Schrottmarktbericht: Ungebrochen hohe Schrottnachfrage

Im Berichtsmonat Mai begannen die Verbraucher ihre Verhandlungen eher zögerlich. Einige Werke wollten den vermeintlich schwächeren Exportmarkt Ende April/Anfang Mai nutzen und sich schnell mit mäßigen Preiserhöhungen von €15 bis €20 pro Tonne eindecken. Da jedoch die türkischen Stahlwerke bereits in der ersten Maiwoche wegen ihrer steigenden Absatzmöglichkeiten sowohl im Inland aber vor allem im Ausland ihre Schrottbeschaffung in Nordeuropa und dem Ostseeraum verstärkten, erhöhten die Exporteure ihre Einkaufspreise in den ARAG-Häfen. Bis zum Redaktionsschluss belief sich die Preissteigerung je nach Sorte um bis zu €55 pro Tonne.

Die deutschen Verbraucher mussten nachziehen, was zu Preiserhöhungen je nach Werk und Sorte von durchschnittlich bis €35 pro Tonne führte. Ob alle Verbraucher mit den gewünschten Mengen versorgt wurden, darf bezweifelt werden, denn es waren bis zum Redaktionsschluss immer noch einzelne Verbraucher auf der Suche nach Schrott. Der Handel meldete, dass er alle angebotenen Mengen verkaufen konnte. Allerdings wird der Mangel an Neuschrotten immer deutlicher spürbar. Der Schrotthandel berichtete, dass der Eingang auf seinen Lägern um rund 1/3 niedriger als im Durchschnitt liegt. Ein Grund dafür ist zum Beispiel die mangelhafte Versorgung der Automobilindustrie mit Halbleitern. Die meisten Hersteller sind gezwungen Feierschichten einzulegen und/oder Kurzarbeit bzw. wochenweise Betriebsstillstände durchzuführen. Das Schrottaufkommen ist entsprechend reduziert. Auf der anderen Seite ist die weltweite Stahlnachfrage schneller gestiegen als das Stahlangebot. Erschwerend kommt hinzu, dass der europäische Hochlaufprozess bei einigen Herstellern wohl nicht reibungslos verlaufen ist. Durch den Nachfrageüberhang haben die Stahlpreise weltweit ein historisch hohes Niveau erreicht. Überlange Lieferzeiten führen bei den Stahlverbrauchern mittlerweile zu Produktionsengpässen, wodurch die Maschinerie ins Stocken gerät und der Schrottentfall automatisch geringer ist.

Während alle deutschen Nachfrager einen hohen Schrottbedarf hatten, entwickelten sich die Preise unterschiedlich. Im Norden und Nordwesten boten die Schrottverbraucher im Durchschnitt für Altschrott Steigerungen von €25 pro Tonne und für Neuschrott von €30 pro Tonne an. Für bestimmte Sorten konnten höhere Preise erzielt werden. Im Westen boten die Verbraucher, die wegen ihrer zeitlich versetzten Beschaffung am Monatsende zukaufen, einen leichten Abschlag bzw. unveränderte Preise an. Die anderen Verbraucher zahlten je nach Sorte einen Zuschlag von €25 bis €35 pro Tonne. Die ostdeutschen Stahlwerke erhöhten ihre Einkaufspreise je nach Werk und Sorte um €28 bis €35 pro Tonne. Ihre Beschaffung wurde unterstützt durch zum Teil erhöhte Importe aus den unmittelbaren Nachbarländern oder aus dem Ostseeraum. Der Verbraucher im Südwesten bot zu Beginn der Verkaufsverhandlungen mit Preiserhöhungen von €15 bis €20 pro Tonne keine marktgerechten Preise an und passte sich im Laufe des Monats an. Er bestand gleichzeitig auf die Erfüllung von Altverträgen. Der Verbraucher im Süden musste auf die Preisvorgaben der Italiener und Österreicher reagieren und seinerseits zur Bedarfsdeckung entsprechende Preiserhöhungen je nach Sorte von €25 bis €35 pro Tonne anbieten.

