Neue EU-Regeln für Verpackungen: Etwas mehr Licht, noch viel Schatten

Das Europäische Parlament hat am 22. November in Straßburg seine Position zu neuen EU-Regeln für Verpackungen angenommen. Die neuen Richtlinien sollen für weniger Verpackungen, die Einschränkung bestimmter Abfallarten und ein Verbot der Verwendung von „ewigen Chemikalien“ – also per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen oder PFAS – in Lebensmittelverpackungen sorgen.

Darüber, ob diese Vorgaben der Packaging Waste Regulation (PPWR) ausreichen, um den ständig wachsenden Abfall zu bekämpfen und die Wiederverwendung sowie Recycling zu fördern, gehen die Meinungen in den betroffenen Branchen weit auseinander.

BDE: Einen Meilenstein erreicht
Für den BDE ist der 22. November „ein guter Tag für das Verpackungsrecycling“; die Abgeordneten hätten „nicht weniger als einen Meilenstein erreicht“, erklärte der stellvertretende BDE-Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Bruckschen. Als positiv wertet er, dass ab 2030 nur recycelbare Verpackungen auf den Markt gebracht werden dürfen und dass das Design von Kunststoffverpackungen sich ab diesem Zeitpunkt prioritär am mechanischen Recycling orientieren muss. Auch wird begrüßt, dass Regelungen zu einem kreditbasierten System für Rezyklate eine klare Absage erteilt wurde und dass kompostierbare Verpackungen sich an den Verrottungsfristen von Bioabfallbehandlungsanlagen orientieren sollen. Kritisch sieht Bruckschen allerdings die Formulierung, wonach Mitgliedstaaten einen „sicheren und gleichberechtigten Zugang“ zu Rezyklaten einräumen dürfen, um die „Qualität für ähnliche Anwendungen zu erhalten“. Dies lasse die Idee eines Erstzugriffsrechts anklingen.

Permanent Materials Alliance: Zu mehr Ehrgeiz verpflichtet
In der Permanent Materials Alliance haben sich die Association of European Producers of Steel for Packaging (APEAL), European Aluminium, die European Container Glass Federation (FEVE) und Metal Packaging Europe zusammengeschlossen. Die Allianz begrüßt die Vorschriften, die die Verpflichtung zu mehr Ehrgeiz signaliseren. Alexis Van Maercke, Generalsekretät von APEAL, hält sie für einen großen Schritt in Richtung auf eine wirkliche Kreislaufwirtschaft. Für Maarten Labberton, den Geschäftsführer der Packaging Group von European Aluminium, ist das zeitnahe und ambitionierte Vorgehen zur Stärkung der Getrenntsammlung von Verpackungsabfällen in allen Mitgliedstaaten ein Muss und der Schlüssel zu einem hochwertigen Recycling. Und Adeline Farrelly, Generalskretärin der FEVE, ist erfreut zu sehen, dass die vom Parlament angenommenen Reduzierungsziele das Risiko mindern, dass vollständig zirkuläre „permanente Materialien“ durch schwierig zu recycelnde Verpackungsmaterialien ersetzt werden.

AGVU: Verbotsentschärfung begrüßt
Nach Ansicht der AGVU ist das Plenum des EU-Parlaments nicht dem Umweltausschuss gefolgt, sondern habe der Auffassung des Industrieausschusses und weiten Teilen der Wirtschaft entsprochen. Carl Dominik Klepper, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt, begrüßt dennoch die Entschärfung der nicht fundierten Verpackungsverbote und die Schwerpunkt-Legung auf der Verpackungsreduktion, „allerdings mit geeigneteren Instrumenten wie verpflichtenden Minimierungsvorgaben und nationalen Reduktionszielen für Verpackungsabfälle“. Prinzipiell hänge der Erfolg der kommenden Kreislaufwirtschaft von den Abfallmengen ab: Es dürfe jedoch nicht dazu kommen, dass Verpackungen vom Markt genommen werden müssen, weil sie in einigen wenigen Mitgliedstaaten nicht zufriedenstellend recycelt werden.

