Richtiger Riecher für den sicheren Prozess

Kontinuierliche Emissionsmessungen verbessern die Arbeitssicherheit bei der Kunststoffaufbereitung.

Experten des Kunststoff-Zentrums SKZ in Würzburg und des Lehrstuhls für Messtechnik (LMT) an der Universität des Saarlandes demonstrieren vielversprechende Gas-Sensorik. Diese kann Compoundeuren und Recyclern helfen, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen und gleichzeitig die Prozessstabilität zu überwachen.

Aktuelle Arbeitsschutzvorschriften erfordern einmal pro Jahr eine Stichprobenmessung auf flüchtige, organische Verbindungen (VOC), auf deren Basis die Auswirkungen auf die Mitarbeitergesundheit abgeschätzt werden. Diese Vorgehensweise ist aber insbesondere bei ständig wechselnden Materialmischungen, wie bei Compoundeuren und Recyclern üblich, mehr als unzureichend. Aus diesem Grund haben sich das SKZ und die Gas-Sensor-Experten um Professor Andreas Schütze vom LMT in einem gemeinsamen Kooperationsprojekt mit der kontinuierlichen Überwachung von Emissionen in der Kunststoffverarbeitung beschäftigt.

Die Luftqualität im Auge behalten
Mit dem Ziel, Unternehmen eine wirtschaftliche Möglichkeit zur Verbesserung der Arbeitssicherheit aufzuzeigen, wurden kostengünstige Sensorsysteme basierend auf Metalloxid-Halbleitergassensoren (MOS-Sensoren) entwickelt. „Diese können die Luftqualität während des Verarbeitungsprozesses zuverlässig und pausenlos im Auge behalten und sofort Alarm schlagen, sobald die VOC-Konzentration kritische Grenzen überschreitet“, erklärt Dr. Christian Bur, Projektleiter am LMT. „Dabei können unterschiedlichste Substanzen bereits in kleinen Konzentrationen im ppm-Bereich zuverlässig detektiert werden.“ Im Projektrahmen wurden beispielhaft die Emissionen von Styrol bei der Verarbeitung von Polystyrol, Chlorbenzol bei Polycarbonat sowie Caprolactam bei Polyamid untersucht. Als Referenz für die quantitativen Auswertemodelle der Gas-Sensoren dienten Messungen mittels Gas-Chromatographie mit Massenspektrome­trie-Kopplung und Photo-Ionisations-Detektoren.

Recyclinganwendungen im Vordergrund
„Durch den Einsatz von MOS-Gassensoren lässt sich nicht nur der Arbeitsschutz verbessern“, erläutert Dr. Norbert Halmen, Scientist am SKZ. „Da VOC einen Rückschluss auf Prozess- und Materialschwankungen ermöglichen, können Unternehmen ihre Prozessparameter anpassen, um Material und Maschinen vor Schädigung zu schützen.“ Zukünftig werden die Quantifizierungsmodelle auf zusätzliche Emissionen ausgeweitet und Recyclinganwendungen in den Vordergrund gestellt. Interessierte Unternehmen sind aufgerufen, Kontakt mit dem SKZ aufzunehmen, um die neue Messmethode für eigene Anwendungsfälle bewerten zu lassen.

Bei der Compoundierung von Kunststoffen werden komplexe Gemische aus Polymeren, Füllstoffen und Additiven bei hohen Temperaturen und starker Scherung in Extrudern aufbereitet. Dabei können unterschiedliche Dämpfe oder Gase entstehen. Zwar sind nicht alle dieser flüchtigen, organischen Verbindungen (VOC) grundsätzlich schädlich für Mensch und Umwelt, jedoch können auch gesundheitsgefährdende, krebserregende sowie Atemwege, Haut und Augen reizende Stoffe freigesetzt werden. Noch problematischer wird es bei der Verarbeitung von Recyclingmaterialien. Insbesondere im Post-Consumer-Bereich kann es trotz Sortierung und Waschen der Abfälle zu Verunreinigungen mit Fremdstoffen (anderen Kunststoffarten, Druckfarben, Resten von Waschmitteln oder Reinigern sowie Kleb- und Farbstoffen von Etiketten) kommen, welche bei der Verarbeitung zu unbekannten und potenziell gefährlichen VOC-Gemischen führen können.

Die Ergebnisse basieren unter anderem auf dem Vorhaben 20982 N der Fördergemeinschaft für das Süddeutsche Kunststoff-Zentrum e. V. Es wurde über die Arbeitsgemeinschaft indus­trieller Forschungsvereinigungen e. V. (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der ausführliche Forschungsbericht des Projekts ist auf Anfrage beim SKZ verfügbar.

www.skz.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 05/2023, Seite 32, Abb.: SKZ)