Nachbarländer
Laut dem Weltstahlverband worldsteel in Brüssel konnten die italienischen Stahlhersteller im April 2021 ihre Produktion um knapp 80 Prozent auf 2,06 Mio. Tonnen steigern. Diese enorme Steigerung hängt damit zusammen, dass im April 2020 besonders Italien unter der Pandemie und einem harten Lockdown gelitten hat, wodurch die Rohstahlproduktion sehr gering war. Der italienische Stahlverband Federacciai teilte nun im Mai mit, die hohe Nachfrage nach Stahl bei gleichzeitig geringen Beständen bei den Käufern und den Herstellern habe das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage verstärkt. In der Folge seien bspw. die Betonstahlpreise auf historische Höhen geklettert. Um ihren Schrottbedarf für Mai befriedigen zu können, zögerten die italienischen Schrottverbraucher nicht lange und boten deutschen Lieferanten je nach Sorte Preiserhöhungen gegenüber dem Vormonat von €30 bis €40 pro Tonne und bei bestimmten Sorten sogar noch höhere Preise an. Gerade die Spezialstahlhersteller waren angesichts des knappen europaweiten Neuschrottaufkommens verhandlungsbereit. Zusätzlich sind einige italienische Verbraucher verstärkt im Tiefseegeschäft bzw. Kurzstreckenseeverkehr aktiv. Im Berichtsmonat Mai sind in Österreich die Altschrottpreise um €25 bis €30 gestiegen, während der größte Verbraucher wegen seines dringenden Bedarfs die Einkaufspreise für Neuschrott um €40 pro Tonne anhob. Ob die Beschaffung im gewünschten Umfang erfolgen konnte, ist wie bei vielen anderen Verbraucher fraglich. Die Schrottverbraucher in der Schweiz verhandelten etwas zögerlich, da sie die Beschaffungsmöglichkeiten aus dem Inland mit einer Preiserhöhung von CHF20 als ausreichend einschätzten. Nach kurzer Zeit begannen jedoch beide Stahlwerke bei deutschen Lieferanten Schrott nachzufragen; es wurden Preiserhöhungen von bis zu €30 pro Tonne angeboten. Je nach Werk stiegen in Tschechien die Preise um €26 bis €33 pro Tonne gegenüber dem Vormonat.

Die polnischen Werke reagierten auf die Marktlage frühzeitig mit einer Preiserhöhung von €30 bis €35 pro Tonne. Der luxemburgische Verbraucher startete seine monatlichen Einkaufsverhandlungen mit dem Angebot für Mailieferungen €20 pro Tonne mehr als im Vormonat zahlen zu wollen, die notwendigen Mengen waren jedoch bei voller Auslastung der Anlagen nicht zu bekommen. Nach intensiven weiteren Verhandlungen konnten je nach Lieferant Aufpreise von €30 bis €35 pro Tonne erzielt werden. Der hohe Schrottbedarf in Frankreich veranlasste die dortigen Verbraucher je nach Werk und Sorte zu Preiserhöhungen von €20 bis €40 pro Tonne. Wie überall waren auch in Frankreich die Neuschrotte teurer als die Altschrotte. Das veranlasste auch Verbraucher in den Niederlanden mehr als die üblichen Preiserhöhungen von €30 pro Tonne zu zahlen. Im Vereinigten Königreich war die Schrottnachfrage dagegen im Mai schwach, da Liberty Steel Scunthorpe wegen der finanziellen Probleme keinen Schrott zugekauft hat. Die Abschlüsse mit den übrigen Verbrauchern erfolgten zügig und es wurden je nach Sorte £10 bis £15 pro Tonne mehr als im Vormonat bezahlt. Der Bedarf der Gießereien war ebenfalls geringer als im Vormonat. Hier konnten die Schrottanbieter um £15 pro Tonne höhere Preise als im Vormonat durchsetzen.

Gießereien
Die gute Auftragslage bei vielen Gießereien wird begleitet von einer entsprechend guten Schrottnachfrage. Die Verbraucher mussten die marktüblichen Preise zahlen, aber die Versorgung war zum Teil wegen des geringeren Neuschrottentfalls angespannt. Einige Gießereien leiden zudem unter zu niedrigen Kreditlimits, denn die zeitlich verzögerten Bewertungen der Kreditversicherer haben die Preisexplosion bei den Rohstoff- und Produktpreisen noch nicht berücksichtigt. Für die Gießereien erschwert sich dadurch die Schrottbeschaffung. Die international hohen Roheisenpreise sind jedoch nicht wirklich eine Alternative zum Schrotteinsatz.

