Schrottmarktbericht: Fe-Schrottpreise auf dem Rückzug

Deutliche Preissenkungen für alle Schrottsorten prägten den Schrottmarkt im Berichtsmonat Mai. Im Durchschnitt reduzierten die deutschen Verbraucher im Mai ihre Einkaufspreise für Neuschrotte um €30 bis €50 pro Tonne und für Altschrotte um €60 bis €80 pro Tonne. Da insbesondere die türkischen Verbraucher entgegen den Erwartungen von April bis zum Redaktionsschluss für eine ungewöhnlich lange Zeit keinen Bedarf hatten, stieg der Druck auf die Exportpreise stetig an und sie sanken daher im vorgenannten Zeitraum um rund US-$200 pro Tonne.

Von der türkischen Taktik profitierten einige inländische Verbraucher bei Abschlüssen, die sie im zweiten Drittel des Monats Mai oder für zusätzlich angebotene Mengen mit dreistelligen Abschlägen einkaufen konnten. Der Handel beschrieb die Nachfrage der Werke als verhalten gut. Die Schrottverfügbarkeit war angesichts der ausgebliebenen Exportmöglichkeiten vorübergehend hoch. Dies lag vor allem an dem Mangel an Exportmöglichkeiten bei gleichzeitig deutlich fallenden Preisen, die beim Schrotthandel eine gewisse Panik hervorrief und die Schrottanbieter vorsichtshalber mehr als die sonst üblichen Mengen anboten. In der Realität ist das Neuschrottaufkommen entsprechend der lahmenden Industrieproduktion immer noch schwach und der Altschrottzulauf zu den Lägern ist trotz des sehr hohen Preisniveaus noch lange nicht zufriedenstellend. Die Läger des Handels sind daher weitgehend geräumt und was reinkommt wird aufbereitet wieder verkauft.

Entwicklung in den Regionen
Den deutlichsten Preisrückgang mussten die norddeutschen Händler hinnehmen. Sowohl die Verbraucher im Norden als auch im Nordwesten konnten von den gefüllten Lägern der Exporteure profitieren, weil diese ebenfalls Mengen im Inland anboten, bzw. die Annahme weiterer Mengen stark reduzierten. Die Nachfrage war je nach Werk ordentlich oder wegen technischer/logistischer Probleme geringer. Die Neuschrottpreise sanken um €50 pro Tonne und die Altschrottpreise von €75 bis €110 pro Tonne frei Werk. Im Osten wird einer der Verbraucher erst nach Beendigung seiner Modernisierungsarbeiten im kommenden Monat einen normalen Zukaufbedarf haben. Die anderen beiden Werke agierten bei den Einkaufspreisen unterschiedlich. Für Neuschrotte gab es Abschläge von €60 pro Tonne, während sie bei den Altschrotten je nach Sorte und Zeitpunkt des Abschlusses bei €70 – 120 pro Tonne lagen. Die Ruhrwerke gingen vor Monatsbeginn bei einem verminderten Bedarf mit Preisabschlägen von €30 bis €40 pro Tonne in den Markt, während andere Verbraucher im Westen einen erfreulich hohen Schrottbedarf hatten. Im Südwesten waren die Preisabschläge bei einem hohen Bedarf moderat. Die Neuschrottpreise fielen je nach Lieferanten und Zeitpunkt des Verkaufs um €50 bis €65 und die Altschrottpreise sanken um bis zu €85 pro Tonne gegenüber dem Vormonat. Die angebotenen Abwehrpeise der italienischen Verbraucher und die Abschläge von €40 für Neuschrotte und €65 für Altschrotte lösten im Süden mangels alternativer Absatzmöglichkeiten eine starke Lieferbereitschaft des Handels aus und führte letztendlich zu logistischen Engpässen sowohl im Bahn- als auch im Straßenverkehr.

Nachbarländer
Den Preisvorstellungen italienischer Verbraucher mit Preisreduzierungen von €85 bis €130 pro Tonne konnten die Anbieter aus Deutschland nur wenig abgewinnen. Sie verkauften, wenn überhaupt, lediglich Kontaktmengen. Dem ein oder anderen Schrottanbieter gelang es im Verlauf des Monats Schrott am unteren Ende der vorgenannten Bandbreite zu verkaufen. Nur wenige Werke zeigten Kaufinteresse und die Differenz der italienischen Preise zu den Preisen in Deutschland kletterte auf €30 bis €60 pro Tonne. Wie schon in den Vormonaten verwiesen die Werke auf ein ausreichend hohes Inlandsschrottaufkommen. Es gibt erste Anzeichen, dass sich dies im nächsten Monat ändern könnte. Einen höheren Bedarf als im Vormonat hatte der Verbraucher in Luxemburg und er reduzierte die Schrottpreise je nach Sorte um €60 bis €65 pro Tonne. Bei guter Nachfrage senkten die französischen Werke ihre Einkaufspreise je nach Sorte um €60 bis €90 pro Tonne. In den Niederlanden war das Marktgeschehen von dem Mangel an Exporten in Drittländer geprägt und die sich füllenden ARAG-Exportläger reagierten mit Abwehrpreisen. Sie boten je nach Exporteur und Sorte nur noch €320 bis €360 pro Tonne frei Tiefseelager an. Damit senkten sie ihre Einkaufspreise im Laufe des Monats um rund €125 pro Tonne. In Polen ist der Preis für Neuschrotte um über €100 pro Tonne gesunken und für Altschrotte bewegten sich die Reduzierungen bei €80 bis €85 pro Tonne. Die Preisentwicklung in Tschechien war entsprechend. In Österreich sanken die Neuschrottpreise um €80 pro Tonne und die Altschrottpreise um €70 pro Tonne. Die Verbraucher in der Schweiz brauchten unterschiedlich viel Schrott und hatten unterschiedliche Preisvorstellungen. Bei hohem Bedarf reduzierte einer der Verbraucher seine Einkaufspreise um €65 für Neuschrotte und €75 für Altschrotte, während der andere Verbraucher lediglich Mengen kaufte, bei denen die Lieferanten den Abschlag von €100 bis €120 pro Tonne akzeptierten.

