Verpackungsabfälle trennen und recyceln: Eigentlich kinderleicht, oder nicht?
Die Anforderungen an das Recycling von Verpackungen steigen ständig. Höhere werkstoffliche Verwertungsquoten, nämlich 63 Prozent, sind seit Januar 2022 zu erfüllen. Darüber hinaus wird die deutsche Ratenberechnung an die europäische angepasst. Und schließlich werden auch Rezyklat-Einsatzquoten definiert.
Der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. sieht rapide Veränderungen in der Zusammensetzung von Leichtverpackungen und stellt fest: „Trotz der Design for Recycling-Anforderungen kommen immer mehr nachteilige Verpackungen in den Umlauf.“ Was müsste bei Sammlung, Sortierung, Verwertung und Gestaltung von Verpackungen verändert werden, um die Vorgaben des Verpackungsgesetzes zu erfüllen und deutlich höhere Mengen an Rezyklaten zu generieren, die wiederum für Verpackungen eingesetzt werden können? Sollten ökologisch vorteilhafte Verpackungen in der Lizenzierung besser gestellt werden?
Das diskutierte Dr. Thomas Probst (bvse, Fachverbände Kunststoffrecycling und Sonderabfallwirtschaft, Ausschüsse Altöl und Recycling von Reifen und Gummi) mit Adelheid Hauschopp-Francke (Geschäftsführerin RCS Rohstoffverwertung GmbH), Dr. Carl Dominik Klepper (Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender AGVU – Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt e.V.), Axel Subklew (Sprecher Initiative „Mülltrennung wirkt“ der dualen Systeme) und Dr. Dirk Textor (Vorsitzender bvse-Fachverband Kunststoffrecycling, Graf Holding GmbH) am 30. Mai auf der IFAT 2022 in München.
In welche Tonne kommt das?
Einführend streifte Thomas Probst die Eckpunkte der EU-Kunststoffstrategie im Verpackungsbereich und zeigte Beispiele von Lebensmittelverpackungen, die wie aus Papier gefertigt erscheinen und sich so anfühlen, jedoch aus verschiedenen Verbundstoffen bestehen und Folien-beschichtet sind. In welche Tonne kommt das: in die blaue, gelbe, braune (weil vielleicht kompostierbar) oder in die schwarze Restmülltonne? Solche Beschichtungen lassen sich kaum ablösen. Die wenigsten Verbraucher würden das bei der Trennung ihrer Abfälle auch machen, ist Probst überzeugt. Der bvse-Referent und Moderator der Diskussionsrunde rechnet durch die geplante EU-Quotenanpassung mit einem Verlust von elf Prozent für die stoffliche Verwertung von Verpackungsabfällen und merkte in diesem Zusammenhang an: „In Deutschland ist es um das Kunststoffrecycling schlechter bestellt als allgemein angenommen.“ Wie steht es um die drei Sammelsysteme für Leichtverpackungen – Gelber Sack, Gelbe Tonne und in Bayern und Baden-Württemberg auch den Wertstoffhof: Müssen sie verbessert werden, um mehr Mengen und Qualität in das Kunststoffrecycling zu bringen?
„Mehr muss man als Verbraucher nicht wissen“
Axel Subklew findet die Sammelsysteme in Deutschland eigentlich ganz gut. Sie funktionieren, wenn die Bürger ihre Verpackungs- und anderen Haushaltsabfälle richtig trennen würden. Und das sei doch kinderleicht und ließe sich in einem Satz erklären: „Alle leeren Kunststoffverpackungen kommen in die gelbe Tonne oder den gelben Sack oder auch zum Wertstoffhof, Papierverpackungen in die blaue Tonne, Glasverpackungen (restentleert, ungespült, idealerweise nach Glasfarben sortiert und ohne Deckel) in den Glascontainer – mehr muss man als Verbraucher über Mülltrennung nicht wissen.“
Subklew zufolge braucht es Systeme, die Anreize schaffen, bequem für den Verbraucher sind und ihm die Abfalltrennung einfach und klar zuordenbar machen. Ein Bringsystem habe potenzielle Nachteile, „weil wir die Bürger dazu motivieren müssen, wo hinzugehen. Da werden wir nie diese Mengen abschöpfen und immer Verluste haben, die im Restmüll landen und dann verbrannt werden. Wir brauchen die Verpackung in dem richtigen Sammelsystem, um den bestmöglichen Recyclingeffekt herauszuholen.“
Wie geht das mit immer mehr Faserverbunden?
