, Kleb- oder Farbstoffe die gute Recyclingfähigkeit?“ Außerdem müsse die Funktionalität der Verpackung gewährleistet sein, um Handling, Haltbarkeit, Produktschutz und die Logistik nicht zu beeinträchtigen. Für Patrick Semadeni geht es mit dem recyclinggerechten Design gut voran. Schon heute seien die meisten festen Verpackungen aus Monomaterial und ließen sich gut recyceln, zumal die Sortiertechnologie rasche Fortschritte mache, wird er zitiert.

… aber vielfache Änderungen
Dennoch meldete Gunda Rachut auf dem Internationalen Altkunststofftag 2021 und der bvse-Jahrestagung im gleichen Jahr Zweifel an. Sie beklagte, dass der Marktdruck zur Kunststoff-Substitution zu vielfachen Änderungen auf dem Verpackungsmarkt geführt habe. Insbesondere die Umstellung auf faserbasierte Verbunde mit einem Kunststoffanteil von fünf Prozent und mehr erschwere sowohl die Vermeidung wie die Verwertung der sortierten Fraktionen. Und gleiches gelte für die Umstellung auf faserbasierte Verpackungen für flüssige und pastöse Füllgüter mit einem Kunststoffanteil von fünf Prozent und weniger, die für die PPK-Sammlung vorgesehen seien, aber nur schwer verwertbare Papiersorten enthalten. Was die Hersteller als „öko“ bezeichneten, sei nur begrenzt recyclingfähig, werde vom Endverbraucher nicht als solches erkannt und entgehe der Wertstoffsammlung.

E-Schrott: Substitution von Kunststoffen
Das Recycling von Elektro(nik)schrott hat in allen Sammelgruppen Einzug gehalten. So steht für Wärmeträger beispielsweise in Österreich eine moderne Kühlgeräte-Recyclinganlage zur Verfügung, die jährlich knapp 300.000 Geräte erfasst, fast 95 Prozent der Materialien als Sekundärrohstoffe rückführt und FCKW und andere Kühl- beziehungsweise Treibmittel rückgewinnt. Darüber hinaus produziert Arçelik einen Kühlschrank, der aus biobasierten Kunststoffen, biobasierten Polyurethan-Dämmstoffen und biobasierten Verbundstoffen aus Lebensmittelresten besteht. Seit 2019 bietet der niederländische Lichttechnik-Hersteller Signify einen Service an, bei dem recyceltes Material wie gebrauchte CDs in ein zu 100 Prozent recyclingfähiges Polycarbonat verwandelt wird, das für den 3D-Druck neuer LED-Leuchtkörper verwendet werden kann.

Im Rahmen des von der EU unterstützten PolyCE Projects zur Substitution von Kunststoffen in Haushaltsgeräten suchte die börsennotierte US-amerikanische Whirlpool Corporation ein effektiveres Verfahren zur Wiederverwendung von recyceltem Kunststoff aus Elektronikschrott. Dies führte zur Entwicklung einer alternativen Waschwanne für Waschmaschinen. Im PolyCE Project wurden darüber hinaus im Rahmen von „Design for Recycling“ neue Lösungen für den (wiederholbaren) Einsatz von R-Kunststoffen in Smartphone-Gehäusen, Sensor-Geräte, Lampen sowie Haushaltsgeräten wie Staubsaugern und Kaffeemaschinen gefunden.

iCycle-Verfahren: Trennung von Metallen oder Fasern
Mit dem von Fraunhofer Umsicht entwickelten iCycle-Verfahren steht ein thermochemisches Verfahren zur Stofftrennung zur Verfügung, das Kunststoffe und andere organische Bestandteile thermisch zersetzt, vorhandene Metalle beziehungsweise Fasern schonend freigelegt und Schadstoffe wie Halogene und Dioxine vollständig abscheidet. Zudem bietet das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM Öko-Design neuer Elektronikprodukte im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik oder Unterhaltungselektronik, Beleuchtung, für Industrie- und Automobilelektronik oder Sensorikkomponenten an – mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus eines Produktes.

Lücke zwischen Methode und Praxis
Allerdings stimmt die Doktorarbeit von Farzaneh Fakhredin zur „Überbrückung der Lücke zwischen Designmethoden und Recyclingpraktiken“ aus dem Jahr 2018 bedenklich. Er kommt zu dem Schluss, dass die zwanzigjährige Erforschung des Design for Recycling insbesondere beim Elektroschrott zu wenig effektiven Lösungen geführt hat. Und zwar deswegen, weil trotz einer erheblichen Anzahl an entwickelten Methoden in der Theorie, Elektro(nik)-produkte auch weiterhin im Recyclingprozess nicht optimal zerstückelt und getrennt werden. Das würde zu Fehlwürfen bei den Fraktionen führen und die Rückgewinnungsrate senken.

