27. Internationaler Altpapiertag 2025: Unbeständige Märkte mit Aussicht auf Besserung
Mit mehr als 530 Anmeldungen unterstrich der Internationale Altpapiertag des bvse-Bundesverband und Entsorgung e.V., der dieses Mal in Bonn stattfand, erneut seine Bedeutung als Branchenforum. Allerdings haben die Unternehmen der Altpapierwirtschaft Sorgen.
Mike Hayes, neuer Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Papierrecycling, brachte die Probleme auf den Punkt und konstatierte, dass sich der europäische Altpapiermarkt 2024 sehr volatil zeigte. „Startete das Jahr noch verhalten, ging urplötzlich im Frühjahr buchstäblich die Post ab und die Preise in den Massensorten erlebten einen Höhenflug, der konträr zu schwachen Konjunkturzahlen stand, um ab Herbst wieder auf Sinkflug zu gehen,“ teilte er den Teilnehmern im Saal und am Computer mit. „Und siehe da: 2025 scheint sich dieser Trend zu wiederholen! Zumindest ist es das, was man aktuell auf den Märkten spürt. Wer nun aber vermutet, dass dies ein Zeichen einer Konjunkturbelebung ist, den muss man leider enttäuscht zurücklassen.“

Mike Hayes: Die europäische Gesetzgebung erschwert zunehmend den internationalen Handel mit Altpapier (Foto: bvse)
Seinen Worten zufolge haben sowohl die mangelnde Verfügbarkeit als auch die Einschätzung einzelner Papierfabriken, Abstellmaßnahmen einleiten zu müssen, zu dieser Preisrally im vergangenen Jahr geführt, die sich auch in diesem Jahr wiederholen könnte. Die Papierfabriken müssten sich ebenfalls ihren Problemen stellen, und auf der einen Seite mit hohen Energiepreisen gegen eine schwache Nachfrage ankämpfen, und auf der anderen Seite die Versorgungssicherheit in einem vom Mangel geprägten Altpapiermarkt sicherstellen. „Werksschließungen und Insolvenzen auf dem europäischen Markt in den letzten zwölf Monaten sprechen dazu eine deutliche Sprache,“ schilderte er die Situation. „Und Sie und ich, als Teil dieser Lieferkette, stehen inmitten dieser großen Preissprünge und müssen versuchen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, weil der Wind sich schnell und ohne Vorwarnung dreht.“ Dies sei mit Chancen, aber auch mit Risiken verbunden.
Laut Mike Hayes bleibt Altpapier – trotz der Marktturbulenzen – ein unverzichtbarer Bestandteil der Kreislaufwirtschaft. Deutschland erreichte 2024 eine Altpapiereinsatzquote von 83 Prozent – ein internationaler Spitzenwert. Europaweit variiere die Recyclingquote je nach Land; im Schnitt liege sie bei 70 Prozent. Global betrachtet betrage diese Quote 50 Prozent, was weiteres Potenzial für nachhaltige Wertschöpfung biete. „Altpapier ist die Blaupause für nachhaltige Kreislaufwirtschaft in Europa“, bekräftigte der Vorsitzende des bvse-Fachverbands. Den Angaben zufolge ist Deutschland Nettoimporteur und führte 2023 rund 2,8 Millionen Tonnen mehr Altpapier ein, als es exportierte. Die Papierfabriken seien auf Importe angewiesen, weil die Sammlung im Inland den Bedarf nicht decken kann. In der gesamten EU stellt sich die Lage anders dar: Mit einem Nettoexport von 7,6 Millionen Tonnen bleibt Europa ein bedeutender Lieferant für Drittländer.
Handelshemmnisse
Wie Mike Hayes weiter betonte, erschwert die europäische Gesetzgebung zunehmend den internationalen Handel mit Altpapier. Da sei zuerst die EU-Abfallverbringungsverordnung, die deutlich verschärft wurde. Der Export nicht-gefährlicher Abfälle aus der EU in Drittstaaten werde ab Mai 2027 deutlich erschwert, „weil die EU zwingend ihre Standards und Auflagen exportieren möchte“. Für die Genehmigung, weiterhin Altpapier oder andere als Abfall deklarierte Sekundärrohstoffe aus der EU empfangen zu dürfen, sollten Nicht-OECD Länder einen Antrag bei der EU stellen. „Da unsere Handelspartner in den Drittstaaten auf hochwertige Ware aus Europa angewiesen sind, möchten sie natürlich weiterhin unsere Waren beziehen. Aber die Information über die Existenz dieses neuen EU-Gesetzes in die Behörden der Empfängerländer hineinzutragen, die dann den Antrag stellen müssen – in Indien, Malaysia, Pakistan, Indonesien – das war ein harter Kampf“, lautete der Bericht über die Schwierigkeiten. Aufgrund der unklaren Gesetzesauslegung durch die EU, musste die Industrie eigenständig Aufklärungsarbeit leisten. Dank der Anstrengungen des europäischen Dachverbandes EuRIC (European Recycling Industries Confederation) hätten jedoch zentrale Abnehmerländer rechtzeitig die erforderlichen Registrierungen durchführen können, so der Redner.