Dirk Textor ist es wichtig, „dass wir die Richtung ändern – dass sich die Verpackungsgestaltung insgesamt verändert und recyclingfähig wird“. Stichwort: Design for Recycling. Mehr und besseres Recycling sei keine Frage des Systems – Infrastrukturen und Technologien für Sammlung, Sortierung und Aufbereitung seien vorhanden -, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe, die zudem einen intensiven Dialog mit den Verpackungsherstellern und Abfüllern voraussetzt: „Wir wissen noch zu wenig voneinander und müssen einander besser verstehen lernen.“ Dabei gelte es, Zielkonflikte auszuräumen. Eine Verpackung müsse schließlich sicher sein und das Produkt schützen. Als Recycler hätte Textor lieber rigide, formstabile Polypropylen als PP-Folien. Aber das sei nicht der springende Punkt: „Wenn eine Einstoff-Lösung für Verpackungen genommen wird, müssen wir in der Lage sein, diese vernünftig zu recyceln. Und hier können wir viel mehr machen, als wir bislang getan haben.“
Carl Dominik Klepper stimmte zu, dass Verpackungen recyclingfähiger werden müssen und die Hersteller diesbezüglich Verantwortung tragen. Die AGVU schlägt vor, dass sich die künftige neue EU-Richtlinie zum Design for Recycling an der Bemessungsgrundlage für die Recyclingfähigkeit in Deutschland orientiert. Die Europäische Kommission plant zudem eine „Negativ-Liste“. Das heißt, es werden Verbote auf die Abfüller und Verpackungshersteller zukommen, bestimmte Materialien und Stoffe einzusetzen. Klepper wünscht sich, dass die sogenannte Negativ-Liste und die Design for Recycling-Richtlinie gemeinsam mit Wirtschaft, Industrie und Verbraucherverbänden erarbeitet und entwickelt werden.
Was der Gelbe Sack nicht kann
Adelheid Hauschopp-Francke berichtete, dass sich die Pfand-Einführung auf Einweg-Kunststoff-Flaschen vorteilhaft für ihren PET-Recyclingbetrieb ausgewirkt hat: „Wir können hervorragende Qualitäten – lebensmitteltaugliche Granulate – erzeugen. Das kann der Gelbe Sack nicht. Der hat bis zu 30 Materialien, davon ein Drittel Verbundmaterialien. Wenn Sie wie wir in den High-End-Bereich wollen, können Sie im Grunde mit den Waren aus der Gelben Sack-Sammlung nicht viel anfangen.“
Das System funktioniert laut Hauschopp-Francke aber nur, „weil Sie als Verbraucher Ihr Pfand wiederhaben wollen. Keiner in Deutschland würde so gut sortieren, wenn es ausschließlich um das gute Gewissen gehen würde.“ Eine Ausweitung der Pfandplicht auf andere Verpackungskunststoffe hält Hauschopp-Francke jedoch nicht für erforderlich. Wichtiger wäre ein Pfandsystem für Lithium-Batterien, die vielfach falsch entsorgt werden und im Restmüll landen – „und wir haben dann die Brände auf dem Hof“.
