Zirkuläre Wirtschaftsstrategie: Auf dem Teppich bleiben
Das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz hat hochfliegende Pläne mit einer noch zu erarbeitenden Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS). Währenddessen bleiben die davon zukünftig betroffenen Unternehmen hinsichtlich zirkulärem Wirtschaften mit beiden Beinen auf dem Teppich. Das zeigt das jüngst erschienene Papier des Instituts der deutschen Wirtschaft über „Produkte und Dienste für eine zirkuläre Wirtschaft“.
Der Report beruht auf einer Befragung von 1.000 Unternehmen im Sommer 2022, die sich auf die vier Unternehmenstypen konzentrierte: Produzenten von Industrieware mit und ohne Dienstleistungsangebot, Unternehmen aus Bau und Handwerk sowie reine Dienstleister. Dabei wurde deutlich, dass Unternehmen, die sowohl Produkte als auch Dienstleistungen anbieten, ihr Angebot eher in Richtung einer Kreislaufführung anpassen als andere Unternehmen. Die wenigsten Unternehmen wollen sich neu orientieren, aber zwischen elf und 15 Prozent planen eine Neuausrichtung plus Anpassung. Bis auf die reinen Dienstleister sprechen sich die anderen Branchen zu 40 Prozent dafür aus, für eine Kreislaufführung entweder über Prozessmaßnahmen oder über Veränderungen des Produkts und/oder ihrer Dienstleistungen zu sorgen. Und rund ein Viertel der reinen Dienstleister und Produkt/Dienstleistungsanbieter nehmen schrittweise Anpassungen an eine bessere Kreislaufführung sowie eine Neuaufstellung ihres Geschäftsmodells vor.
Kreislauf im Angebot
Zwischen 16 und 25 Prozent der Unternehmen geben an, kreislauforientierte Produkte/Dienstleistungen schon lange im Angebot zu haben. Ihre Motivation hierzu kann proaktiv sein, um neue Chancen und Vorteile zu nutzen, oder reaktiv aufgrund neuer Rahmenbedingungen durch Gesetzesänderungen oder Geschäftsbeziehungen. Am aktivsten erweisen sich dabei die Produzenten und Dienstleister, gefolgt von den reinen Produzenten. Während ein geringer Ressourcenverbrauch beziehungsweise eine hohe Ressourceneffizienz für die Bau/Handwerksbranche nur zu elf Prozent als sehr wichtig gilt, trifft dies für die reinen Produzenten bei 22 und die Produzenten und Dienstleister bei 29 Prozent zu. Umgekehrt spielen geringe Umweltauswirkungen über die Produktlebensdauer bei Bau und Handwerk zu 32 Prozent eine wesentliche Rolle, bei den Produzenten und Dienstleistern hingegen bei 29 und den reinen Produzenten bei 20 Prozent.
Was den Einsatz nachwachsender und rezyklierter Materialien bei der Produktherstellung anlangt, ist die Verwendung nachwachsender Rohstoffe zwischen 19 und 13 Prozent von Relevanz, während die Verwendung von Recyclingmaterialien lediglich bei sieben bis 17 Prozent als sehr wichtig angesehen wird. Immerhin gelten beide Eigenschaften im Bau/Handwerk zu 41 beziehungsweise 47 Prozent als sehr oder eher wichtig.
Langlebigkeit als wichtig angesehen
Andere Eigenschaften sind gefragter. Langlebigkeit beispielsweise wird von allen vier Unternehmenstypen zu 65 Prozent als eher bis sehr wichtig angesehen, im Bau/Handwerk sogar zu 91 Prozent. Reparierbarkeit erreicht in den Branchen zwischen 37 und 75 Prozent Zustimmung, einfache Wartung/Aufarbeitung erhält bei Bau/Handwerk eine Wertigkeit von 70 Prozent, und Nachrüstbarkeit gilt in diesem Sektor zu 68 Prozent als eher oder sehr wichtig. Die Vermeidung von Abfällen schon vor ihrer Entstehung, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit sind für die befragten Unternehmen zu höchstens 20 Prozent von Bedeutung; allerdings stimmen sie der Verhinderung von Abfällen und auch Verpackungsabfällen zu 60 Prozent als wichtig oder eher wichtig zu.
