Die geplante Plastiksteuer – Lenkungswirkung oder Rohrkrepierer?

Die sogenannte „Plastiksteuer“ hatte mit dem Recycling von Verpackungen zunächst nichts zu tun. Schon Ende November 2017 kam EU-Haushaltskommissar Günther H. Oettinger die Idee, die durch den Brexit voraussichtlich klammer werdende Brüsseler Kasse durch eine Plastiksteuer aufzufüllen.

Anfang Januar 2018 fasste EU-Präsident Jean Claude Juncker diese Idee in Worte und erklärte, dass man mehr als ein Prozent des europäischen Bruttoinlandsproduktes brauchen werde, um europäische Politik adäquat finanzieren zu können. Neben Einsparungen im EU-Haushalt solle dies auch durch Einsparungen wie eine Plastiksteuer bewirkt werden. Medienberichten zufolge sollte diese Abgabe – mit Hinblick auch auf den chinesischen Importstopp – Anreize zur Reduktion von Abfällen aus Kunststoff bieten. In den wenige Tage später erschienenen Verlautbarungen der Kommission zu einer europäischen Kunststoffstrategie war von einer expliziten Steuer allerdings keine Rede.

Ein schnell umsetzbarer, erster Schritt

Foto: Andi Karg

Am 2. Mai 2018 wurde der „Vorschlag für ein pragmatisches, modernes und langfristiges Budget“ der Öffentlichkeit präsentiert. Unter Punkt 5 „Moderne Finanzierungsquellen für den EU-Haushalt“ erschien in der Brüsseler Pressemitteilung die Nachricht über einen „nationalen Beitrag von 80 Cent pro Kilogramm aus nicht wiederverwerteten Verpackungsabfällen aus Plastik“. Jean Claude Juncker erklärte dazu: „Mit dem heutigen Vorschlag haben wir einen pragmatischen Plan vorgelegt, wie man mit geringeren Mitteln mehr erreichen kann.“

Diese Meinung fand in Deutschland Befürworter. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, ist der Meinung: „Eine Abgabe von 20 Cent auf Einweg-Plastikflaschen könnte ein schnell umsetzbarer, erster Schritt sein. Selbst die britische Premierministerin Theresa May setzt sich für die Einführung einer Steuer auf Einweg-Plastikflaschen ein.“ Schleswig-Holsteins grünem Umweltminister Rober Habeck erscheint eine EU-weite Plastiksteuer auf Wegwerfprodukte notwendig: „So lässt sich eine Lenkungswirkung erreichen.“

Auch für NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller weist die Idee, eine EU-weite Steuer auf Plastik einzuführen, in die richtige Richtung: „Eine Lösung für den gesamten EU-Binnenmarkt wäre wesentlich effektiver, als es nationalstaatliche Maßnahmen sein könnten. Durch die Steuer können wir unseren ausufernden Plastikverbrauch in der EU von derzeit rund 50 Millionen Tonnen senken.“ Und NABU-Umweltexperte Sascha Roth ist der Ansicht: „Eine Materialsteuer, die bei den Plastikproduzenten ansetzt, könnte erheblich zur Kunststoffvermeidung und zu besserem Recycling beitragen.“

Das neue Verpackungsgesetz abwarten

Der Handelsverband Deutschland sieht das anders: „Eine Plastiksteuer löst keine aktuellen Probleme und ist überflüssig. Mit den Systemen zur erweiterten Produktverantwortung gibt es in Deutschland bereits erfolgreiche und bewährte Lenkungsinstrumente“, betonte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Man sollte jetzt erst einmal das neue Verpackungsgesetz und seine Wirkung abwarten, bevor nicht zu Ende gedachte neue Forderungen erhoben würden. Auch die neue Bundesumweltministerin Svenja Schulze bezweifelt, „ob ein paar murrend an der Kasse bezahlte Cent zu einem Umdenken führen“. Gegenüber dem Redaktionswerk Deutschland äußerte sie: „Aus Umweltsicht brauchen wir keine neue Steuer, sondern eine intelligentere Steuerung, die zu weniger Abfall und mehr Recycling führt.“ Für Justine Maillot, Mitglied der Rethink Plastic-Allianz, setzt der Vorschlag an einem falschen Punkt an: „Mit dieser Steuer wendet die Kommission sich gegen das Prinzip der Abfallhierarchie, indem sie Recycling über Vermeidung und Wiederverwendung stellt.“ Eine Steuer auf Plastik sollte jedoch nicht erst am „Lebensende“ eines Produkts ansetzen, sondern direkt an der Produktion, um den Preis für die Herstellung von Kunststoffprodukten zu erhöhen. Die vorgeschlagene Steuer „beinhalte keinen Anreiz für eine Reduzierung von Plastik direkt an der Quelle“, erklärte Rethink Plastic.

Ein völlig falscher Ansatz

Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, hatte schon im Januar den Oettinger-Vorschlag als „völlig falschen Ansatz“ bezeichnet. Man müsse endlich beginnen, „ernsthaft in eine strikte Kreislaufwirtschaft einzusteigen“, um recyclingfähige Produkte herzustellen, aus denen viel stärker als bisher Rezyklate gewonnen werden können. „Das einzige Problem, das damit eventuell gelöst wird, ist, der Europäischen Union eine weitere Einnahmemöglichkeit zu verschaffen, um das Haushaltsloch als Folge des Brexits zu verkleinern.“ Rehbock hielt diesen Vorschlag für einen „umwelt- und industriepolitischen Rohrkrepierer“.

Mittlerweile schlägt der Verband mildere Töne an. In vielen europäischen Ländern könnte die Abgabe dazu führen, dass weniger Kunststoffabfälle deponiert oder verbrannt werden. „Konkret werde dadurch für die Mitgliedstaaten ein Anreiz geschaffen, Verpackungsmüll zu reduzieren und die Umsetzung der europäischen Strategie für Kunststoffe voranzubringen.“ Auch begrüßt der bvse, dass die EU-Kommission nun darauf abstellt, dass nur „nicht-recycelbare Verpackungsabfälle aus Kunststoff“ besteuert werden sollen. Allerdings sei es wenig klug, Kunststoffverpackungen als einzelne Materialart mit einer Abgabe zu belasten: „Dies führt im Zweifel zu Ausweichbewegungen zu anderen Materialien, die im schlechtesten Fall sogar eine ungünstigere Ökobilanz aufweisen.“ Zudem könne die Regelung – speziell für Deutschland – Probleme mit dem neuen Verpackungsgesetz, insbesondere hinsichtlich Zentraler Stelle, den dualen Systemen und der Lizenzierung von Verpackungen mit sich bringen.

Bislang ist die mögliche Plastiksteuer nichts anderes als eine geplante Finanzspritze für Brüssel. Denn „obwohl sie also erwartet, dass die Recyclingquote in den nächsten Jahren steigt, rechnet die Kommission bis 2027 mit gleichbleibend hohen Einnahmen aus der neuen Steuer. Das liegt daran, dass sie auch von einem Anstieg der Abfallmenge ausgeht“, meldet das Wiener EU-Umweltbüro.

Bis Redaktionsschluss für diese Ausgabe stand nicht fest, ob die EU-Kommission – nach eingehender Prüfung – offiziell eine Plastiksteuer vorschlägt. Über die Entwicklung informiert unser tagesaktueller Nachrichtendienst www.recyclingportal.eu im Internet.

Foto: pixabay

(EU-Recycling 06/2018, Seite 6)

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