Ein weiteres ungelöstes Problem bleibt die rechtliche Einstufung von Altpapier als Abfall.
„Die Lieferantenverbände setzen sich seit Jahrzenten dafür ein, dass Altpapier, das der DIN EN 643 entspricht, als Produkt anerkannt wird“, beschrieb Mike Hayes den langwierigen und mühseligen Weg allein in Deutschland. „Nach wie vor gibt es keine flächendeckende, bundeseinheitliche Lösung.“ Unterschiedliche Auslegungen der Bundesländer und verschiedener EU-Staaten machten es schier unmöglich, gesetzestreu zu agieren, was den Handel deutlich erschwere. Zuletzt seien Verhandlungen über ein EU-weites Abfallende für Altpapier im März dieses Jahres gescheitert. Auf nationaler Ebene hoffe die Branche weiterhin auf Fortschritte. Zudem beklagt der bvse die sinkende Qualität des Altpapiers durch wirtschaftliche Entwicklungen und neue Verpackungsformen. Insbesondere faserbasierte Verbundverpackungen erschwerten das Recycling und beeinträchtigten die stoffliche Verwertung der blauen Tonne. Aus diesem Grund sollte die Verantwortung für verbesserte Recyclingfähigkeit bereits in der Produkt- und Verpackungsentwicklung verankert werden.
Positive Zeichen
Prof. Dr. Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) zeichnete in seinem Vortrag über „Multiple Krisen – Multiple Chancen: Wie stehen wir 2025 da?“ kein ganz und gar düsteres Bild. Seiner Einschätzung zufolge wird die Konjunktur in Deutschland 2025 vorerst auch weiterhin stagnieren, dann aber steigen und im leicht positiven Bereich liegen. 2026 soll sie nach der Prognose weiter anziehen. Eine ähnliche Entwicklung hinsichtlich der Altpapiermärkte in Südostasien nimmt auch Hannah Zhao von der Cross-Commodity-Preisberichtsagentur Fastmarkets RISI an. Wie sie den Teilnehmern der bvse-Veranstaltung berichtete, entwickelte sich die Region zu einem Key Player, wobei sich die Importe verändert haben und weniger Material aus dem Ausland bezogen wurde. So sank 2024 die importierte Altpapiermenge in Indien um etwa ein Viertel. Während Malaysia im gleichen Zeitraum 18 Prozent mehr Material einführte, reduzierte Vietnam die importierte Menge um 15 Prozent. Auch europäisches Altpapier war nicht mehr so begehrt, denn die südostasiatischen Importe reduzierten sich von Januar bis November 2024 im Jahresvergleich um 20 Prozent. Noch drastischer fiel der Rückgang von Ware aus den USA aus: Nachdem die Abnahmemenge 2023 um 46 Prozent gesunken war, fiel der Absatz im Jahr 2024 um weitere 80 Prozent.
In dieser Region ist China der dominierende Verbraucher, unterstrich Hannah Zhao, und informierte über die langsam abnehmende Einfuhr von Recycling-Zellstoff (recycled pulp) des Landes. Wie sie weiter unterstrich, hat die aktuelle Situation etwas mit den geltenden Vorschriften in südostasiatischen Ländern und in den Ländern der Handelspartner zu tun. So sei es nicht erlaubt, gemischtes Papier (mixed paper) einzuführen. In der EU sei die neue europäische Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation 2025/40 – PPWR) beschlossen worden, deren Bestimmungen ab dem 12. August 2026 gelten. Hinzu kommt laut Hannah Zhao die aktuelle Handelspolitik der USA, die nach ihren Worten Turbulenzen in den globalen Altpapiermärkten auslösen könnte. In Anbetracht der Lage geht sie davon aus, dass südostasiatische Länder in diesem Jahr weniger Altpapier importieren werden. Für die Jahre 2026 und 2027 rechnet sie mit einem Anziehen der aus dem Ausland bezogenen Sekundärrohstoffe für die asiatische Papierproduktion.
Kelly NcNamara von der kanadischen Marktforschungsfirma Numera Analytics beschrieb den nordamerikanischen Markt als schwierig. Wichtigstes Thema sind ihren Worten zufolge die Turbulenzen im Handel durch die aktuelle Politik in den USA. In diesem Zusammenhang stellte sie fest, dass aufgrund des Aufbaus von Recyclingkapazitäten der Bedarf an unteren Sorten (Verpackungen aus Pappe und Karton; OCC – Old Corrugated Containers) gestiegen war und 2024 – nach zwei schwachen Jahren – um 5,8 Prozent zugenommen hatte. Allerdings habe es im vergangenen Jahr Werksschließungen gegeben, die sich auch in diesem Jahr fortsetzen sollen. Um ein Überangebot zu verhindern, seien Exporte nach Asien und Lateinamerika notwendig. Die USA verkauften große Mengen an Altpapier nach Mexiko. Darüber hinaus sei der US-Markt eng mit dem kanadischen Markt verzahnt, wobei die USA eher geringe Mengen an Altpapier aus Kanada importieren; negative Auswirkungen der festgesetzten US-Zölle würden wohl zuerst Unternehmen nahe der Grenze zu spüren bekommen.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 05/2025, Seite 8 von Brigitte Weber, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)