Gefährliche Chemikalien: EU-Kommission will Schutz von Arbeitnehmern vor Blei und Diisocyanaten stärken

Neue niedrigere Expositionsgrenzwerte für Blei und Diisocyanate, die in vielen Baustoffen stecken, sollen Beeinträchtigungen der Fortpflanzungsfunktionen vorbeugen und Atemwegserkrankungen verhindern: Der Vorschlag der Kommission erzielte politische Einigung zwischen Europä­ischem Parlament und Rat.

Konkret hatte die Kommission vorgeschlagen, zwei Richtlinien zu ändern: in Bezug auf Blei die Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Exposition gegenüber Karzinogenen, Mutagenen oder reproduktionstoxischen Stoffen bei der Arbeit – in Bezug auf Blei und Diisocyanate die Richtlinie zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei der Arbeit.

Die erzielte Vereinbarung sei ein wichtiger Schritt zur Umsetzung des Aktionsplans der Europäischen Säule sozialer Rechte im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sowie des Strategischen Rahmens der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021-2027, um die Exposition der Arbeitnehmer gegenüber gefährlichen Chemikalien weiter zu verringern.

Leitlinien unterstützen Umsetzung
Teil der Vereinbarung werden auch Leitlinien sein, die die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der beiden geänderten Richtlinien unterstützen, zum Beispiel hinsichtlich Schutz von Frauen im gebärfähigen Alter oder der kombinierten Exposition gegenüber Stoffgemischen. Die Vereinbarung enthält auch Klarstellungen zur Datenerhebung über die Bleiexposition sowie zur Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Kleinstunternehmen bei der Einhaltung der Vorschriften. Nach der förmlichen Annahme der Vereinbarung durch Europäisches Parlament und Rat haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Hintergrund
Der Vorschlag der Kommission war das Ergebnis eines umfassenden Konsultationsprozesses einschließlich einer zweistufigen Anhörung der Sozialpartner und einer engen Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Vertretern von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Mitgliedstaaten.

Er folgt den Verpflichtungen aus dem Strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021-2027, in dem die Kommission einen Vorschlag zu Grenzwerten für Blei und Diisocyanate angekündigt hat. Er geht auch auf die vierte Überarbeitung der Richtlinie über Karzinogene und Mutagene im März 2022 zurück, mit der der Anwendungsbereich auf reproduktionstoxische Stoffe, die die Fortpflanzungsfunktionen beeinträchtigen, ausgeweitet wurde. Mit diesem Vorschlag wird Blei in den Anwendungsbereich der neuen Richtlinie über krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Stoffe aufgenommen.

Blei ist für etwa die Hälfte aller beruflichen Expositionen gegenüber reproduktionstoxischen Stoffen verantwortlich. Jährlich treten in der EU etwa 300 Krankheitsfälle auf, die auf eine frühere Exposition gegenüber Blei zurückzuführen sind. Sie erfolgt bei der Gewinnung und der Erstverarbeitung von Blei und seiner anschließenden Verwendung in Produkten wie Batterien. Darüber hinaus können Arbeitnehmer Blei ausgesetzt sein, zum Beispiel aufgrund seiner historischen Verwendung bei Renovierung, Abfallsammlung, Recycling und Umweltsanierung. Die berufsbedingte Exposition gegenüber Diisocyanaten macht neun bis 15 Prozent aller berufsbedingten Asthmafälle bei Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter aus. Spitzenbelastungen (d. h. kurze Dauer, hohe Intensität) tragen wesentlich zur Entwicklung von Asthma bei. Aus diesem Grund wird neben einem allgemeinen Grenzwert für die berufsbedingte Exposition auch ein Grenzwert für die Kurzzeitexposition vorgeschlagen. Die berufsbedingte Belastung durch Diisocyanaten tritt hauptsächlich bei der Herstellung von Polyurethan auf, das für Produkte wie Schaumstoffe, Kunststoffe, Beschichtungen, Lacke, Zweikomponentenfarben und Klebstoffe verwendet wird. Da derzeit keine Grenzwerte für Diisocyanate bestehen, wird es eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2028 geben, um Unternehmen bei der Umsetzung zu unterstützen.

 

Neue Gefahrenklassen

Die CLP-Verordnung regelt die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von gefährlichen Stoffen und Gemischen. Mit einer Änderung der Verordnung im April 2023 wurden drei neue Gefahrenklassen eingeführt: ED (endokrinschädliche Eigenschaften), PBT/vPvB (persistente, bioakkumulierbare und toxische Eigenschaften/sehr persistente und sehr bioakkumulierbare Eigenschaften) sowie PMT/vPvM (persistente, mobile und toxische Eigenschaften/sehr persistente und sehr mobile Eigenschaften). In einem Übergangszeitraum können Stoffe oder Gemische auf freiwilliger Basis nach den neuen Gefahrenklassen eingestuft werden. Verbindlich anzuwenden sind sie ab 1. Mai 2025 für neue Stoffe und ab 1. Mai 2026 für neue Gemische.

Quelle: BG BAU – Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft

 

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2024, Seite 33, Foto: Maria Moczydlak / pixabay.com)