Keine Angst vor der EBV

Auch wenn das Stimmungsbild zur Praktikabilität der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) derzeit oft noch uneinheitlich erscheint, bietet das bundeseinheitliche Regelwerk große Chancen für die Steigerung der Akzeptanz qualitätsgesicherter Sekundärbaustoffe.

Die Streichung des ausführlichen Säulenversuchs als kosten- und zeitintensives Analyseverfahren ohne erkennbaren Mehrwert für die Qualität von Ersatzbaustoffen steht allerdings ganz oben auf der Wunschliste an den Gesetzgeber, lautete das Resümee auf dem 9. bvse-Mineraliktag in Stuttgart.

Michael von Malottky (Foto: bvse)

Komfortzone verlassen und umdenken
Obschon sich viele Baustoffrecycler bereits mit der seit dem 1. August 2023 geltenden Regelung vertraut und mit der QUBA-Zertifizierung (QUBA-Gütesiegel) dafür fit gemacht haben, ist der Großteil der Branche immer noch nicht auf die neuen Regelungen der EBV vorbereitet: „Wir vermuten, dass rund Zweidrittel der Branche die EBV haben kommen lassen, ohne sich im Vorfeld damit zu beschäftigen. Und das geht durch alle drei Kategorien der beteiligten Akteure. Die Aufbereiter, die weitermachen wie vor dem 01.08. und teilweise überrascht werden, wenn das Wort EBV fällt. Es sind die Bauherren, Architektur- und Ingenieurbüros, die nicht wissen, dass man heute rechtssicher und ohne Probleme Ersatzbaustoffe einbauen kann. Und es sind am Ende auch die Verwender und Bauunternehmer, die sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben, was die EBV im Alltag für sie bedeutet“, erklärte der kommissarische Fachverbandsvorsitzende Michael von Malottky auf der mit rund 170 Teilnehmenden gut besuchten bvse-Fachtagung.

Eingetretene Pfade und damit die Komfortzone zu verlassen, sind erfahrungsgemäß das größte Hindernis dafür, sich mit der EBV zu beschäftigen, betonte bvse-Geschäftsführer Stefan Schmidmeyer. Da beispielsweise die Güteüberwachung bis zum 1. August auch in Bayern freiwillig war, wurde diese in vielen Unternehmen vielfach gar nicht vorgenommen und auch von Seiten des Vollzugs nur lückenhaft kontrolliert. Nun sei es für alle an der Zeit, umzudenken und sich schnellstmöglich einzuarbeiten, riet Schmidmeyer.

Stefan Schmidmeyer (Foto: bvse)

„Zu kompliziert“ zieht nicht
„Dabei ist ein Großteil der Anforderungen, die durch die EBV gestellt werden, eigentlich schon seit Jahren geübte Praxis und bringt für diejenigen, die sich in den letzten Monaten und Jahren mit der Qualitätssicherung beschäftigt haben, in der Praxis nur sehr geringe Probleme bei der Umstellung mit sich. Die Aufbereitungstechnik hat sich ja nicht geändert. Auch an den Vorgehensweisen zur Güteüberwachung mit Annahmekontrolle, Eigennachweis, werkseigener Produktionskontrolle und Fremdüberwachung, der Handhabung von Annahme- und Lieferscheinen hat sich nichts Wesentliches geändert“, erklärte Schmidmeyer. „Wenn wir einen anerkannten und akzeptierten Sekundärbaustoff herstellen wollen, dann müssen wir die vorgegebenen Regelungen, denen im Übrigen auch gleichermaßen die Primärbaustoffhersteller unterliegen, einhalten. Die zu beachtenden Normen und Vorschriften sind nicht erst mit der EBV geschaffen worden, sondern bestehen teils seit vielen Jahrzehnten“, hob Schmidmeyer hervor.

Der Weg: Qualitätssicherung und Zertifizierung
„Ohne Vorkenntnisse muss man sich einarbeiten! Dies braucht natürlich Zeit. An Qualitätssicherung und einer Zertifizierung führt ohnehin kein Weg vorbei. Das hat der bvse, in dem über 500 Unternehmen, die sich mit Mineralik beschäftigen und im mittlerweile fast mitgliederstärksten bvse-Fachverband organisiert sind, schon sehr früh erkannt. In Erwartung der EBV, für die wir fast 15 Jahre mit dem Umweltministerium diskutiert und geworben haben, haben wir vor rund 3,5 Jahren gemeinsam mit dem DA-Deutscher Abbruchverband und dem ZDB-Zentralverband Deutsches Baugewerbe die QUBA Sekundärbauststoffe GmbH gegründet. Der Produktstatus war von Anfang an Ziel dieser bundesweiten Gütesicherung, in der es nicht nur um die Umweltanalytik, sondern um die technische Einsetzbarkeit geht. Bemüht um maximale Effektivität, war es uns dabei stets wichtig, die ganze Kette der Akteure – vom Abbruch über Aufbereitung und Recycling bis hin zum Bau – einzubinden“, berichtete bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. Besonders stolz ist der Verband auf die Anerkennung des bayerischen Umweltministers Thorsten Glauber, der in Bayern als erstem Bundesland für alle QUBA-zertifizierten Ersatzbaustoffe in allen Materialklassen den Produktstatus erteilt hat.

