Smartphones umdenken: Wie der Produktnutzungszyklus verlängert werden kann

Im Rahmen des BMBF-Förderprojekts MoDeSt untersuchten Industriede­signer vom Fraunhofer IZM, wie der Produktnutzungszyklus von Smartphones verlängert und die Modularität technisch sowie wirtschaftlich erfolgreich umgesetzt werden kann. Im Zentrum steht die Maximierung von „Langlebigkeit“, Reparierbarkeit und Recycling-Potenzial, ohne die Funktionalität der Geräte zu beeinträchtigen.

In immer kürzeren Abständen kommen neue Smartphone-Generationen auf den Markt, lösen noch funktionsfähige Geräte ab und lassen so ihre Nutzungsdauer schrumpfen. Obwohl Studien belegen, dass Europäer ihre Mobiltelefone immer länger verwenden [1], wird die volle Nutzungsdauer der Geräte noch lange nicht ausgeschöpft. Allein in Deutschland fallen jedes Jahr circa 1,7 Millionen Tonnen Smartphones als Elektroschrott an.

Die Grundlage des MoDeSt-Projekts bildet der zirkuläre Baukasten, der am Fraunhofer IZM entwickelt und öffentlich zur Verfügung gestellt wurde. Ausgehend davon haben sich die beiden Industriedesigner Tapani Jokinen und Robin Hoske zum Ziel gesetzt, das Design von Smartphones grundlegend zu überdenken, und entwickelten zwei wegweisende Entwürfe. Beim ersten Entwurf, dem sogenannten Modest Cube, lag der Fokus darauf, höchste Reparierbarkeit des Geräts umzusetzen. So veranschaulicht der Modest Cube, wie der Produktnutzungszyklus durch einfachen und schnellen Hardwarewechsel verlängert werden kann. Modularität erstreckt sich hier also nicht nur auf die Einzelbauteile, sondern auf das gesamte System.

Ein Smartphone, das nicht altert
Um die funktionellen Anforderungen des Cubes festzulegen, wurden Daten zu individuellen Bedürfnissen und Nutzungsverhalten von Konsumenten analysiert und durch gezielte Workshops mit Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Umwelt, Konsum und Design verfeinert. Hoske erklärt die entstandene Vision: „Der Modest Cube verkörpert ein Smartphone, das nicht altert, denn mit Hilfe des Mix&Match-Prinzips können Teile der Hardware einschließlich des Bildschirms mühelos ausgetauscht werden. Das ist nicht nur ein Gewinn für die Reparierbarkeit – es eröffnet auch die Möglichkeit, unterschiedliche Anforderungen der Nutzenden zu treffen: Wer beispielsweise eine extrem gute Kamera im Smartphone braucht, kann diese aufrüsten, ohne direkt ein neues Gerät kaufen zu müssen. Damit veranschaulicht unser Entwurf, wie Elektroschrott reduziert werden kann, während der Wert des Produkts bewahrt wird.“

Das mobile Telefon erfindet sich neu
Mit dem zweiten Entwurf gehen die Designer noch einen Schritt weiter: Mit einer innovativen Optik erfindet die „Modest Arch“ das mobile Telefon neu und bezieht zusätzlich psychologische Komponenten der Smartphone-Nutzung ein. Die Idee ist es, den Gebrauch im Sinne der digitalen Suffizienz zu moderieren, um das mentale Wohlbefinden zu fördern und potenzielle negative Auswirkungen wie verringerte Konzentrationsfähigkeit zu minimieren. Nach dem Motto „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ werden hierfür Nutzungsmuster hinterfragt, auf das Wesentliche beschränkt und dadurch auch der Material- und Energieverbrauch reduziert.

Besonders im Design weist die Arch eine kreative Lösung auf, die sich auf die Prognosen zukünftiger Konnektivität der Industriedesigner stützt. „Wir gehen davon aus, dass in den kommenden zehn Jahren viele Anwendungen über Virtual Reality und KI-basierte Sprachassistenten funktionieren werden. Daher haben wir uns für ein kompaktes und minimalistisches Design entschieden, bei dem die Hardware auf ein Minimum reduziert und das Betriebssystem cloudbasiert umgesetzt wird. Das Grundgerüst des Geräts ist damit eigentlich ein Webbrowser in Form eines persönlichen Tokens, der vergleichsweise wenige Bauteile benötigt. Je nach Bedarf können weitere Funktionen konfiguriert werden und die Arch als Schnittstelle für eine vernetzte IoT-Umgebung dienen“, erklärt Jokinen. So könnte die Arch je nach Bedürfnis an verknüpfte Benutzeroberflächen anderer Geräte angeschlossen werden und bequemen Zugang zu individuellen Daten und Diensten liefern.

Gestalterische Freiheiten
Dieser Ansatz führt zu großen gestalterischen Freiheiten im Design. So entschieden sich Hoske und Jokinen für ein rundes Interface in der Größe von 51 x 15 Millimetern aus recyceltem Stahl. Wie eine Stoppuhr kann die Arch dank ihrer ultra-mobilen Gestaltung als Armband, Halskette oder Brosche getragen und mit einer Hand gegriffen werden. Zusätzlich zu Patches an den Außenseiten des Screens arbeitet das Gerät auch mit taktil-haptischem Feedback und kann durch die Motion-Sensing-Technologie zum Beispiel als PC-Desk oder Air Mouse umfunktioniert werden. Auch eine hochauflösende Kamera und zahlreiche Sensoren zur Messung von Vitaldaten sind integriert.

Noch sind die Modest-Entwürfe Cube und Arch Zukunftsvisionen auf dem Papier; die Forschenden hinter dem Projekt haben aber ehrgeizige Pläne. Im Anschluss an das Projektende wollen sie Prototypen entwickeln und umfassende Tests damit durchführen. Die beiden zentralen Ansätze – verlängerte Produktnutzungsdauer und modulares Design – haben das Potenzial, die Elektronikindustrie nachhaltig zu verändern, das Design von Smartphones in neue Richtungen zu lenken und Elektroschrott zu reduzieren.

izm.fraunhofer.de

[1] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/smartphones-nutzungsdauer-austausch-wechsel-nachhaltigkeit-kosten-reparatur-101.html

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2023, Seite 31, Foto: Fraunhofer IZM/Tapani Jokinen & Robin Hoske)