Schrottmarktbericht Mai 2023: Preisrutsch

Viele Marktteilnehmer hatten für den Berichtsmonat Mai rückläufige Preise erwartet, aber das Ausmaß der Reduzierungen in einer Bandbreite von €15 bis €60 pro Tonne überraschte manchen dann doch. Allerdings spiegelten die Abschläge das internationale Geschehen in den vergangenen vier Wochen wider. Für die je nach Werk und Sorte sehr unterschiedlichen Erzielungspreise waren der Zeitpunkt des Abschlusses und der Vormonatspreis ausschlaggebend.

Nachdem es den türkischen Verbrauchern gelungen war die Schrottimportpreise von Mitte April bis zum 1. Drittel Mai um fast US-$55 pro Tonne CFR Türkei zu senken, nutzten die europäischen Stahlwerke die Marktschwäche für deutliche Preisreduzierungen. Je später der Abschluss erfolgte, desto höher war der Abschlag. Obwohl das Schrottaufkommen nach wie vor sowohl im Alt- als auch im Neuschrottbereich sehr zu wünschen übrig ließ, musste der Handel die Preisabschläge angesichts der schwachen Nachfrage der Werke und mangels alternativer Empfänger akzeptieren. Die deutlichsten Preisrückgänge gab es bei den leichten Scherenschrotten, die geringsten bei den Neuschrotten. Eine türkische Schrottbeschaffungsoffensive vom 08. bis 10. Mai im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen führte zu einer Preisstabilisierung, die bis zum Redaktionsschluss hielt.

Weniger Produktion, geringere Preise
Wie überall in Europa lag die Auslastung der Werke im Durchschnitt bei 60 bis 65 Prozent verbunden mit einem entsprechend schwachen Schrottbedarf. Tageweise Produktionsunterbrechungen oder längere für ein zwei Wochen waren häufig. Im Norden Deutschlands reduzierten die Verbraucher ihre Einkaufspreise um bis zu €40 pro Tonne. Sie konnten unter anderem auf Mengen zurückgreifen, die im Tiefseemarkt nicht absetzbar waren. Die Preisabschläge der ostdeutschen Werke lagen je nach Werk, Sorte und Zeitpunkt des Zukaufs bei €25 bis €55 pro Tonne. Die geringsten Abschläge gab es für Späne. Die Beschaffungsmengen der Stahlhersteller im Nordwesten variierten mit der recht unterschiedlichen Auslastung der Verbraucher. Lediglich eines der Werke hatte einen normalen Bedarf und konnte ihn mit Preisreduzierungen von €30 bis €50 pro Tonne eindecken. Die beiden anderen kauften nur geringe Mengen und zum Teil nur sporadisch mit entsprechenden Abschlägen. An der Ruhr war wieder nur ein Verbraucher im Handelsmarkt aktiv und kaufte bereits zum Monatswechsel zu um €15 bis €25 pro Tonne reduzierten Preisen ein. Die übrigen Verbraucher im Westen hatten wegen einer vorübergehend verbesserten Auftragslage einen höheren Bedarf als im Vormonat. An der Saar erfolgten die Zukäufe je nach Sorte mit Abschlägen von €30 bis €40 pro Tonne. Im Südwesten war die Produktion im Berichtsmonat wegen eines Stillstands geringer als im Vormonat. Kaufinteresse bestand dennoch. Die Preisvorstellungen des Verbrauchers lagen je nach Zeitpunkt des Abschlusses und der Sorte um €25 bis €50 pro Tonne unter denen des Vormonats. Die Zukäufe im Süden erfolgten zu um €20 bis €45 pro Tonne niedrigeren Preisen als im April. Die Anlieferungen wurden jedoch von einem erneuten Stillstand seit der Monatsmitte bis voraussichtlich zum 10. Juni gestoppt.