In diesem Punkt besteht offenbar Nachfrage. Im November 2021 veranstalteten die Technische Universität Delft, Partners for Innovation, Rijkswaterstaat und Teilnehmer aus dem Konsortium „Redesigning Electronics in a Circular Economy Transition“ einen online-Kursus zum „Design for Recycling für Elektronik in der Kreislaufwirtschaft“. Die Begründung: Es gebe bereits den theoretischen Zugang zu DfR. Eine Abstimmung mit allgemeinen End-of-Life-Praktiken in der Industrie und ihre Implementierung in Design­praktiken würden aber gegenwärtig vermisst. Etwa 600 Interessenten nahmen an der Veranstaltung teil, darunter auch Besucher aus Indien, Brasilien, Deutschland und den USA. Der Kursus stieß auf so viel Interesse, dass im Februar 2022 ein weiterer angeboten wurde.

Automobile: Zukünftige Anforderungen im Auge
Schon 2009 gab die BMW Gruppe in einer Imagebroschüre bekannt, dass sie „mit dem sogenannten Design for Recycling“ fahrzeug- und bauteilspezifische Recyclingkonzepte zur Vorbehandlung der Altfahrzeuge zusammenbringe. Alle flüssigkeitsführenden Bauteile in den Fahrzeugen seien beispielsweise so ausgelegt, dass sich Betriebsflüssigkeiten wie Öl, Kraftstoff, Bremsflüssigkeit und Kühlmittel schnell und einfach entnehmen lassen. Bereits 2007/2008 habe das Unternehmen mit einem industriellen Großversuch an Vorserienfahrzeugen nachgewiesen, „dass es die hohen zukünftigen Anforderungen an Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit und Verwertbarkeit bereits heute erfüllt“. Auch wenn dies noch keine Beweise für ein wirkliches „Design for Recycling“ liefert, kam der Autohersteller mit folgender Formulierung einer Definition bereits sehr nahe: „Schon während der Entwicklung und Konstruktion ihrer Fahrzeuge nimmt die BMW Group viele Maßnahmen vorweg, die schließlich einer effizienten und ökologischen Verwertung der Produkte am Ende ihres Lebenszyklus dienen.“

Das Verbundvorhaben „Circular Economy als Innovationsmotor für eine klimaneutrale und ressourceneffiziente Wirtschaft (CEWI)” der Stiftung 2°, dem WWF Deutschland und dem Wuppertal Institut bestätigte in einer Vorstudie zur Chancen und Risiken im Automobilsektor, dass Design-for-Recycling zur Schließung der Stoffkreisläufe von besonderer Bedeutung sei: durch Steigerung der hochwertigen Verwertung von Altfahrzeugen, unter anderem durch recyclingorientierte Konstruktion, und per Minimierung des Downcycling, unter anderem durch hochwertigere Aufbereitung.

Ganzheitliche Design-Strategien
In einem aktuellen Positionspapier zur „Zukunft der automobilen Kreislaufwirtschaft“ vom April 2022 führte der Verband der Automobilindustrie e. V. an, dass sich der Leitgedanke der Lebenszyklusanalyse im Design der Fahrzeuge fortsetzt. Die bestehenden Design-for-Circularity-, Design-for-Dismantling- oder Design-for-Recycling-Ansätze würden von der Autoindustrie in „ganzheitliche Design-for-Sustainability-Strategien“ überführt, um der langen Nutzungsphase der Produkte Rechnung zu tragen.

Die internationale EY-Organisation erwartet aufgrund globaler Verflechtungen ein weiteres Umdenken der Automobilindustrie: Es sei nicht mehr entscheidend, woher das Material kommt. „Vielmehr zählt, wie es ökologisch sinnvoll wiedereingesetzt wird.“ Daraus könnte sich steigendes Interesse der Hersteller entwickeln, Produkte haltbar, wiederverwendbar und leicht recycelbar zu konzipieren. Denkbar seien auch Modelle einer „Mobility as a Service“, bei dem nicht das Fahrzeug als Produkt, sondern Mobilität als Dienstleistung angeboten werde. Allerdings brächte das Modell zurzeit oft mehr Probleme und bürokratischen Aufwand als Profit.