Dienstleistungen, die Wiederverwendung und Langlebigkeit von Produkten fördern, liegen bei reinen Dienstleistern aufgrund deren Angebotspalette schlecht im Kurs. Hingehen halten Produzenten und Dienstleister Wartung mit 25 Prozent, gute Reparatur- beziehungsweise Service-Dienstleistungen mit 40 Prozent und das Vorhalten beziehungsweise den Verkauf von Ersatzteilen mit 23 Prozent für sehr wichtig; der Bau-/Handwerkssektor honoriert diese Dienstleistungen mit 24, 31 und 20 Prozent Zustimmung. Hingegen erachten die meisten Unternehmen das Vorhalten oder den Verkauf von Ersatzteilen bislang für wenig ausschlaggebend. Noch weniger Bedeutung messen die Unternehmen bislang dem Aufbereiten von Produkten zur Wiederverwendung – dem „Refurbishing“ – zu.
Noch nicht in der Breite angekommen
Die systematische Rückführung von Produkten beziehungsweise Abfällen und deren Recycling spielt nach den Erkenntnissen der IW-Studie auch „nur eine sehr untergeordnete Rolle“, da hierfür Kooperationen in Wertschöpfungsnetzwerken verstärkt werden müssten. Jedoch wird Recycling von einem Drittel der kombinierten Produkte/Dienstleistungsanbieter sowie der Bau- und Handwerksunternehmen als grundsätzlich bedeutsame Dienstleistung in ihrem Angebot empfunden. Services, die Kreisläufe durch Teilen und Weitergeben verlängern, sind aber kaum entwickelt: Sharing-Angebote oder Mietkonzepte spielen in den betrachteten Unternehmen keine erkennbare Rolle. Etwas häufiger besitzen Beratungen und solche Dienstleistungen, die auf eine Kreislaufwirtschaft abzielen, vor allem für kombinierte Produkt-Dienstleistungsunternehmen eine Bedeutung.
Die IW-Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass ein beträchtlicher Anteil an Unternehmen schon lange kreislauforientierte Produkte und/oder Dienstleistungen anbietet. Dennoch sei das Thema Kreislaufwirtschaft noch nicht in der Breite bei den Unternehmen angekommen. Auch fehle es noch an Wissen und Motivation in Bezug auf kreislauforientierte Produkte und Dienstleistungen. Nur eine Minderheit der Unternehmen richte ihr Geschäftsmodell für eine Kreislaufführung neu aus. Für die unternehmerische Praxis bedeutet dies: „Bislang finden die Entscheidungen in den Unternehmen für ein zirkuläres Angebotsportfolio eher marktgetrieben statt.“ Das bezieht sich insbesondere auf die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und neuer Absatzwege, aber auch auf Veränderungen beim Rohstoffangebot oder der Kundennachfrage.
Deutschland als „grüner“ Leitmarkt?
Fast zeitgleich zum IW-Report veröffentlichte das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz ein Papier zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS), das „Grundlagen für einen Prozess zur Transformation hin zu einer zirkulären Wirtschaft“ liefern soll. Im Sinne der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sollen – kurz gesagt – durch Einsparung von Primärmaterialien und deren Substitution durch Sekundärmaterialien die natürlichen Ressourcen geschont werden. Dazu seien unter anderem Reparaturfreundlichkeit, Weiterverwendung und schließlich stoffliche Verwertung zu befördern.
Entsprechende Maßnahmen und Rahmenbedingungen – inklusive der dafür zu entwickelnden „notwendigen Organisationsformen, Technologien und Strukturen“ – sind vorgesehen, um der Orientierung „allen beteiligten Akteur*innen in der Liefer- und Wertschöpfungskette“ mit Ziel einer ressourcenschonenden zirkulären Wirtschaft sowie dem Schutz von Umwelt zu dienen. Das schließt ausdrücklich „internationale Akteur*innen zum Beispiel in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen“ ein. Industrie und insbesondere der Mittelstand sollen sogar in die Lage versetzt werden, einen Beitrag zu leisten, „damit Deutschland grüner Leitmarkt für die zirkuläre Wirtschaft wird“.