Nachbarländer
Die italienischen Stahlwerke stemmen sich ebenfalls gegen die schwache Stahlnachfrage. Trotz umfangreicher Preissenkungen kaufen die Kunden nur die Mengen, die sie unbedingt brauchen und fordern ansonsten niedrigere Preise. Die Werke reagierten mit Stillständen von ein bis zwei Wochen und kündigten weitere Produktionseinschränkungen an. Je nach Zeitpunkt des Abschlusses lagen die von den Anbietern zu akzeptierenden Schrottpreise um €25 bis €50 pro Tonne unter denen des Vormonats. Der Verbraucher in Luxemburg begann im Mai frühzeitig mit der Beschaffung. Bei gutem Bedarf und angesichts der schwierigen Versorgung im Vormonat waren die Abschläge je nach Sorte in Höhe von €20 bis €35 pro Tonne moderat. Der Schrottbedarf der französischen Werke war je nach Produktionsprogramm unterschiedlich hoch. Die Abnehmer reduzierten die Preise gegenüber deutschen Lieferanten je nach Sorte um €20 bis €40 pro Tonnen gegenüber April. In Polen trafen im Mai ein hohes Schrottangebot und eine schwache Nachfrage aufeinander. Der Handel berichtete von zusätzlichen Angebotsmengen aus der Ukraine, was zu einer hohen Lieferbereitschaft in Richtung Deutschland führte. Die polnischen Preise lagen um €55 bis €60 pro Tonne unter denen des Vormonats. In Tschechien war der Bedarf der beiden Stahlwerke äußerst schwach und der Handel musste Preisabschläge von bis zu €50 pro Tonne akzeptieren. In der Schweiz fragte lediglich eines der Werke Importschrotte nach und zahlte dafür bis zu €40 pro Tonne weniger als im Vormonat. In Österreich reduzierten die Verbraucher die Preise je nach Sorte um €20 bis €30 pro Tonne. Absatzmöglichkeiten boten sich auch auf der Iberischen Halbinsel zu auskömmlichen Preisen. Europaweit lagen die Abschläge für Neuschrotte unter denen der Altschrotte.

Gießereien
Laut Informationen aus dem Handel hat der Mengen- und Preisdruck bei einigen Gießereien im Mai etwas nachgelassen. Sowohl die Auslastung als auch die Auftragseingänge haben bei einigen Herstellern etwas Schwung eingebüßt, was jedoch nicht als besorgniserregend angesehen wird. Der Bedarf war bezogen auf den Vormonat insgesamt leicht reduziert. Die an keinen Preisindex gebundenen Gießereien reduzierten je nach Werk und Sorte die Preise um €20 bis €40 pro Tonne. Die Roheisenhersteller sind dagegen nach wie vor nicht bereit, ihr Material zu günstigeren Konditionen anzubieten. Die Verbraucher warten daher die weitere Marktentwicklung ab.

Türkei
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen konnten die türkischen Werke größere Mengen Betonstahl sowohl im Inland als auch in Nachbarländern absetzen. Sie mussten dafür allerdings seit Mitte April ihre Angebotspreise um bis zu US-$60 pro Tonne reduzieren und die Kunden erwarten weitere Preissenkungen. Gleichzeitig schafften es die Verbraucher, die Schrottimportpreise im entsprechenden Zeitraum ebenfalls um US-$52 bis US-$60 pro Tonne zu reduzieren. Welche Auswirkungen die Stichwahl am 28. Mai haben wird, ist unklar. Die Stahlhersteller hoffen darauf, dass sich durch die Umsetzung bereits geplanter Projekte die konjunkturelle Lage verbessert und der Absatz angekurbelt wird. Die europäischen Lieferanten hatten jedoch Mühe, ihre Schrotteinkaufspreise deutlich zu reduzieren, da die Zulieferer bei Preisen frei Tiefseelager unter €300 pro Tonne den Schrottzufluss deutlich drosseln. Noch liegen die Exportpreise unter den Inlandspreisen, was die Beschaffung erschwert und zeigt, dass das Schrottangebot knapp ist.

Schlussbemerkungen
Aktuell herrscht vor allem im Baugewerbe eine schlechte Stimmung, weil eine Marktbelebung nicht in Sicht zu sein scheint. So werden durch die gestiegenen Zinsen und die extreme Verteuerung der Baumaterialien vor allem im Privatsektor Investitionen zurückgehalten und die öffentliche Hand hält sich ebenfalls mit Projektumsetzungen zurück. Auf der Entstehungsseite fehlen Abbruchmaterialien, da Abbrüche gestoppt, verschoben oder fallengelassen werden. Wie oben erwähnt denken viele Stahlwerke über weitere Produktionsmengenanpassungen im kommenden Monat nach. Da die Sommerpause unmittelbar bevorsteht, sind die Erwartungen an eine Marktbelebung gering. Das konjunkturbedingt geringe Schrottaufkommen halten einige Marktteilnehmer für einen stabilisierenden Faktor bei den Preisverhandlungen im kommenden Monat. Andere rechnen mit nochmals fallenden Preisen. Sollte sich die Schrottexportnachfrage nicht beleben, könnten die Inlandspreise zumindest dem Niveau der Exportpreise angepasst werden.

Redaktionsschluss 22.05.2023, BG-J/bvse, Foto: O. Kürth