Schrottmarktbericht: Angespannte Versorgungslage

Der Berichtsmonat Juni war geprägt von langandauernden Verhandlungen der Marktteilnehmer, einem hohen Schrottbedarf sämtlicher Verbraucher, einem knappen Angebot und einem unerwartet deutlichen Preissprung. Gegenüber den Forderungen des Handels zeigten sich im Monatsverlauf insbesondere die Verbraucher recht offen, die Mühe hatten, sich mit den gewünschten Mengen zu versorgen. Die offiziellen Preiserhöhungen lagen je nach Werk und Sorte bei €30 bis €60 pro Tonne.

Einige Verbraucher waren vor und nach dem u.g. Redaktionsschluss bereit, Spotmengen über dem Marktpreisniveau zu kaufen. Der individuelle Mengenbedarf bei den einzelnen Sorten führte zu einem bundesweit uneinheitlichen Preisniveau. Der befragte Handel beschrieb die Nachfrage als gut bis ausgesprochen gut. Unterstützt wird diese Aussage von Wirtschaftsvereinigung Stahl, die am 22.06.2021 eine Rohstahlproduktion für Mai in Höhe von 3,7 Mio. Tonnen meldete. Gegenüber April ist die Produktion um 9 Prozent gestiegen. Die durchschnittliche Monatsproduktion erreichte in diesem Jahr 3,4 Mio. Tonnen und lag damit über der von 2019 als monatlich 3,3 Mio. Tonnen Rohstahl in Deutschland erzeugt wurden. Von Januar bis Mai erholte sich Produktion der Elektrostahlwerke im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres um 11,3 Prozent auf 5,36 Mio. Tonnen und die Produktion der integrierten Werke stieg sogar um 16,5 Prozent auf 11,83 Mio. Tonnen. Neben dem gestiegenen Schrottverbrauch der Elektrostahlwerke haben die Verbraucher in den integrierten Hüttenwerken sowohl aus Umweltgründen als auch wegen der hohen Erzpreise mehr Schrott in ihren Konvertern eingesetzt, was die Schrottnachfrage gegenüber dem Vorjahr deutlich erhöht hat.

Die Verbraucher im Westen, die vor allen anderen Verbrauchern zum Ende des laufenden Monats für den folgenden einkaufen und je nach Marktlage Korrekturen vornehmen, überraschten mit Preiserhöhungen für Neuschrotte von rund €75 pro Tonne. Nicht allen Werken gelang es, mit schwächeren Preisangeboten zu kontern und sie sahen sich gezwungen ihre Offerten im Monatsverlauf anzupassen. Die Schere zwischen den Alt- und den besonders gesuchten Neuschrotten vergrößerte sich. In der Regel wurden im Norden, Nordwesten und Osten für Altschrotte €30 bis €40 pro Tonne mehr als im Vormonat bezahlt. Für Neuschrotte betrug der Anstieg etwa €60 pro Tonne, wobei wie oben erwähnt die Einkaufspreise eines jeden Werkes für die einzelnen Sorten unterschiedlich waren. Im Südwesten wurden zwar die üblichen Preiserhöhungen angeboten, da jedoch die italienischen Verbraucher verstärkt deutsche Mengen zu überaus guten Konditionen im Süden Deutschlands nachfragten, wurde Schrott über die 24. Kalenderwoche hinaus für den laufenden Monat gekauft. Der süddeutsche Verbraucher musste zur Mengenabsicherung ebenfalls sein ursprüngliches Preisangebot verbessern.

