11. Recycling Designpreis verliehen
Recycling verbessert sich durch Innovationen. Zu diesem Zweck lobt die RecyclingBörse! Herford seit Jahren einen Recycling Designpreis aus. Die Produkte der diesjährigen Preisträger werden seit dem 1. Dezember 2024 im Forum des Marta Herford vorgestellt.
Den 1. Preis verdiente sich der Münchner Sebastian Thies mit seinem „NAT-2 Post (Long) COV(id) Sneaker“. Dieser Schuh besteht vor allem aus Polyurethan von Kühlschrank-Isolierungen, Nitrilkunststoff aus medizinischen Handschuhen und Biokeramikfasern. Innen ist er mit einer herausnehmbaren Echtkorksohle ausstaffiert. Der Sneaker ist vegan und wird in einem kleinen italienischen Familienunternehmen fair produziert.
Den 2. Platz belegte der Werkstoff „Frumo“, hergestellt aus saisonal wechselnden Lebensmittelabfällen und Naturharz. Das kompostierbare und leicht zu reparierende Material kann zu Herstellung von Bodenbelägen oder Möbeln eingesetzt werden. Platz 3 eroberte die Landauerin Mariss Gaab mit der Wiederverwendung von hauptsächlich Bauschutt von Deponien. Nach Analyse des Materials nach Form, Eigenschaft und Optik zerschnitt die Diplomantin die Brocken zu Materialscheiben, die sie zu verschiedenen Mustern zusammensetzte und die sich als Fliesen oder Wandpaneelen eignen.
Aus Keramikbruch, Wolle und Staub
Welches Gestaltpotenzial gebrannte Sanitärkeramik auch noch als Abfallprodukt der Keramikherstellung besitzt, anstatt als mineralischer Bruch oder Bauabfall zu enden, konnte die Karlsruherin Diplomantin Lara Landbrecht mit der Crotto Collection unter Beweis stellen: durch Entwurf einer abgestimmten Badezimmer-Keramik aus Recyclingmaterial. Schalldämpfende Wandverkleidungen für Innenräume entwickelte der Budapester Apol Temesi mit Soundwool: Die Akustikpaneele aus wiedergewonnener Wolle lassen sich individuell zusammenstellen und sind zudem wärmedämmend, strapazierfähig und feuerfest. Eine Projektgruppe aus Münster ist für „Dreizueins“ verantwortlich, einen Kleiderbügel, der im wesentlichen aus drei Teilen Staub (aus Wäschetrocknern) und einem Teil aus Speisestärke besteht, formgepresst wird und eine (wasserlösliche) Klarlack-Versiegelung erhält.
Aufbereitet und nutzbar gemacht: Garn
Die Trennung von Mischgarnen war bislang aufwändig und wurde kaum genutzt. „Undoyarn“ ist ein Verfahren zur Rückgewinnung von Garnen aus Alttextilien jeder Art. Durch die „Undoyarn“-Technik von Brigitte Sperling und Ina Goetz entstehen neue Garne zum Handstricken oder zur industriellen Verarbeitung. Jährlich fallen in Deutschland 2.500 Tonnen an Hunde- und Katzenhaaren in Privathaushalten und Friseursalons an. Die Bielefelderin Ann Cathrin Schönrock bereitet dieses Material und Tendel Lyocell-Fasern zu einem Garn aus hochwertiger Wolle auf. Und im Break-Up Lab der Hallenserin Sophia Reissenweber kommt ein biotechnologisches Recyclingverfahren zum Einsatz, das Polyesterfasern durch ein Enzym auflöst und einen biologisch abbaubaren Kunststoff zur Fertigung von beispielsweise Knöpfen oder Garn gewinnen lässt.
