Schrottmarktbericht: Krieg verursacht steilen Preisanstieg
Im Berichtsmonat haben die Stahlwerke alle vom Handel angebotenen Mengen abgenommen. Je nach Werk, Bedarf, Sorte und Ausgangspreisniveau im Vormonat erhöhten sie ihre Einkaufspreise letztendlich um €60 bis €130 pro Tonne. Der geringe Spänebedarf drückte sich in der Preisanhebung am unteren Rand der Spanne aus, während dreistellige Preiserhöhungen für Scherenschrott die rege Nachfrage widerspiegeln. Die Preisanpassungen für Neuschrotte fielen geringer aus als für Altschrotte. Der Krieg in der Ukraine hat die Lieferketten sowohl für die Stahlrohstoffe als auch für Halbzeuge und Fertigprodukte unterbrochen. Massive Preisanstiege waren und sind die Folge, die nicht vorherzusehen waren.
Angebot und Nachfrage
Am Ende des Vormonats hoben die Verbraucher an Ruhr, die immer am Ende des laufenden Berichtsmonats für den kommenden Monat kaufen, die Preise um bis zu €15 pro Tonne an. Sie konnten sich so mit den gewünschten Mengen eindecken, da zum Kaufzeitpunkt der Preis als marktgerecht eingeschätzt wurde. Für die Verkäufer entwickelten sich diese Abschlüsse aber schnell zur Last, da die türkischen Schrottimportpreise Anfang März innerhalb weniger Tage um US-$110 pro Tonne nach oben schossen und die türkische Seite reges Kaufinteresse im europäischen Markt zeigte. Die am Monatsanfang von einigen Abnehmern angebotenen Preiserhöhungen von €30 bis €40 pro Tonne waren schnell Makulatur. Die die inländischen Verbraucher agierten sehr verhalten, da sie nicht abschätzen konnten, in welchem Umfang steigende Preise von ihren Abnehmer akzeptiert werden würden. Im Osten Deutschlands erhöhten die Verbraucher je nach Werk und Sorte ihre Einkaufspreise um €60 bis €120 pro Tonne, im Norden und Nordwesten um €60 bis €110 pro Tonne, an der Saar und im Südwesten um bis zu €100 pro Tonne und im Süden bei verhaltener Nachfrage um bis zu €90 pro Tonne. Die Verhandlungen zogen sich bemerkenswert lange hin und je später der Abschluss erfolgte, desto höher war der zu erzielende Preis. Der Bedarf der Elektrostahlwerke könnte geringer als im Vormonat gewesen sein, da einige je nach Kostenbelastung tageweise nicht produzierten oder Schichten einsparten. Erhöhten Gesprächsbedarf wird es im kommenden Monat sicherlich zwischen den Verbrauchern und Lieferanten geben, bei denen die Abschlüsse zu nicht marktgerechten Preisen erfolgten.
Mangelnde Lagerbestände
Wie schon in den Vormonaten verfügt der Handel über keine nennenswerten Lagerbestände. Die hohen Preise und die gute Nachfrage im vergangenen und laufenden Jahr haben dazu geführt, dass wenig Schrottüberhänge mit ins neue Jahr genommen wurden und neue Bestände aus Nachfrage- und Kostengründen nicht aufgebaut werden konnten. Die Hoffnung, dass spätestens im März die Altschrottmengen wegen der im Frühling üblicherweise ansteigenden Sammelmengen größere Mengen auf die Läger bringen würden, hat sich bisher nicht im gewünschten Umfang erfüllt. Auf der Neuschrottseite führen die Lieferkettenunterbrechungen bei der Industrie zu einem unregelmäßigen und verminderten Entfall. Der Ausfall der Kabelbaumlieferungen aus der Ukraine lässt nicht nur die Bänder bei den betroffenen Automobilherstellern stillstehen auch deren Zulieferer müssen die Produktion drosseln mit negativen Folgen für den Schrottentfall. Der Krieg und die Sanktionen führen mittlerweile zu Auftragsstornierungen im Maschinenbau und angesichts der massiven Kostensteigerungen werden Bauprojekte jedweder Art verschoben oder zurückgezogen. Der Schrottentfall hat sich in dem Bereich nach Schätzung des Handels um 30 Prozent reduziert. Die dagegen ansteigenden Abbruchtätigkeiten können das rückläufige Aufkommen aus den anderen Bereichen nicht kompensieren.
