KIKERP: Mit KI alte Elektrogeräte beurteilen
Was tun mit der alten Waschmaschine oder dem ausgedienten Kühlschrank? Eignen sie sich für eine Reparatur oder müssen sie recycelt werden? Das Projekt KIKERP will für solche Fälle ein System entwickeln, das Verbrauchern hilft, Qualität und Preis ihres Haushaltsgeräts zu bestimmen.
Zurzeit erfolgt bei ihrer Rückgabe/-nahme die Wertschätzung von Elektroaltgeräten erst im Lager des Elektronikhändlers, der die Ware begutachtet. Ob der Erlös der Qualität des Haushaltsgeräts entspricht, ist Verhandlungs- oder Glückssache. Ob der Erlös in etwa der Qualität entspricht, ist mangels Vergleichsmöglichkeit zumindest für den Kunden meist nicht nachvollziehbar. Für den Wiederverkaufswert spielen jedenfalls die optischen Merkmale eine große Rolle. Sie festzuhalten und einschätzen zu können, ist Zweck und Ziel von KIKERP.
KIKERP ist die Abkürzung für Künstliche Intelligenz-basierte Erkennung und Klassifizierung von Elektro(alt)geräten zur robotischen Prozessautomatisierung in kreislaufwirtschaftsorientierten digitalen Managementökosystemen. Im Projekt entwickeln Forschende des Fraunhofer IPK in Zusammenarbeit mit den Software-Firmen YES Ecosystems Technology GmbH und HaKiGo GmbH ein System zur bildunterstützten Produkterkennung. Ziel ist ein cloudbasiertes KI-Assistenzsystem, das im Dialog mit dem Anwender solange mit Daten gefüttert wird, bis dieser eine Klassifizierung zur fachgerechten Aufbereitung, Wiederverwendung und Verwertung des untersuchten Elektrogeräts vorliegen hat. Vorgesehen ist das System für Mitarbeitende von Elektrogeräteherstellern wie auch für Endverbraucher.
Auf einer Skala von eins bis fünf
In der zukünftigen Praxis kann der Nutzer mit Smartphone oder Tablet optische Informationen wie etwa Marke, Produkttyp, Farbe und Artikelnummer erfassen und das Haushaltsgerät anschließend aus verschiedenen Winkeln und Perspektiven fotografieren, um auch eventuelle Gebrauchsschäden, Kratzer, Rost oder Leckagen zu dokumentieren. Ergänzend kann er angeben, welche Reparaturen während der Nutzungsdauer vorgenommen wurden. Anchließend bewertet die KI mithilfe dieser Eingaben die Qualität der Ware auf einer Skala von eins (für schlecht) bis fünf (für sehr gut).
Daraus lassen sich Parameter wie Preis oder Zustand ableiten oder weitergehende Entscheidungen für das Gerät treffen. „Unsere KI-Module werden in einer einzigen Architektur kombiniert und laufen auf einem Cloud-Server. Die Bedienung erfolgt über ein Interface auf mobilen Geräten“, erläutert Vivek Chavan, Wissenschaftler am Fraunhofer IPK. Allerdings – schränkt Oliver Heimann, Abteilungsleiter Automatisierungstechnik/Abt. Maschinelles Sehen am Fraunhofer IPK, ein – könne man aus optischen Merkmalen nicht immer auf die Funktionalität schließen: „Sind Funktionstest notwendig, bedarf dies externer Ressourcen.“
Bislang nutzen die Systementwickler Herstellerdaten oder entwerfen künstliche Trainingsdaten, um zu erforschen, ob sich mit synthetischen Daten eine optische Inspektion anlernen lässt. Ihr Ziel: mehr als 5.000 Haushaltsgeräte mithilfe von KI zu testen, zu qualifizieren und dabei eine Erkennungsrate von über 97 Prozent zu erreichen. Auch sollen die zu entwickelnden KI-Technologien verschiedene Tätigkeiten erlernen und automatisiert werden. „Mit unserer cloudbasierten Managementplattform konzipieren wir eine Prozesslandschaft für Remanufacturing und Reuse von Haushaltsgroßgeräten und setzen sie als Anwendungsdemonstrator um. Angestrebt wird eine Synchronisation mit E-Commerce-Portalen für den Verkauf der analysierten Produkte“, erwartet Chavan.
Auch anderswo einsetzbar
Das optische Erfassungssystem ist prinzipiell auch für andere mehrwertige Produkte einsetzbar. Nach Ausage von Oliver Heimann kommt die Technologie bereits auch im Kontext gebrauchter Fahrzeugteile in der Automobillogistik zur Anwendung. Und auch hier müssen im Zweifel noch zusätzliche Angaben zum technischen Funktionszustand gemacht werden. Gemeinsam mit den Daten aus den Steuergeräten und der optischen Einschätzung kann dann direkt entschieden werden, wohin das Bauteil verschickt wird, mit dem Ziel, Logistikkosten zu reduzieren. Die Technologie besteht in diesem Bereich nicht nur aus der KI zur Inspektion, sondern auch aus Informationen von Datenbanken und Bewertungsalgorithmen, wodurch zusätzliche Produkteigenschaften mit in das Assessment einfließen. Heimann: „Wir sehen uns in dem Sinne eher als Entwickler von neuen Anwendungen, bei denen nicht nur die Technologie, sondern auch der Geschäftsprozess für neue KI-Anwendungen im Fokus steht.“
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 09/2025, Seite 40, Foto: MSV, KI-generiert)