Nicht für jeden kleinen Stoffstrom
Dirk Textor pflichtete bei, dass sich das PET-Pfandsystem bewährt hat: „Es hat Sinn gemacht, die Einwegflaschen als Monofraktion aus der Gelben Sack-Sammlung herauszunehmen.“ Heute würden in Deutschland über 400.000 Tonnen PET jährlich dem Recycling zugeführt. Axel Subklew hingegen gab zu bedenken, dass wir nicht für jeden kleinen Stoffstrom ein eigenes Pfandsystem aufmachen können. Damit würden die Bürger überfordert. „Ich bin froh, wenn die Bürger den richtigen Eimer treffen: gelb, blau, braun, schwarz“ – das reicht Subklew, „und das Recycling von Verpackungen aus dem gelben Sack funktioniert.“
Das sieht Adelheid Hauschopp-Francke anders und wandte ein: „Wir haben nicht das Problem, dass der Bürger nicht richtig trennt, sondern das Problem eines Vertrauensverlustes zum Thema Recycling. Als der Gelbe Sack vor 30 Jahren eingeführt wurde, sind wir jahrelang instruiert worden, was da rein darf und was nicht. Es sind dann zwei Generationen groß geworden, denen das überhaupt nicht mehr erklärt worden ist.“
Wie gut kann man das gestalten?
In der Diskussion ging es weiter um Systeme, die „gute“ Verpackungen bevorteilen und „schlechte“ in der Lizenzierung verteuern. Wie Carl Dominik Klepper erklärte, wird dieser Weg in Deutschland schon länger und demnächst auch auf europäischer Ebene beschritten: „Wir haben hier positive Effekte. Die Modellierung der Lizenzentgelte – das was Inverkehrbringer zahlen für die Rücknahme ihrer Verpackung – soll ja durch die dualen Systeme tatsächlich angehoben oder vielleicht auch mit einem Malus-Bonus versehen werden.“
Für die AGVU wäre es ein Fortschritt, wenn diese Bonus-Malus-Zahlung transparent erfolgen würde. Und hier gebe es sehr viel Bewegung, wie Klepper weiter ausführte: „In Deutschland wird der Paragraf 21 Verpackungsgesetz neu gefasst. Die Transparenz soll durch einen Fonds hergestellt werden, indem dann eine Abgabe vielleicht von allen Herstellern gezahlt wird. Es könnte dann eine Ausschüttung an solche Hersteller erfolgen, die besonders recyclingfähige Verpackungen einsetzen.“ Das wäre ein starker monetärer Anreiz, um die Recyclingfähigkeit einer Verpackung zu verbessern: „Denn Unternehmen denken natürlich an die Kosten, die Verpackungen auslösen. Die Modulierung der Lizenzentgelte ist sehr wichtig und wird ohnehin kommen. Die Frage ist, wie gut man das gestalten kann.“
In Schweden erfolgreich
Ein wichtiges Instrumentarium ist für Dirk Textor die CO2-Bepreisung – in Schweden ein Erfolgsmodell: „Die Schweden bepreisen fossiles CO2 aus der Müllverbrennungsanlage sehr hoch, sodass weniger Kunststoffverpackungen als bei uns in die Verbrennung gehen. Also wird mehr Wert auf recyclingfähige Verpackungen gelegt – das ist ein Treiber. In Schweden wird der Kunststoff in das Recycling gezwungen. Wir sehen dort eine sehr konsequente Getrenntsammlung und bessere Kunststoffqualität aus den Sortieranlagen. Vor der MVA werden Vorsortieranlagen geschaltet, um Kunst- und andere Wertstoffe vor der Verbrennung herauszuholen.“
Mit Vernunft herangehen
Zum Thema CO2-Bepreisung stellte Thomas Probst abschließend an Adelheid Hauschopp-Francke die Frage, ob es nicht ungerecht wäre, wenn per se PET besser abschneidet als ein anderer Kunststoff. „Die Frage ist“, entgegnete die Diskussionsteilnehmerin, „ob ich immer so in die Tiefe gehen muss. Muss ich immer alles im kleinsten Detail lösen, gerecht machen, spezifizieren? Ist es nicht das, was uns in diesem Land so verrückt macht und uns am Ende des Tages wieder vor die Füße fällt?“ Verbote seien nicht der Schlüssel zum Erfolg. Es sollte vielmehr Anreize geben, so Hauschopp-Francke, dass Dinge besser recycelt werden. Hier sollten wir mehr mit grundsätzlicher Vernunft herangehen.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 07/2022, Seite 14, Foto: Landratsamt Kitzingen / studio zudem)