Steigende Kosten
In der Presse nimmt die Berichterstattung über die extrem angestiegenen Energiekosten und deren Folgen breiten Raum ein. Die laut klagende Stahlindustrie erhält durch die ein oder andere Schlagzeile über Produktionsstopps viel Öffentlichkeit. Unter der Kostenexplosion leiden allerdings alle Wirtschaftsbeteiligten und alle müssen sich mit der Situation arrangieren. Belastend ist im Moment der extreme Anstieg bei den COVID-Erkrankungen, verbunden mit einem hohen Personalausfall. Das stellt in einigen Regionen auch für die Recyclingwirtschaft einen kaum zu bewältigender Engpass für die Aufrechterhaltung der Geschäftsabläufe dar. Der sowieso schon vorhandene Fahrermangel hat sich nochmals durch den Ausfall vieler ukrainischer Fahrer, die ihr Heimatland verteidigen, verschärft. Das Niedrigwasser im Rhein und seinen Zuflüssen verursacht doppelte Frachtraten, weil nur die halbe Menge befördert werden kann. Die Bremsspuren, die Krieg in der Ukraine in der westlichen Welt hinterlässt, sind abgesehen von den menschlichen Schicksalen, immer deutlicher in unserer Wirtschaft spürbar.
Nachbarländer
Die Stahlwerke in Italien machten im März ihre Regierung durch komplette oder vorübergehende Produktionsstillstände auf ihre den extrem hohen Energiekosten geschuldete prekäre Lage aufmerksam. Sie hatten daher nur einen sehr geringen Zukaufbedarf in den Nachbarländern mit Preisvorstellungen, die deutlich unter denen der deutschen Abnehmer lagen. Nur eines der Werke hatte einen normalen Bedarf. Die Preise für die in den meisten Fällen abgeschlossenen Kontaktmengen steigerten sich im Verlauf des Monats von €30 bis €90 pro Tonne. Die Verbraucher in der Schweiz haben Schrott gesucht. Für Altschrotte zahlten sie rund €100 pro Tonne mehr und für Neuschrotte €80 pro Tonne. Recht zeitig waren die österreichischen Verbraucher mit hohen Bedarfsmengen im Markt. Sie passten die Preise je nach Sorte um €80 bis €85 pro Tonne an. Die Preiserhöhungen der polnischen Stahlwerke, die je nach Verbraucher und Sorte bei €90 bis 130 pro Tonne lagen, führte zu einem geringeren Exportinteresse, während in Tschechien bei geringem Bedarf die Preise um rund €100 pro Tonne stiegen und die Exporte in die Nachbarländer eine größere Rolle spielten. Von französischen und belgischen Werken wurden ebenfalls Preisanpassungen von €80 bis €100 pro Tonne gemeldet. Ein reges Kaufinteresse hatte das Werk in Luxemburg. Die benötigten unterschiedlichen Sorten wurden je nach Lieferant und Zeitpunkt des Abschlusses zu Preisen von €50 bis rund €100 pro Tonne gekauft.
Gießereien
Gießereien, die an keinen Preisindex gebunden sind, zahlten im März bei zum Teil reger Nachfrage je nach Sorte €60 bis €150 pro Tonne mehr als im Februar. Die Preise für Importroheisen haben durch den Ausfall der ukrainischen und russischen Lieferanten und dem damit verbundenen Run der weltweiten Verbraucher auf alternative Anbieter mit bis zu US-$400 pro Tonne deutlich stärker zugelegt als die Schrottpreise. Dies erhöhte zum Beispiel die Nachfrage nach manganarmen Stanzabfällen. Nicht alle Kunden konnten mit den gewünschten Mengen und Qualitäten beliefert werden. Zu Produktionsunterbrechungen kam es vor allem bei den Gießereien, die Auftragnehmer der Automobilindustrie sind. Durch die gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten ist die finanzielle Lage bei einigen Produzenten trotz guter Auftragslage sehr angespannt.