Eric Rehbock (Foto: bvse)

„Wir hoffen, dass dieses Beispiel Bayerns schon bald Blaupause auch für andere Bundesländer ist. Sich frühzeitig mit den Zeichennutzern auf den Weg in die EBV zu machen, hat sich bereits ausgezahlt“, bestätigte auch QUBA-Geschäftsführer Thomas Fischer. Zum 1. August konnten so alle Dokumente vorliegen und die Unternehmen reibungslos in die EBV „hineinrutschen“. Die internetbasierte Dokumentation im WMS Workflow Management System der QUBA erfüllt alle Dokumentations- und Registerpflichten bis hin zur Registerpflicht für Erzeugnisse gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz. Bislang hat die QUBA GmbH bereits über 400 Betriebe inklusive Baustellen zertifiziert. Seit dem 1. Oktober 2020 wurden so mehr als 11,32 Millionen Tonnen und seit dem 1. August 2023 circa eine Million Tonnen nach EBV güteüberwachter Sekundärbaustoffe in Verkehr gebracht“, erklärte QUBA-Geschäftsführer Thomas Fischer nicht ohne Stolz.

Weckruf für Unternehmen
„Wir sprechen mittlerweile auch nicht mehr über gute oder schlechte Qualitäten für einen Produktstatus. Eine Materialklasse bestimmt die entsprechende Einbauweise. Für alle mineralischen Ersatzbaustoffe, die gemäß EBV hergestellt sind, gibt es eine entsprechende Anwendung. Auch ein Ersatzbaustoff, wie beispielsweise die Hausmüllverbrennungs­asche, hat hierin seine Berechtigung. Wenn es laut EBV einen Anwendungsbereich gibt, kann dieser auch güteüberwacht und zertifiziert werden. Wir werden unsere Merkblätter auch für andere Materialien, spezifisch für den Anwender, weiter ausbauen. Mit dieser Systematik können, auch im Bereich der Böden, in den nächsten Jahren noch große Mengen und Materialvielfalt gewonnen werden“, machten Stefan Schmidmeyer und Thomas Fischer deutlich.

Um die Akzeptanz von gütegesichertem Recyclingmaterial weiter voranzubringen, sind jedoch noch weitere Anstrengungen notwendig. Dazu gehören der ständige Austausch und die Wissensvermittlung zu der Bedeutung von Sekundärbaustoffen an die Auftrag-vergebenden Stellen in den Behörden und deren Beratern, Architekten und Ingenieuren. Denn Sekundärbaustoffe überzeugen nicht nur durch Qualität, sondern tragen in erheblichem Maß zur Rohstoffsicherung, Ressourcenschonung und dem Erreichen der Klimaziele bei. „Wenn wir Produkte verkaufen, müssen auch wir als Recycler die Informationspflicht nach dem Produktrecht wahrnehmen“, stellte Stefan Schmidmeyer heraus. „Essenziell ist auch eine verpflichtende Aus- und Weiterbildung des Personals hinsichtlich Sach- und Fachkunde. Eine gute Hilfestellung hierfür bieten die QUBA-Seminare und Module“, erklärte QUBA-Geschäftsführer Fischer.

Ausführlichen Säulenversuch streichen
„Die EBV ist umsetzbar! Wir müssen gemeinsam daran arbeiten und mit dem Gesetzgeber reden, um das Regelwerk noch vollzugstauglicher zu machen. Ganz oben auf unserer Liste steht hier die Streichung des ausführlichen Säulenversuchs. Zu teuer, in der Durchführung viel zu langwierig, bringt er keinen Erkenntnisgewinn, keinen Mehrwert für die Qualität von Ersatzbaustoffen und wird seit dem 1. Dezember 2023 für den Eignungsnachweis auf der Baustelle zum Problem. Aus Kosten- und Zeitgründen werden viele Bauherren von der Aufbereitung auf der eigenen Baustelle Abstand nehmen und potenziell als Ersatzbaustoff verwertbares Material verfüllen oder auf der Deponie entsorgen. Daher appellieren wir nach wie vor an den Gesetzgeber, den Säulenkurztest und den Schüttelversuch für den Eignungsnachweis sofort zuzulassen“, lautete die Forderung der Experten.

Darüber hinaus sind große Herausforderungen in Bezug auf Schadstoffproblematiken wie PFAS und Asbest zu lösen. „Diese Bestandteile sind seit Jahrzehnten in Material und Böden vorhanden. Erste Vorreiter haben sich bereits mit Lösungsansätzen zum Umgang mit Asbest- und PFAS-belastetem Material und Böden sowie der Entsulfatisierung von Mauerwerksabbruch befasst und heute hier vorgestellt. Wir hoffen, dass das, was in vielen Laboren und ersten Vorreiter-Anlagen bereits funktioniert, nun bald auch weiter in der Praxis ausprobiert wird“, schloss bvse-Geschäftsführer Stefan Schmidmeyer seine Ausführungen.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2024, Seite 12, Foto: O. Kürth)