BIR: Steigende Energiekosten schicken Altpapier­preise in den Keller

Die Auswirkungen der hohen Energiepreise bestimmten die Sitzung der Fachsparte Papier während der Herbsttagung des Bureau of International Recycling (BIR) im Oktober.

Fachsparten-Präsident Francisco Donoso (Dolaf Servicios Verdes S.L., Spanien) berichtete laut BIR, dass die Preise für Kaufhausware (OCC – Old Corrugated Containers) in den zurückliegenden Monaten um 80 bis 90 Prozent gefallen seien, angesichts der weltweit extrem niedrigen Nachfrage aufgrund der hohen Lagerbestände der Papierindustrie. Als eine Ursache nannte er die hohen Energiepreise, vor allem für Gas, die sich zum größten Posten der Produktionskosten entwickelt hätten. Die Papierhersteller könnten diese Ausgaben nicht an die Verkaufspreise weitergeben, zumal die Nachfrage nach ihren Produkten aufgrund der Finanzkrise ebenfalls gering sei. Außerdem könnten sie auch nicht die Energiekosten reduzieren. Die einzigen Kosten, die sie steuern könnten, seien die Ausgaben für ihr Rohmaterial.

Wie Francisco Donoso weiter berichtete, haben die Preise für gemischtes Altpapier an einigen Standorten in den USA null Dollar erreicht und tausende Tonnen landeten auf Deponien. In Europa seien die Preise am schnellsten gefallen. Der Fachsparten-Präsident rechnet damit, dass sich der Abwärtstrend fortsetzt.

Nach dem Bericht von Nishant Sahney (Gaurav Vipa Papers Pvt Ltd in den Vereinigten Arabischen Emiraten) war die Situation in Indien vergleichbar, denn die früher hohen Preise seien innerhalb von mehr als sechs Monaten dramatisch gefallen. Exporte nach China fänden nicht mehr statt, da die Volksrepublik keinen Altpapierstoff kaufe. Da auch das Kaufinteresse aus den USA und Europa gesunken sei, stehe die indische Papierindustrie im Wettbewerb mit Produzenten im Mittleren Osten und anderen asiatischen Staaten. Die Kapazitätsauslastung der indischen Papierfabriken liege derzeit bei 70 Prozent; deshalb könnten sie sich die Preise von vor einem halben Jahr nicht leisten.

Nishant Sahney informierte auch über den indischen Markt, der im Jahr 2021 sieben Millionen Tonnen an Sekundärfasern aus dem Ausland aufnahm. Die USA lieferten 40 Prozent, Europa 25 Prozent und der Mittlere Osten mit Sri Lanka, Australien und Afrika 22 Prozent dieser Menge. Als große Chance für die Papierindustrie schätzt er den zunehmenden Konsum in Indien sowie die Tatsache ein, dass 65 Prozent der Inder jünger als 35 Jahre sind. Dazu trägt den Angaben zufolge auch „Swachh Bharat Abhiyan“ bei, ein nationales Programm zur Erhöhung der Sammlung und Reduzierung der Importabhängigkeit. Allerdings habe China in den vergangenen Jahren kräftig in Vietnam und Malaysia investiert, um den chinesischen Markt zu versorgen, was die Nachfrage nach indischen Produkten drücke und eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage schaffe.

In einer weiteren Präsentation gab Atul Kaul (Waraq, Saudi-Arabien) einen Überblick über den Altpapiermarkt in dem Königreich. Wie er berichtete, wurden im Jahr 1996 für die Produktion 85 Prozent Primärfasern benötigt; heute seien es zu 85 Prozent Sekundärfasern. Zum Vergleich: 1995 wurden 80 Prozent des Altpapieraufkommens exportiert und der Rest deponiert. Heute verbrauchten die saudi-arabischen Fabriken 90 Prozent des Altpapiers.

Eine optimistische Einschätzung der künftigen Entwicklung gab Ranjit Baxi, Präsident der Global Recycling Foundation. Seiner Ansicht nach hat sich die Papierbranche stets als resilient erwiesen, nicht zuletzt aufgrund der vorhandenen Expertise und des Engagements der Akteure. Der Bedarf an Papier sei noch vorhanden. In diesem Zusammenhang schlug er vor, neue Länder zu unterstützen wie die Länder des Golf-Kooperationsrates oder afrikanische Staaten, die zur neuen Produktionsdrehscheibe werden könnten.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2022, Seite 34, Foto: O. Kürth)