Tiefseemarkt
Die türkische Stahlkonjunktur läuft seit dem vergangenen Jahr trotz politischer Unwägbarkeiten rund und der Schrottimportbedarf hat bisher aus Sicht des Schrotthandels nichts zu wünschen übrig gelassen. Einerseits profitieren die türkischen Hersteller vom Russland-Ukraine Konflikt, weil einige ausländische GUS-Kunden bei den türkischen Herstellern eine Beschaffungsalternative erkennen, aber andererseits hat die Türkei große Mengen Halbzeuge und Stahlrohstoffe aus den GUS-Ländern bezogen, die sie aktuell anderweitig besorgen muss. Das noch fehlende Roheisen ersetzen die Hersteller zum Teil durch Schrott. Dafür müssen sie genau wie die amerikanischen Hersteller auf höherwertige Schrotte zurückgreifen. Mittlerweile liegt die traditionelle Differenz zwischen der Standardsorte HMS 1/2 (80:20) und den Bonusqualitäten bei US-$25 bis US-$35 pro Tonne und die Schere könnte weiter auseinandergehen. Zur Bedarfsdeckung steigerten die türkischen Verbraucher in der Zeit zwischen dem 25.02. und dem 18.03. ihren Einkaufspreis für europäischen Schrott der Standardsorte HMS 1/2 (80:20) um fast US-$140 pro Tonne. Laut Berichten aus der Fachpresse soll der Schrottbedarf für die Monate März und April sehr hoch gewesen sein. Es deutet sich an, dass der Bedarf mindestens auch für Mai hoch und die die Preise fest bleiben werden.
Schlussbemerkungen
Die seit vier Wochen anhaltenden Kämpfe in der Ukraine beeinflussen die Rohstoffpreise mit ungewissem Ausgang. Daher sind Einschätzungen über die weitere Marktentwicklung lediglich Momentaufnahmen von wahrscheinlich geringer Aussagekraft. Viele Marktteilnehmer können sich für April nochmals steigende Preise vorstellen. Die Nachfrage könnte sich wegen des fehlenden Handelsroheisens aus den GUS-Ländern erhöhen, während das Angebot begrenzt, bleiben wird. Preisrücknahmen gelten als unwahrscheinlich angesichts der immer noch respektablen Konjunktur in Europa und des zu erwartenden Bedarfs der türkischen Verbraucher. Der steigende Schrottbedarf ist das eine, die Beschaffung, die Kostensteigerungen in allen Bereichen, der mit den hohen Preisen einhergehende Finanzbedarf und die enorme Kapitalbindung das andere. Sie alle stellen gerade den Mittelstand vor große Probleme. Die Kreditlinien sind bei den aktuellen Preisen schnell erschöpft, zumal die Preise tatsächlich ein historisches Niveau erreicht haben. Im bisherigen Spitzenpreisjahr 2008 lag der Jahresdurchschnittspreis der Sorte 8 laut der damals noch existierenden Liste der WV-Stahl bei €322 pro Tonne frei Werk und er erreichte mit rund €472 pro Tonne frei Werk im Juni seinen bis dahin höchsten Monatswert. Im März 2022 waren €60 bis €80 mehr erzielbar. Zum Vergleich lag der Durchschnittspreis für die Sorte 8 im vergangenen Jahr laut Euwid bei etwa €411 pro Tonne frei Werk und damit nach Berechnungen des bvse um 81 Prozent über dem Durchschnittspreis des Jahres 2020. In den ersten 3 Monaten dieses Jahres hat er nochmals rund 35 Prozent zugelegt.
Redaktionsschluss 22.03.2022, BG-J/bvse (Foto: O. Kürth)