VKU: Mehr Ambitionen gewünscht
Patrick Hasenkamp, Vizepräsident des VKU, begrüßt die Bemühungen der EU, Verpackungsabfälle zu reduzieren, hätte sich angesichts eines historischen Hochs bei Verpackungsabfällen aber „mehr Ambitionen“ vom EU-Parlament gewünscht. Für die weiteren Verhandlungen erachtet Hasenkamp es für wichtig, dass sogenannter Bio-Kunststoff von tatsächlichen Organik-Abfällen getrennt wird, um Probleme in den Vergärungsanlagen zu vermeiden. Im Bioabfall-Kompost würden jegliche Fremdstoffe stören.

FEFCO: Einen Mittelweg gefunden
FEFCO, die Europäische Föderation der Wellpappen-Hersteller, unterstützt die Zielsetzung der EU-Kommission, die negativen Umwelteinflüsse von Verpackungen und Verpackungsabfälle zu reduzieren und gleichzeitig die Funktion des internen Marktes zu stärken. Hier habe man einen Mittelweg gefunden. In diesem Sinne begrüßt der Verband die aktuellen Ergebnisse des EU-Parlaments, die ambitionierte Bestimmungen für Kreislaufwirtschaft festlegen und ebenso bestehende, gut funktionierende Abfallwirtschaftssysteme bewahren und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen anerkennen. Denn der Erhalt einer nachhaltigen Verpackungsindustrie wie der für Wellpappe benötige einen ausgeglichenen und realistischen Zugang, der Wettbewerbsfähigkeit sichert und den internen Markt harmonisiert.

EuRIC: Eingriff in freien Markt
Für EuRIC stellt die neue Regulierung einen Fortschritt hinsichtlich Zirkularität der Verpackung, aber auch einen Rückschritt dar. Positiv zu werten seien die Festlegung, dass alle Verpackungen aufgrund strikter Kriterien recycelbar sind, die Zertifizierung von Recyclinginhalten sowie die Einführung einer Getrenntsammelquote von 90 Prozent für Verpackungen. Befürwortet werden auch Reststriktionen auf bewusst hinzugefügte PFAS. Allerdings interpretiert EuRIC die Bevorzugung bestimmter Produzenten von Recyclingmaterial als einen Eingriff in die Prinzipien des freien Marktes, indem große Produzenten begünstigt und mittelgroße sowie kleine Unternehmen benachteiligt werden. Auch spricht sich der Verband dagegen aus, dass bio-basierte Kunststoffmaterialien bis zu 50 Prozent als Recyclinginhalt angerechnet werden – das untergrabe die Effektivität der Recyclingbemühungen und unterstütze Kunststoffe auf Erdöl-Basis.

FEAD: Keine klare Position
Auch die FEAD, der Europäische Abfallwirtschafts-Verband, begrüßt die 90-prozentige Getrenntsammlungsquote der Regulierung, die er für „einen Schritt näher zur Verwirklichung“ hält. Als unerlässlich sieht der Verband aber die Unterscheidung von bio-basiertem Kunststoffmaterial und Recycling-Rohstoffen an: Organik-basierte Rohstoffe bestehen aus Biomasse und stammen aus keinem Recyclingprozess; folglich haben sie keine Recyclinginhalte. Das Parlament jedoch vertrete – mit verschiedenen und sich widersprechenden Zusätzen, die im Parlament angenommen wurden – eine alles andere als klare Position. Des Weiteren sei zwar zu begrüßen, dass das Parlament die richtige Balance gefunden habe, um Qualitäts-Recycling auf dem Hintergrund der Abfall-Rahmenrichtlinie zu definieren. Gleichzeitig zeigt sich die FEAD aber hochgradig darüber beunruhigt, dass der bevorzugte Zugang zu Recyclingmaterialien an ein Recycling im geschlossenen Kreislauf gekoppelt ist, den das Parlament an spezielle Marktteilnehmer vergeben hat. Das sei eine Verzerrung des freien Marktes und müsse umgehend korrigiert werden.