Aus Mineralien und Holzstaub
2020 musste die fleischverarbeitende Industrie in Deutschland rund 800 Millionen Liter Blut entsorgen. In seinem Projekt an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart entwickelte Severin Zimmermann ein Verfahren, um aus getrocknetem Schlachterei-Blut und Holzstaub einer Schreinerei Bois Durci zu gewinnen: ein langlebiges, hartes Material für Alltagsobjekte, die kompostierbar sind. Die Herstellung von Geopolymeren aus urbanem, feingemahlenem Ziegelbruch untersuchte die Berlinerin Theresa Schwaiger in Materialexperimenten. Zur Veranschaulichung entwarf sie ein modulares System aus zusammensteckbaren Bausteinen. Aus rund 60 Prozent Sägestaub aus Natursteinen, 38 bis 40 Prozent an mineralischen Hilfsmitteln und Ziegelstaub bis höchstens zwei Prozent besteht die Recycling Glasur, die Benedikt Peirotén vom Studio Peipei anbietet. Die Glasur verzichtet auf zusätzlichen Quarzssand oder chemische Hilfsmittel. Damit könnte pro Woche etwa eine Tonne Glasur produziert werden.
Klassisch: Holzrecycling
Eine Terrassenmöbel-Garnitur aus gebrauchten Heizkörperverkleidungen aus Aluminium und pulverbeschichteten Stahlelementen stellen Anna Peper und Linus Mohr vor: Die Sitz- oder Auflage-Flächen wurden per einfacher Klemmtechnik mit den stählernen Seitenteilen als Beinen von Tisch oder Bank verbunden und sind problemlos wieder zerleg- und recycelbar.
Der Norweger Pieter van Tulder reichte beim Wettbewerb einen Stuhl namens Sondre Chair ein: Dessen Grundmaterial wurde aus schmalen Restholzstücken aus dem lokalen Abfallsystem wiedergewonnen, zu verschieden großen Holzformen zusammengesetzt und daraus Einzelteile zur weiteren Fertigung gefräst. Die Bachelor-Arbeit von Maximilian Lechner an der Hochschule München verdeutlicht, wie eine Esstisch-Garnitur aus Massivholzabschnitten eines Sägewerks gefertigt werden kann. Traditionelle Handwerkstechnik sorgte hier – bei materialschonender Verarbeitung – für langlebiges und recycelbares Mobiliar. Jessica Koconrek ist die Erfinderin von „Zwingo“, einer Konstruktion aus gebrauchten Schraubzwingen, die, anstelle herkömmlich aus einem Fest- und einem Gleitbügel zu bestehen, aus zwei Zwingen im besonderen Winkel zusammengeschweißt wurde. Die Konstruktion erlaubt bei der Montage von Holzlatten einfachen und flexiblen Möbelbau.
Recycling neben Colani
Insgesamt 350 Projekte wurden zum diesjährigen 11. Recycling Designpreis eingereicht, 27 davon in der Ausstellung präsentiert. Wobei in Herford der Gedanke des Wiederverwertens auch in der Darbietung weitergeführt ist: Anstelle traditioneller Podeste entwickelten die Museumsdesigner ein System aus gebrauchten Stanzplatten und Metallrohren; die erklärenden Ausstellungtexte fanden Platz auf der Rückseite übriggebliebener Plakate.
Noch eine Anmerkung: Im Vergleich zu den letztjährigen Präsentationen des Designpreises standen vor allem die stofflichen Eigenschaften der Materialien im Vordergrund; optische, ins Auge springende designerische Höhepunkte beispielsweise bei Möbeln oder Stoffen waren diesmal eher spärlich gesät. Aber es gibt einen Trost: In den benachbarten Räumen präsentiert Martha (als Museum für zeitgenössische Kunst) eine farben- und formenfrohe Ausstellung zum Werk von Luigi Colani – mit designerisch hochwertigen Werken, die leider in einer Epoche entstanden, in der der Rohstoff Plastik noch hoch im Kurs stand.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2025, Seite 28, Fotos: Dr. Jürgen Kroll)