Auch die Autoren des CEWI-Papiers schränkten 2021 noch ein: „Die bisherige fehlende flächendeckende Umsetzung von recyclingorientierten Konstruktionen lässt ein hohes Entwicklungspotenzial vermuten und ist im Moment insbesondere durch fehlende einheitliche Vorgaben für die Unternehmen und das ungenaue Wissen über zukünftige Entsorgungstechniken zu begründen.“

Baustoffrecycling: Betonfertigteile wiederverwerten
Auch in der Bauwirtschaft ist der Recyclinggedanke für Bau- und Abbruchabfälle angekommen. Insbesondere Recyclingbeton gilt als Baustoff der Zukunft, zumal beim Abrissmaterial, das für den Straßenbau und Verfüllungen wieder aufbereitet werden kann, das Angebot bei weitem die Nachfrage übersteigt. Allerdings gab es bis Mitte 2017 bundesweit nur wenige größere Leuchtturmprojekte im Hochbau, bei denen R-Beton zum Einsatz kam. Für Neubauten darf das Material ohnehin noch nicht eingesetzt werden. Zudem dürfen beim Guss von neuen Formteilen maximal 30 bis 45 Prozent Altmaterial beigemischt werden.

Doch gelang es den Beton-Werk-Inhabern Hans-Jürgen und Wolfgang Büscher im September 2021, Betonfertigteile zu 75 Prozent aus alten Materialien herzustellen und damit primäre Rohstoffe Kies/Körnung/Sand vollständig zu ersetzen. „Außerdem können alle Recycling-Betonfertigteile erneut wiederverwertet werden und sind damit ein stetiger Bestandteil des Kreislaufs“, freuten sich die Brüder. Ist das ein Beispiel für ein Design for Recycling?

Mit integraler Planung beginnen
Wohl weniger. „Eine Kreislaufwirtschaft muss bereits mit einer integralen Planung beginnen, in der durch die entsprechende Baustoffwahl und die Bauweise über die spätere Rückbaubarkeit entschieden wird“, definierte das Umweltbundesamt 2021 in einem Projekt-Endbericht die „KreislaufBauWirtschaft“. Denn Gebäude sollten neben der eigentlichen Nutzungsbestimmung auch als Materiallager betrachtet werden.

Dem kam unter anderem das EU-Forschungsprojekt „Buildings as Material Banks“ (BAMB) nach. Auf der Fläche der ehemaligen Kokerei Zollverein organisierte das Pilotprojekt mit Cradle to Cradle-orientierten Maßnahmen den Neubau eines Verwaltungsgebäudes. Für die Fenster wurden C2C-zertifizierte Aluminiumprofile und Gläser verwendet; auch die Bodenbeläge und ein Trennwandsystem aus Glas waren so zertifiziert. Ein „Material Passport“ verzeichnete alle verwendeten Materialien und Bauteile, sodass das Gebäude nach seiner Lebensdauer seine Rohstoffqualitäten bewahrt und als Ressourcendepot dienen kann. Wie der Bayerische Bauindustrieverband anmerkte, folgte die Designphase dem Konzept des „Design for Disassembly“ und „Design for Recycling“ und schuf damit ein Potenzial, um ein Produkt oder Gebäude so zu gestalten, das leicht auseinandergenommen, wieder in Betrieb genommen oder saniert werden kann.

Vollständig zerlegbar
Materialpässe zur Rückgewinnung von Ressourcen stellt auch der Architekt Thomas Rau aus. Er gründete eine Webseite namens Madaster, die sich als „Kataster für Materialien“ für künftige De- und Neumontagen versteht. Mit einem Rohstoffpass wurde offensichtlich auch die Triodos Bank im niederländischen Dreibergen-Rijsenburg versehen. Dieses weltweit erste Bankgebäude ist vollständig zerlegbar, und seine Bauteile – darunter 165.312 wertvolle Bolzenschrauben zwischen 24 und 50 Zentimeter – können später umgehend wieder verwendet werden.

Wie die Beispiele zeigen, gehört zu einem ernstzunehmenden Design for Recycling im Baubereich auch ein detailliertes Design for Disassembly samt Rohstoffpass zur Wiederverwendung. Nachhaltiges Bauen muss auf alle Ebenen betrachtet werden, bringt es die Wohn- und Architektur-Expertin Oona Horx-Strathern auf den Punkt. Doch sie räumt ein: „Ein vollständig kreislauforientierter Ansatz ist momentan noch ein mutiger, aber teurer Schritt.“

Je wertvoller, desto langfristiger
Ein kurzes Fazit zu den vorgestellten exemplarischen Bereichen führt zum einfachen Schluss, dass Notwendigkeit wie Interesse an vorausschauend-planerischem Design for Recycling mit Größe und damit Wert des Objekts steigen. DfR wirkt sich in der Masse zwar besonders bei Verpackungen und Elektroschrott aus. Langfristige Werterhaltung und mögliche -steigerung rentieren sich aber vor allem bei Automobilen und Gebäuden.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 07/2022, Seite 10, Foto: vegefox / stock.adobe.com)

 

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