Flexible Packaging: Staatliche Spielräume bedenklich
Flexible Packaging Europe, der Verband, der die Hersteller von flexiblen Verpackungen aus verschiedenen Materialien vertritt, begrüßt die Verbesserungen des ursprünglichen Vorschlags der Kommission in mehreren Punkten. Dazu zählen unter anderem klarere Fristen für die Anforderungen an die Wiederverwertbarkeit von Verpackungen oder Ausnahmen von den spezifischen Vorgaben zur Wiederverwendung von flexiblen Transportverpackungen, die für direkten Kontakt mit Lebensmitteln verwendet werden. Allerdings bleibe die Trennung und Sortierung von Abfällen, die nicht bereits separat gesammelt werden, für die Mitgliedstaaten nur freiwillig. Es fehlten Schutzklauseln, die bei bestimmten Risiken wie Lieferengpässen oder festgestellten Gesundheitsrisiken. Als „ebenso besorgniserregend“ wird die Entscheidung des Europäischen Parlaments angesehen, eine vollständige Harmonisierung der Packaging & Packaging Waste Regulation (PPWR) abzuschwächen, indem zum Beispiel Mitgliedstaaten strengere nationale Maßnahmen erlassen können, wodurch Unsicherheiten beim grenzüberschreitenden Vertrieb von Waren entstehen.

IK: Gefährliche Sonderregelungen
Die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. zeigt sich enttäuscht über die „kurzsichtige Plastikdiskriminierung“. Ihre Kritik richtet sich speziell gegen die Sonder-Reduktionsziele für Kunststoffverpackungen, Ausnahmen für Verbundverpackungen von den Rezyklateinsatz-Quoten sowie Mehrwegquoten und Verbote von Einwegverpackungen, die nur für Verpackungen aus Kunststoff gelten sollen und somit ein Ausweichen auf andere Einwegverpackungen fördern. Derartige Sonderregeln für Kunststoffverpackungen und Schlupflöcher für andere Materialien würden die Transformation hin zu weniger Verpackungsabfällen, besser recycelbaren Verpackungen und mehr Rezyklateinsatz gefährden, gibt Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der IK, zu bedenken. Hingegen könnten materialneutrale Regelungen für jedes Verpackungsmaterial dessen „Stärken zum Wohle der Umwelt, des Klimas und der Verbraucher ausspielen“.

Gutschriftensystem abgelehnt
Enttäuschung herrscht bei der IK auch darüber, dass der Vorschlag für ein Gutschriftensystem zur Flexibilisierung der verbindlichen Rezyklateinsatzquoten – wenn auch knapp – keine Mehrheit im Parlament fand. Denn es sei mit einem Mangel an Rezyklaten zu rechnen, erklärte Dr. Isabell Schmidt, IK-Geschäftsführerin Kreislaufwirtschaft, der für kleine und mittlere Unternehmen Beschaffungsprobleme aufwerfen und damit die Erfüllung der Einsatzquoten gefährden könnte. Um Vermarktungsverbote aufgrund von Rezyklatmangel für die Lieferketten zu vermeiden oder abzumildern, sei daher eine flexible Verrechnung der Rezy­klatanteile notwendig.

EuPC: Kunststoffverpackungen diskriminiert
EuPC, die Europäischen Plastik-Verwerter, sind unzufrieden wegen der nach ihrer Ansicht unbegründeten maßgeschneiderten Maßnahmen gegenüber Kunststoff. Die neuen Regularien würden Kunststoffverpackungen diskriminieren. Und zwar aus „emotionalen Beweggründen“ wie beispielsweise besonderen Reduktionszielen für bestimmte Kunststoffverpackungen, Ausnahmen für Verbundverpackungen bei den Quoten für Rezyklat-Einsatz und Verboten für Einweg-Stretch-Folien. Ebenfalls bleibe die Umsetzung der Zielvorstellungen unberücksichtigt, was zukünftig für Verwirrung angesichts der Machbarkeit sorgt, und es werde von einer beständigen Verfügbarkeit hochwertiger Recyclingrohstoffe ausgegangen, die bislang vermisst wird.

