Wettbewerb: Bundeskartellamt leitet weitere Sektoruntersuchung im Entsorgungsbereich ein

Gegenstand ist die Prüfung, ob die Rethmann-Gruppe verpflichtet werden kann, künftig auch Übernahmen kleiner Unternehmen der Behörde zur Prüfung vorlegen zu müssen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „In einzelnen Branchen kaufen große Unternehmen in großer Zahl kleine Unternehmen auf, ohne dass das Bundeskartellamt dies prüfen kann. Dies führt zu einem fortschreitenden Konzentrationsprozess, der der Kontrolle des Bundeskartellamtes entzogen ist. Wir fürchten, dass dies bei den zahlreichen Aufkäufen durch Rethmann/Remondis in der Entsorgungsbranche der Fall ist. Der Gesetzgeber hat uns genau für diesen Fall die Möglichkeit gegeben, auch kleine Übernahmen zu überprüfen. Voraussetzung hierfür ist eine spezielle Sektoruntersuchung, die wir jetzt mit Blick auf die Entsorgungswirtschaft und die spezifische Marktposition der Rethmann-Gruppe einleiten.“
Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung begrüßt im Interesse der mittelständischen Recycling- und Entsorgungsbranche ausdrücklich, dass das Bundeskartellamt die Voraussetzungen dafür prüfen will, künftige Übernahmen der Rethmann-Gruppe/Remondis genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wann greift die Fusionskontrolle?
Grundsätzlich greift die Fusionskon­trolle erst, wenn die beteiligten Unternehmen bestimmte Mindestumsätze erzielen, also eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung gegeben ist. Die neue Vorschrift des § 39a GWB, die mit Inkrafttreten der 10. GWB-Novelle seit Anfang 2021 gilt, erlaubt es dem Bundeskartellamt, Unternehmen dazu zu verpflichten, auch Übernahmen von kleineren Unternehmen – das heißt unterhalb der normal geltenden Umsatzschwellen – in bestimmten Wirtschaftszweigen anzumelden.Voraussetzung für die Anwendung der neuen Vorschrift ist, dass der Erwerber einen bundesweiten Anteil von mehr als 15 Prozent der Umsätze in den betroffenen Wirtschaftszweigen erreicht, das Zielunternehmen im letzten Geschäftsjahr Umsatzerlöse von mindestens zwei Millionen Euro und mindestens zwei Drittel der Gesamtumsätze in Deutschland erzielt hat sowie objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch künftige Zusammenschlüsse der wirksame Wettbewerb im Inland erheblich behindert werden könnte. Eine derartige Verpflichtung, die zunächst für drei Jahre gilt, setzt außerdem voraus, dass das Bundeskartellamt auf einem der betroffenen Wirtschaftszweige zuvor eine aktuelle Sektoruntersuchung durchgeführt hat. Eine solche hat das Bundeskartellamt nun im Bereich Haushaltsabfälle eingeleitet.

Die jetzige Untersuchung soll die bereits vorliegenden Erkenntnisse des Amtes aus der am 21. Dezember 2021 veröffentlichten Sektoruntersuchung Haushaltsabfälle sowie Ermittlungen aus verschiedenen Zusammenschlussvorhaben der letzten Jahre in Teilen aktualisieren und bezüglich der Voraussetzungen des § 39a GWB konkretisieren.

Anzahl der Wettbewerber kontinuierlich abgenommen
„Wir bewerten die Wettbewerbssituation äußerst kritisch. Das neue Jahr hat schon wieder mit der Bekanntgabe neuer Aufkäufe durch Remondis begonnen“, verweist Rehbock auf die bisherigen Erkenntnisse, die zeigten, dass vor allem bei der Erfassung verschiedener Sorten von Haushaltsabfällen sowie der Aufbereitung von haushaltsnahen Verpackungen aus Glas die Rethmann-Gruppe bundesweit mit weitem Abstand vor ihren jeweiligen Wettbewerbern zu den marktführenden Anbietern gehörten. Insbesondere bei der Erfassung von Haushaltsabfällen habe die Anzahl der Wettbewerber in den Jahren 2014 bis 2018 kontinuierlich abgenommen. In diesem Zeitraum sei es keinem Wettbewerber gelungen, den Abstand zum Marktführer in nennenswertem Umfang aufzuholen.

Andreas Mundt: „Gerade der Entsorgungsbereich ist geprägt von regionalen Märkten, auf denen die Kommunen als Marktgegenseite oft wenig Auswahl haben. Wenn Stück für Stück kleinere Wettbewerber – zumeist sind es mittelständische Unternehmen – kontrollfrei aufgekauft werden, kann das in der Gesamtheit ein strukturelles Wettbewerbsproblem sein. Wenn sich ein Unternehmen eine Vormachtstellung erkaufen kann, wird Marktmacht zementiert. Dem müssen wir mit konsequenter Fusionskontrolle entgegentreten.“

Das Bundeskartellamt werde nun zunächst die 15 wichtigsten Wettbewerber in den Bereichen Haushaltsmüll, Restmüll, Biomüll und PPK (Papier, Pappe, Karton) befragen und außerdem die Bereiche Verpackung und Glasaufbereitung in den Blick nehmen. Nach Auffassung des bvse ist die neue Sektoruntersuchung ein richtiger Schritt. „Das Bundeskartellamt ist gut beraten, sich rechtzeitig zu wappnen, damit nicht auch noch der Rest an Wettbewerb verloren geht und abgelöst wird von Monopol- und Oligopolstrukturen, die nicht nur den kleinen und mittelständischen Unternehmen schaden, sondern auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland“, erklärt Eric Rehbock.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2022, Seite 4, Foto: Reinhard Weikert / abfallbild.de)