Breit angelegter Dialog
Zu diesem Zweck ist geplant, dass ab dem zweiten Quartal 2023 das Bundesumweltministerium einen breit angelegten Dialogprozess mit relevanten Stakeholder-Gruppen durchführt. Dabei sollen alle für die NKWS relevanten Akteursgruppen aufeinandertreffen. In einem „Dialogforum“ kommen etwa 20 Vertreterinnen und Vertreter deutscher Spitzenverbände zusammen, in der „Dialogwerkstatt“ diskutiert ein breiter Kreis von Stakeholdern konkrete inhaltliche Vorschläge für die Strategie, und an acht „Runden Tischen“ beraten Expertinnen und Experten zu einzelnen fachlichen Handlungsfeldern und sprechen Empfehlungen für die Dialogwerkstatt aus. Anfang 2024 soll die fertige Strategie im Bundeskabinett verabschiedet werden.
Das Ziel: International Signale setzen
Dieses Vorhaben ist – nicht nur, was den Zeitplan angeht – sehr ambitioniert. Es wird nicht einfach sein, die Breite der Themen in einer Strategie zusammenzufassen – man erinnere sich nur daran, wie schwierig und lange sich die Verabschiedung der Mantelverordnung hinzog – und das lediglich für mineralische Ersatzbaustoffe und Bodenschutz und nicht für die Handlungsfelder Kunststoffe, Fahrzeuge, Batterien, Elektronik, Metalle, Textilien und Gebäude.
Für die NKWS ist zudem vorgesehen, auf Ebene multilateraler Umweltübereinkommen – insbesondere dem Basler Übereinkommen und im Rahmen von UNEA, UNEP, UNFCCC, der OECD, der G20 und der G7 – „Signale zu setzen“: Das wäre zu wünschen, damit beispielsweise Notifizierungsvorgänge endlich ohne zähen und zeitraubenden Papierkrieg um die Art der Ladung und um unbürokratische internationale Genehmigungen ablaufen – nach jetzigem Stand der Kenntnis bleibt das eine Illusion, zumal die aktuell vorgeschlagene EU-Abfallverbringungsverordnung eher in die entgegengesetzte Richtung steuert. Auch soll die neue Kreislauf-Strategie allen in der Liefer- und Wertschöpfungskette beteiligten Akteuren – auch international – Orientierung zum ressourcenschonenden zirkulären Wirtschaften liefern: Der Stakeholder-Prozess wird Mühe haben, die Einstellungen, Vorurteile und Ressentiments der einheimischen wirtschaftlichen Akteure, wie sie der IW-Bericht offenlegt, zu erkennen.
Keine hochfliegenden Pläne
Es ist dem Vorhaben einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie und dem dazu anberaumten Stakeholder-Prozess zu wünschen, dass sie Erfolg haben. Die Realisierung hochfliegender Pläne, wie sie im Grundlagenpapier formuliert werden, wonach die NKWS ein Modell für die Zukunft bieten könnte, um auch Länder mit Menschen mit niedrigem und mittleren Einkommen hinsichtlich Wertschöpfungsketten der zirkulären Transformation ins Boot zu holen und den Umwelt- und Klimaschutz global zu beschleunigen, ist nicht zu erwarten. Es wäre schon ein Fortschritt, wenn sich der Gedanke einer Circular Economy im Handeln deutscher Unternehmen durchsetzen würde.
Die IW-Studie steht unter iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2023/IW-Report_2023-Zirkul%C3%A4re-Wirtschaft.pdf zur Verfügung, das NWKS-Grundlagenpapier unter bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Abfallwirtschaft/nkws_grundlagen_bf.pdf.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 07/2023, Seite 7, Foto: Kannapat / stock.adobe.com)