EU-Frühwarnbericht 2023: Was müssen die Mitgliedstaaten noch leisten?

Er soll wie ein Schuss vor den Bug wirken – der Frühwarnbericht 2023, den die EU-Kommission jetzt vorgelegt hat. Und der an diejenigen EU-Mitgliedstaaten gerichtet ist, die Gefahr laufen, die Wiederverwendungs- und Recyclingziele für Kommunalabfälle in 2025, die Recyclingvorgaben für Verpackungsabfälle in 2025 und die reduzierten Deponierungsquoten für Kommunalabfälle in 2035 zu verfehlen.

Keine unmittelbaren Sanktionen
Der EU-Frühwarnbericht sieht sich als ein „Instrument zur Förderung der Einhaltung, mit dem die Wahrscheinlichkeit bewertet wird“, dass die Mitgliedstaaten die genannten Ziele erreichen. Unmittelbare Sanktionen wird der Report nicht mit sich bringen, stellte Florian Flachenecker, Fachreferent bei der EU-Kommission, bei der Vorstellung am 7. Juni klar. Der Bericht soll vielmehr die Diskussion in die richtigen Bahnen lenken und zwischen den Beteiligten „den Dialog intensivieren“. Das scheint angesichts der veröffentlichten Zahlen auch nötig zu sein.

Zwar reformierten laut Bericht die meisten Mitgliedstaaten ihre Abfallwirtschaft, was in den Jahren bis 2025 zu gesteigerten Recyclingquoten führen werde. Doch würden in einigen Fällen die nationalen Umsetzungen verzögert. Außerdem gäbe es nach wie vor deutliche Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der EU-Staaten. Insgesamt riskiere die Mehrzahl der Länder, die Aufbereitungsziele zu Wiederverwendung und Recycling für 2025 nicht zu erreichen. Das wären im Einzelnen: 55 Prozent Vorbereitung zu Wiederverwendung und Recycling von Siedlungsabfällen; 65 Prozent Recycling des gesamten Verpackungsabfalls; stoffspezifische Recyclingziele für Verpackungsabfälle (75 Prozent Papier und Karton, 70 Prozent Glas, 70 Prozent Eisenmetall, 50 Prozent Kunststoffe und Aluminium, 25 Prozent Holz); und eine Deponierate für Siedlungsabfälle bis 2035 auf unter zehn Prozent.

Viele Ziele außer Reichweite
Die Analyse und Beurteilung des jeweiligen Umsetzungsgrads wurde von der Europäischen Umweltagentur in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und mit Rückgriff auf Eurostat-Daten vorgenommen und Dialoge mit den „gefährdeten“ Mitgliedstaaten organisiert. Als ein Ergebnis stellte sich heraus, dass neun von 27 Mitgliedstaaten beide Ziele beinahe oder bereits erreicht haben, nämlich Österreich, Belgien, Tschechische Republik, Dänemark, Deutschland, Italien, Luxemburg, die Niederlande sowie Slowenien. Acht Staaten kommen vermutlich an die Ziele für Siedlungsabfälle nicht heran, im Einzelnen Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Lettland, Portugal, Spanien und Schweden. Und bei zehn Mitgliedstaaten – Bulgarien, Kroatien, Cypern, Griechenland, Ungarn, Litauen, Malta, Polen, Rumänien und Slowakei – ist zu befürchten, dass sie die Vorgaben für Siedlungsabfälle und Verpackungen nicht einhalten. Hinzu kommt, dass 21 EU-Nationen eine oder mehrere Zielvorgaben für bestimmte Verpackungsabfallströme nicht erreichen. Und schließlich dürften 13 Mitgliedstaaten an der 10-Prozent-Vorgabe zur Deponierate von Siedlungsabfällen bis 2035 scheitern.

Unter dem Strich bedeutet das, dass Süd- und Nordeuropa Probleme mit der Erfüllung der Recyclingquote von Siedlungsabfällen haben, während die ost- und südosteuropäischen Mitgliedstaaten darüber hinaus auch Gefahr laufen, die Verpackungsvorgaben nicht zu erfüllen. Darauf hatte die Europäische Umweltagentur bereits vor einem Jahr in einem inzwischen überarbeiteten Bericht über die West-Balkan-Länder hingewiesen. Da war nicht nur von einer unzureichenden Datenlage die Rede, sondern auch von überwiegender Deponierung, von schlechter Ausstattung hinsichtlich Finanzierung und Belegschaft, von der Notwendigkeit, in Getrenntsammlung zu investieren, und von einer fehlenden finanziellen und gesetzlichen Infrastruktur.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 07/2023, Seite 10, Foto: RealPhotoItaly / stock.adobe.com)