Nachbarländer
Gleich zum Monatsbeginn signalisierten die italienischen Schrottverbraucher ihren deutschen Lieferanten einen höheren Monatsbedarf und sie waren bereit bis zu €70 pro Tonne mehr gegenüber Mai zu zahlen. Bevorzugt wurden Neuschrottsorten nachgefragt und insbesondere Verbraucher, die keine regelmäßigen Abnehmer von Schrott aus den Nachbarländern sind, zahlten im Verlauf der Verhandlungen höhere Aufschläge, da eine ausreichende Versorgung durch die inländischen Anbieter nicht möglich war. In Österreich erhöhten die Verbraucher die Angebotspreise für Altschrott um €50 pro Tonne und für Neuschrott um €60 pro Tonne. Ob eine Versorgung auf diesem Niveau möglich war, ist unsicher. Einen verringerten Bedarf hatte die Schweiz, weil ein Verbraucher Instandhaltungsarbeiten durchführte. Den ansonsten guten Zukaufbedarf versuchten die Verbraucher über Preiserhöhungen von €45 bis €60 pro Tonne je nach Werk und Sorte zu decken. Je nach Hersteller erhöhten tschechischen und polnische Verbraucher ihre Einkaufspreise um €60 bis €70 pro Tonne und lagen damit auf dem in Deutschland gezahlten Niveau. Der Schrottbedarf der polnischen Werke war ebenfalls hoch, zusätzlich haben sich die Exportmöglichkeiten in Drittländer verbessert. Die Lieferbereitschaft aus diesen beiden Ländern an deutsche Verbraucher bezeichneten Marktteilnehmer als eher zäh. Französische Stahlhersteller boten bei guter Nachfrage bis zu €60 mehr pro Tonne als im Vormonat an. Die Verkaufsverhandlungen mit dem Verbraucher in Luxemburg zogen sich ungewöhnlich lange hin, aber die Lieferanten zeigten bei den am Monatsanfang angebotenen Preissteigerungen von €30 bis €40 pro Tonne eine nur sehr geringe Verkaufsbereitschaft, sodass die Verhandlungen erst bei Steigerungen gegenüber dem Vormonat von €40 bis €60 pro Tonne in Schwung kamen. Unklar blieb, ob sich der Verbraucher mit den gewünschten Mengen hat eindecken können. Während das Preisniveau im europäischen Binnenmarkt deutlich nach oben schoss, gelang es den türkischen Verbrauchern im Tiefseemarkt leichte Preisreduzierungen durchzusetzen, sodass sich je nach Schrottqualität eine Preisdifferenz zwischen Inlands- und Exportpreis von bis zu €50 pro Tonne ergab. Die Exporteure in den ARAG-Häfen haben daher derzeit wenig Verkaufsinteresse, da deren Zulieferer den Absatz im Inland bevorzugen. Auch einige Exporteure konnten im Laufe des Juni ursprünglich für den Export vorgesehene Mengen an inländische Werke verkaufen. Im Vereinigten Königreich zahlten die Verbraucher widerwillig £20 pro Tonne mehr als im Vormonat, obwohl sie nur £10 pro Tonne anboten. Obwohl Liberty Speciality Steels als Schrottverbraucher ausgefallen ist, haben British Steel und Celsa Steel durch ihren höheren Bedarf gewisse Menge kompensieren könne. Die Schrottnachfrage der Gießereien konnte trotz des um £30 pro Tonne angehobenen Preises nicht wie gewünscht befriedigt werden.

Gießereien
Trotz der zum Teil immer noch verminderten Abrufe durch die Automobilindustrie haben die meisten Gießereien einen hohen Schrottbedarf. Sie konkurrieren mit den von ihnen bevorzugten Schrottqualitäten mit den Stahlwerken und die Schrottanbieter bestanden daher auf deutliche Preisanpassung, zumal die Gießereischrotte gesondert aufbereitet werden müssen. Die durchschnittliche Preiserhöhung bei an keinen Index gebundenen Herstellern lag bei bis zu €70 pro Tonne. Viele Schrottverbraucher waren weniger am geforderten Preis als an einer ausreichenden Versorgung interessiert.