Drittländer
Die türkischen Stahlwerke verfügen über volle Auftragsbücher. Ihre Lieferzeiten sind zudem ungewöhnlich lang. Bei den Langprodukten liegen sie bei drei bis vier Monaten bei den Flachprodukten bis zu sechs Monaten. Entsprechend stark uns nachhaltig ist der Schrottbedarf. Die letzten verfügbaren offiziellen Daten von SteelData zeigen, dass die türkische Stahlindustrie im März genau wie die deutsche zu etwa 74 Prozent ausgelastet war. Angesichts des enormen türkischen Schrottbedarfs in den Folgemonaten dürfte sie in der Türkei im April und Mai höher gelegen haben. Bereits im ersten Quartal 2021 lagen die türkischen Schrottimporte aus der EU (27) laut SteelData mit 6,32 Mio. Tonnen und damit um knapp 20 Prozent über den importieren Mengen im ersten Quartal 2020, als die Europäer 5,27 Mio. Tonnen lieferten. Bei den fast abgeschlossenen Zukäufen für Juni zeigte sich wie im April und Mai der hohe Schrottbedarf, wobei einige türkische Verbraucher versucht haben für Juli gekaufte Mengen in den Juni zu verlegen. Bemerkenswert für die Junizukäufe ist, dass die amerikanischen Exporteure bei den Zukaufmengen unterrepräsentiert waren. Wegen anderweitiger Exportmöglichkeiten, hohen Erzielungspreisen im Inland und Forderungen, auf die die türkische Seite bisher nicht eingegangen ist, kauften die türkischen Werke aus allen möglichen anderen Lieferregionen. Der laut der internationalen Fachpresse aktuelle durchschnittliche Verkaufspreis von US-$ 780 pro Tonne FOB für Moniereisen, dem ein Einkaufspreisen von durchschnittlich US-$ 510 pro Tonne CFR Türkei für die Standardsorte HMS 1/2 (80:20) gegenübersteht, zeigt den hohen Gewinn, mit dem die türkischen Baustahlhersteller im Moment arbeiten können. Der vorerwähnte Schrottpreis ist im Mai um rund US-$60 pro Tonne gestiegen, während der Moniereisenpreis in dieser Zeit um knapp US-$ 120 gestiegen ist. Für die kommenden beiden Monate rechnen die Schrottanbieter daher nicht mit dem Nachlassen der starken türkischen Nachfrage.

Schlussbemerkungen
Für den kommenden Monat sehen die befragten Marktteilnehmer auf Grund der angespannten Weltmarktlage noch keine Entspannung. Mit einer nochmaligen Preiserhöhung wird gerechnet, wobei insbesondere der Entfall an Neuschrott wegen unterbrochener oder sogar gebrochener Lieferketten auch im Juni knapp sein wird. Der Handel berichtete jedoch, dass die Abbruchtätigkeiten durch die gute Baukonjunktur und die Preisentwicklung deutlich zugenommen haben und sich auch die Altschrottsammlungen positiv entwickeln. Einige Verbraucher sehen sich angesichts der zum Teil schwierigen Versorgungslage mit bestimmten Qualitäten veranlasst, den Mix ihrer Schmelze den Beschaffungsmöglichkeiten anzupassen. Die weitere Entwicklung des Schrottmarktes wird stark vom Einkaufsverhalten der türkischen Stahlwerke abhängen. Noch scheint deren Bedarf ungebrochen. Die Nervosität in den Märkten steigt, wie die Einmischung der chinesischen Regierung in der vergangenen Woche zeigt. Sie macht sich Sorgen um die exorbitant gestiegenen Stahl- und Rohstoffpreise, die ihrer Meinung nach das Allgemeinwohl belasten. Wie sich die Maßnahmen auswirken, ist aktuell unklar. Die Schrottpreise dürften vorerst jedoch nicht betroffen sein.

Redaktionsschluss 21.05.2021, BG-J, bvse (Foto: EU-R Archiv)