Gießereien
In Marktkreisen wurde die Nachfrage der Gießereien im Großen und Ganzen als noch relativ robust beschrieben, obwohl die Abrufe bspw. der Automobilindustrie von gut und regelmäßig weit entfernt sind. Zudem belastet das wegfallende Osteuropageschäft wegen verschobener oder stornierter Aufträge die Auslastung im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Landwirtschafts- und Agrartechnik immer stärker. Während die Schrottversorgung der Gießereien mit Neuschrotten zum Teil nicht in ausreichender Menge gewährleistet werden konnte, war das Altschrottangebot nach Angaben des Handels ausreichend. Je nach Verbraucher und Sorte lagen die Preisreduzierungen für an keinen Index gebundene Kontrakte im Mai bei €30 bis €60 pro Tonne. Die Situation auf der Roheisenseite ist schwierig und der Lieferausfall des Roheisens aus den GUS-Ländern hat die Preise für alternative Mengen deutlich erhöht. Von Entspannung kann hier noch keine Rede sein.

Tiefseemarkt: Unsanft aufgeschlagen
Von April bis zum Redaktionsschluss, d.h. seit über sechs Wochen, haben die türkischen Verbraucher keine nennenswerten Mengen im Tiefseemarkt nachgefragt. Sie haben ihre Relevanz für den internationalen Schrottmarkt geschickt genutzt und mit ihrer Kaufzurückhaltung die Schrottverkaufspreise immer stärker unter Druck gesetzt. Eigentlich hatten alle Marktteilnehmer mit einer Rückkehr der türkischen Nachfrager nach dem Ende des Ramadan Anfang Mai gerechnet, was sich mittlerweile als Trugschluss erwiesen hat. Die fünf seit dem 12.05.2022 in der internationalen Fachpresse gemeldeten Verkäufe sind wahrscheinlich nur von einem Abnehmer getätigt worden, alle anderen verzichten weiterhin auf Zukäufe. Dadurch haben sich die Exportläger in Europa mehr als gut gefüllt, denn die Exporteure senkten deutlich langsamer ihre Einkaufspreise als dies im Nachhinein betrachtet vielleicht sinnvoll gewesen wäre. Die türkischen Werke begründen ihre Abwesenheit mit der schwierigen Absatzsituation bei den Neustählen und der Möglichkeit auf günstige russische Knüppel zurückgreifen zu können. Es ist zu bezweifeln, ob diese Knüppeleinfuhren tatsächlich als Ersatz für die Schrottlieferungen fungieren können oder eher ein als ein Druckmittel für die Schrottpreise. Wahrscheinlicher ist, dass die Schrottläger der türkischen Werke mittlerweile leer sind.

Schlussbemerkungen
Der Wandel vom Verkäufer zum Käufermarkt hat dazu geführt, dass die internationalen Schrottpreise genau wie die Stahlpreise rückläufig sind. Die NE-Metallpreise haben sich lange Zeit eher unbeeindruckt von jeglichen Krisen auf hohem Niveau gezeigt. In der Schrottwirtschaft ist jedoch die euphorische Stimmung vom Jahresanfang komplett verschwunden. Welche Richtung die Preise im kommenden Monat nehmen werden, hängt ganz davon ab, wie sich die türkischen Stahlwerke verhalten bzw. welche Stahlabsatzmöglichkeiten sich ihnen zu welchen Preisen eröffnen. Sollten sich die Schrottexportpreise auf dem aktuellen Niveau stabilisieren, bleibt immer noch ein deutlicher Abstand zum innereuropäischen Preisniveau. Diese Lücke wird dann sicherlich geschlossen werden. Die widrigen externen Markteinflüsse, wie Krieg in der Ukraine, Lockdowns in China oder die anhaltenden Nachwirkungen der unterbrochenen Lieferketten durch die Pandemie machen Markteinschätzungen nahezu unmöglich.

Redaktionsschluss 20.05.2022, BG-J/bvse, Foto: O. Kürth