Tiefseemarkt
Ende Mai konnten türkische Verbraucher gewisse für die Lieferung im Juli bestimmte Mengen günstiger einzukaufen. Die europäischen Exporteure verkauften nicht und verwiesen auf den fester werdenden Inlandsmarkt und waren zu Zugeständnissen angesichts des oben erwähnten deutlichen Preisvorteils im Binnenmarkt nicht bereit. Obwohl auch in den USA die Schrottpreise im Juni deutlich angezogen haben, verkauften mehrere nordamerikanische Händler ihre Exportlagermengen zum Preis für die Sorte HMS 1/2 (80:20) von rund US-$500 pro Tonne CFR Türkei, wobei sie für höhere Qualitäten, wie Shredderschrott, den sonst üblichen Abstand von US-$5 pro Tonne im Vergleich zur Standardsorte auf US-$15 bis US-$20 vergrößern konnten. Die bewehrte türkische Taktik, Zukäufe so lange wie möglich hinauszuzögern, kommt derzeit wieder im Einsatz. Es kommt nun darauf an, wie lange die türkische Seite ihre Zukäufe zurückhalten kann, damit Exporteure mit hohen Beständen an nicht im Inland absetzbaren Scherenschrottqualitäten verhandlungsbereiter werden. Wie es aus Marktkreisen hieß, verlangen die türkischen Abnehmer mittlerweile immer eine gewisse Menge an Qualitätssorten in jeder Ladung, was die Kalkulation angesichts der deutlich höheren Inlandspreise zusätzlich erschwert. Wie sich die vermeintliche Schwäche im Tiefseemarkt auf den Schrottpreis auswirken wird, ist noch unklar. Der ungebrochen hohe Schrottbedarf weltweit und das aus verschiedenen Gründen noch hinterherhinkende Schrottaufkommen in vielen Industrienationen wird jedoch früher oder später über den Preis ausgeglichen.

Schlussbemerkungen
Der Handel schätzt die Preisentwicklung für den kommenden Monat unterschiedlich ein. Der Schrottzulauf an Altschrotten steigt langsam, während das Neuschrottaufkommen wegen der anhaltenden Probleme durch unterbrochene oder zerstörte Lieferketten immer noch nicht das Vor-Corona Niveau erreicht hat und der Nachfrageüberhang über die Sommermonate bestehen bleiben könnte. Ein Teil der Händler kann sich deshalb vorstellen, dass einige Verbraucher vor allem die Neuschrottpreise nochmals anheben, während der andere Teil der Händler davon ausgeht, dass vorhandene Preisspitzen abgebaut und die sehr unterschiedliche Preisgestellung der einzelnen Werke ausgeglichen wird. In der jetzigen Situation, in der zum Beispiel die Moniereisenhersteller historisch hohe Verkaufspreise erzielen können und wegen der Verlängerung der europäischen Schutzmaßnahmen auch in den kommenden drei Jahren wenig Konkurrenz aus Drittländern fürchten müssen, werden die Hersteller wohl kaum durch Schrottpreissenkungen ihre komfortablen Verkaufspreise gefährden. Mit einer deutlichen Entspannung rechnet der Handel trotz anstehender ferienbedingter Werksstillstände während der Sommermonate nicht, zumal das Aufkommen entsprechend angepasst sein wird. Die Lage des Handels ist dabei jedoch alles andere als komfortabel, denn die gestiegenen Preise müssen an die Zulieferer und Entfallstellen weitergegeben werden. Im Voraus eingegangene vertragliche Mengen- oder Preisbindungen mit Abnehmern haben sich gerade in Zeiten der volatilen Preise als Fehler erwiesen. Hinzukommt, dass sich seit November 2020 die Schrottpreise fast verdoppelt haben, was bei den Unternehmen viel Liquidität bindet. Logistische Engpässe in Form von mangelndem Lkw-Frachtraum und einer lückenhaften Waggonzustellung, wie dies in Hochbedarfszeiten üblich ist, erschweren zunehmend die Abläufe.

Redaktionsschluss 22.06.2021, BG-J/bvse

(EU-Recycling Magazin 07/2021, Seite: 37, Foto: EU-R Archiv)