Best Case Anwendungen – was den Einsatz von Recyclingbeton angeht

EQAR-Präsident Miroslav Skopan (Foto: Marc Szombathy)

Die European Quality Recycling Association (EQAR) veranstaltete im Rahmen der IFAT 2022 einen Kongress mit dem Thema „Recycling-Baustoffe 2030“.

Der Österreichische Baustoff-Recycling Verband (BRV) ist initiativ in der EQAR vertreten. EQAR-Präsident Miroslav Skopan eröffnete den Kongress. Im Anschluss erläuterte Christian Öhler vom österreichischen Klimaministerium den „Kriterienkatalog für den Beschaffungsvorgang mit besonderer Berücksichtigung der Nachhaltigkeit“, der 2021 vom Ministerrat für den Bund verpflichtend beschlossen wurde.

Vom Billigstbieter- zum Bestbieterprinzip
In Österreich erfolgt ein Paradigmenwechsel vom Billigstbieter- zum Bestbieterprinzip. Paragraph 20 Absatz 5 Bundesvergabegesetz fordert, dass im Vergabeverfahren auf die Umweltgerechtigkeit der Leistung Bedacht zu nehmen ist. Für den Hoch- und Tiefbau gibt es verpflichtende ökologische und zusätzlich optionale ökologische Kriterien. So wird beispielsweise ein Anteil an rezyklierter Gesteinskörnung an der gesamten für die Betonherstellung verwendeten Gesteinskörnung mit zehn Prozent vorgeschrieben. Optional wird ein Zuschlagkriterium für den Transport empfohlen. Über eine Formel

Christian Öhler, Klimaministerium, Österreich (Foto: Marc Szombathy)

werden dabei Recyclingbaustoffe bevorzugt, da deren Transportwege mit dem Abminderungsfaktor 0,7 versehen werden können. Das bedeutet, dass bei vergleichbaren Transportentfernungen von Primärroh- und Recyclingbaustoffen ein Vorteil von 30 Prozent für das Recycling zum Tragen kommt.

Die neue Bauproduktenverordnung
Hauptthema des EQAR-Kongresses war auch die Novelle der Bauproduktenverordnung. Diese wird derzeit gemäß der Vorgaben des EU-Green Deal (COM(2019) 640) und der gewünschten stärkeren Berücksichtigung des europäischen Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft (COM(2020) 98) final überarbeitet. Der Entwurf enthält folgende recyclingrelevante Forderungen:

  • Produkte sind so herzustellen, dass ihre Klimaverträglichkeit dem Stand der Technik entspricht
  • Rezyklate und rezyklierbare Materialien sind zu bevorzugen
  • Auf leichte Reparierbarkeit von Produkten ist zu achten
  • Produkte sind so zu gestalten, dass Wiederverwendung und Recycling erleichtert werden.

Christine Buddenbohm, Bundesgemeinschaft Recycling-Baustoffe (Foto: Marc Szombathy)

Besonderer Wert wird auf die Wiederverwendung oder Recyclingfähigkeit von Baustoffen, Bauteilen und Bauwerken gelegt. In der Podiumsdiskussion unter der Moderation von Dietmar Tomaseth (Tiroler Qualitätszentrum für Umwelt, Bau und Rohstoffe GmbH) wurde die Wichtigkeit der Novelle für die Recyclingwirtschaft betont. Teilnehmer waren: Dipl.-Ing. Gerhard Breitschaft (Deutsches Institut für Bautechnik), Prof. Peter Maydl (PMaydl Sustainable Engineering), Stefan Schmidmeyer (Fachverband Mineralik im bvse) sowie Domenico Campogrande (Generaldirektor FIEC – European Construction Industry Federation).

„Abschneidekriterium“ für Asbest
Christine Buddenbohm (Bundesgemeinschaft Recycling-Baustoffe) informierte zum Thema „Asbestfreiheit“. Im neuen Entwurf des LAGA-Merkblattes 23 wird ein „Abschneidekriterium“ mit 0,01 Masseprozent für Asbestkonzentration vorgeschlagen. Unter dieser Grenze wird ein Abfall als „asbestfrei“ gewertet. Zudem wird für Deutschland ein Stichtag – 31. Oktober 1993 – vorgesehen: Bis dahin errichtete Bauten werden als potentiell asbesthaltig betrachtet. Bauunternehmer müssen Bauherrn bei diesen Gebäuden im Fall des Abbruchs auf die Asbesterkundungspflicht verweisen. Dies ist auch für das Recycling wichtig: Betreiber von Baustoff-Recyclinganlagen haben bei Anlieferung die Asbestfreiheit zu überprüfen. Eine entsprechende Dokumentation dazu bietet das LAGA-Merkblatt an.