Plastics Europe: Zu wenig Investitions-Anreize
Für Virginia Janssens, Geschäftsführerin von Plastics Europe, hat das Parlament die Gelegenheit verpasst, wichtige Anreize für die umfangreichen Investitionen zu schaffen. So sei es bedauerlich, dass die vom Umweltausschuss vorgelegte Absenkung der Rezyklateinsatzquoten nicht rückgängig gemacht wurde. Enttäuschend sei auch, dass man nicht besser verdeutlicht habe, dass biobasierte Kunststoffe und recycelte Materialien separate, aber sich ergänzende Lösungen sind. Auch stellten die Ablehnung eines materialneutralen Ansatzes und widersprüchliche Vorgaben, Verbote und Reduktionsziele ein Risiko für zukünftige Investitionen dar. Virginisa Janssens: „Willkürliche Reduktionsziele oder Maßnahmen, die nur auf Kunststoffe abzielen, sind keine Lösung.“ Sie führten nur dazu, dass Kunststoffe durch andere Materialien ersetzt werden – ohne nachgewiesenen Nutzen für die Umwelt.

Zero Waste Europe: Ausnahmen nicht zielführend
Aline Maigret, Leiterin der Abteilung Politik bei Zero Waste Europe, missfällt die nachlassende Zielstrebigkeit des Parlaments. Ihrer Meinung nach ist die Gewährung von Ausnahmeregelungen und Befreiungen bei Abfall-Vermeidung sowie -Wiederverwendung, um Industrieunternehmen zu besänftigen, inakzeptabel und führe nur noch weiter weg vom endgültigen Ziel dieser Revision: der Reduzierung von Verpackungsabfällen. Und Janek Vähk, Zero Pollution Policy Manager, bedauert, dass das EU-Parlament es versäumt hat, die Sortierung gemischter Abfälle verpflichtend zu machen. Um die Recyclingziele der EU zu erreichen, sei es ausschlaggebend, dass alle recycelbaren Verpackungsabfälle für das Recycling wiedergewonnen werden. Falls nicht getrennt gesammelt, bleibt das Separieren von Mischabfällen die einzige praktikable Option, um deren Wertstoffe in der Kreislaufwirtschaft zu halten. Darum sollte das Sortieren solcher Abfälle für Mitgliedstaaten verpflichtend sein („soll“) und nicht nur eine freiwillige Option („kann“).

DUH: Keine Lösung der Müllkrise
Für die Deutsche Umwelthilfe werde die neue Verpackungsverordnung den wachsenden Verpackungsabfallmengen in der EU nicht gerecht. Laut DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz sei das Parlament „dem Lobbydruck der Einweg-Verpackungsindustrie“ unterlegen und hätte so „alle Mehrwegquoten quasi unwirksam gemacht“. Dringend notwendige Einweg-Verbote für Supermärkte seien gestrichen worden, der Vor-Ort-Verzehr in der Gastronomie sei weiterhin zulässig, und für Einweg-Papierverpackungen habe man weitere Schlupflöcher geschaffen. Alles in allem gehe das EU-Parlament das massive Verpackungsmüllproblem der EU nicht ernsthaft an. Und das, obwohl nach neuesten Eurostat-Zahlen von 2021 es im Vergleich zum Vorjahr den europaweit größten Anstieg von Verpackungsabfällen in den letzten zehn Jahren gab. Die „desaströse Position“ des Parlaments biete jedenfalls „keine Lösung der Müllkrise“.

Zusätzliche Investitionen blockiert
Aus Sicht des EuPC sollten Vorgaben für Verpackungsneutralität und ähnliche Kreislauf-Zielsetzungen diejenigen Marktvoraussetzungen schaffen, die Europa wirklich braucht. Bislang hätten aber „die linearen Abfallwirtschaftssysteme in vielen Mitgliedstaaten mit weiterhin offenen Deponien und bezuschusster Verbrennung seit Jahren notwendige zusätzliche Investitionen in hochwertige Infrastruktur und in hochtechnisierte Sammel-, Sortier- und Recycling-Systeme blockiert“.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2024, Seite 6, Foto: Petra Hoeß, FABION Markt + Medien / abfallbild.de)