Armin Grieder, Stadt Zürich (Foto: Marc Szombathy)

Zürich ist hier der Vorreiter
Armin Grieder (Leiter Fachstelle Ingenieurwesen, Amt für Hochbauten) stellte auf dem Kongress die hohen Recyclingquoten in der Ausschreibungspraxis der Stadt Zürich seit 2002 vor. Wie der Experte in seinem Vortrag ausführte und anhand von Beispielen belegte, zählt die Schweiz zu den fortschrittlichsten Ländern, was den Einsatz von Recyc­lingbeton in öffentlichen Bauten angeht. Jedoch trifft das nicht gleichermaßen auf alle Kantone zu. Zürich ist hier der Vorreiter. Ob Schulen, Kunsthäuser, Wohnsiedlungen oder andere Neubauten in der Stadt: Der RC-Beton-Anteil beträgt mittlerweile bis zu 95 Prozent.

Gemäß den Vorgaben des Amtes für Hochbauten „sind Bauteile aus Beton in Recycling-Beton (mindestens RC-C, wo technisch möglich RC-M) mit Zement CEM III/B zu erstellen“. Seit November 2021 legt zudem die SIA-Norm „Beton mit rezyklierten Gesteinskörnungen“ eigene Recyclingbetonklassen fest. Grieder räumte in diesem Zusammenhang ein, dass der Recyclinganteil keinen großen Gewinn bei Treibhausgasemissionen bringe. Bei Zement könne aber eine Reduktion von 30 Prozent erreicht werden.

Patric van der Haegen, Eberhard Unternehmungen (Foto: Marc Szombathy)

Gleiche statische Eigenschaften
Patric van der Haegen (Leiter Entwicklung Eberhard Unternehmungen, Kloten) präsentierte ein weiteres Erfolgsprodukt aus der Schweiz: Im Oktober 2020 führte Eberhard Unternehmungen den nach SN EN 206 und SIA 2030:2021 hergestellten „Zirkulit-Beton“ im Markt ein, der sich gegenüber einem Primärbeton durch einen kleineren CO2-Fußabdruck und gleiche statische Eigenschaften auszeichnet.

Ob eine wasserdichte Bodenplatte tief unter dem Grundwasserspiegel, eine tragende Wand oder eine Sichtbetonwand: Dem Einsatz – in den üblichen Druckfestigkeitsklassen – sind keine Grenzen gesetzt. Ein Kubikmeter Zirkulit-Beton wiegt nach den Angaben des Herstellers 2.350 Kilogramm und setzt sich zusammen aus: 320 Kilogramm Primärrohstoffen, 1.750 Kilogramm Sekundärrohstoffen (davon zehn Kilogramm gespeichertes CO2) und 280 Kilogramm Zement. Die Umweltauswirkungen des Baustoffs werden anhand der Environmental Product Declaration (EDP) nach EN 15804 ausgewiesen und von unabhängigen Dritten verifiziert.

Umkehr der Alterung
Prof. Michael Wistuba (TU Braunschweig) zeigte die Möglichkeit der mehrmaligen Verwendung von Asphalt auf. Ein D-A-CH -Forschungsprojekt geht auf die Alterung des Bitumens ein. Durch Rejuvenatoren, die Teil der Untersuchung sind, soll eine Umkehr der Alterung geschehen. Asphalte könnten dann – trotz „spröder“ Bindemittel  mehrfach einer Verwertung mit langer „Lebensdauer“ zugeführt werden. Schätzungen zufolge fallen in Europa jährlich rund 53 Millionen Tonnen Altasphalt an.

Prof. Michael Wistuba, TU Braunschweig (Foto: Marc Szombathy)

Link zum Klimaschutz
Prof. Angelika Mettke (TU Brandenburg) stellte schließlich die Verbindung zum Klimaschutz her: 839 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle entstanden 2018 in der EU an. Ihre Studien belegten, dass für die Trockenaufbereitung 19,6 Megajoule pro Tonne (mit Windsichtung 29,3 MJ/t) und für die Nassaufbereitung 21,1 MJ/t notwendig sind. Im Vergleich mit der Produktion von Gesteinskörnungen ist beim Recycling eine Einsparung zu erwarten. 1.000 Tonnen Recyclingbaustoffe sparen 36 Quadratmeter Abbaufläche an Rohstoffquellen. Am Beispiel Deutschlands sind das jährlich 2,7 Quadratkilometer Fläche. Die neuesten Berechnungen zeigen, dass das bislang qualitativ schon öfters aufgezeigte Potential nun quantifiziert wurde und Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich an Treib­hausgasen zu erzielen sind.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2022, Seite 36, Foto: Marc Szombathy)