Schrottmarktbericht: Krieg und Pandemie verunsichern die Marktteilnehmer

Zu Beginn des Monats April boten die Werke je nach Zeitpunkt des Abschlusses und je nach Sorte im Durchschnitt pro Tonne €10 bis €35 höhere Preise als im Vormonat an. Die Nachfrage war regional sehr unterschiedlich und während der Verhandlungsphase sorgte die über 14 Tage andauernde Abwesenheit der türkischen Importeure für zunehmende Unsicherheit im heimischen Markt. Die meisten Verbraucher hatten ihre Bestellbücher zügig geschlossen, nachdem der Schrotthandel hohe Mengen angeboten hatte.

Laut Aussage des Handels konnte der Neuschrottbedarf kaum gedeckt werden, denn nach wie vor produziert die Automobilindustrie wegen mangelnder Chips und Kabelbäumen nur eingeschränkt. Der Maschinenbau leidet unter dem Ausfall des GUS-Absatzmarktes und die Auswirkungen auf die entsprechenden Zulieferanten spiegeln sich in einem geringeren Schrottentfall wider. Dieser lag nach Einschätzung des Handels um rund 10 bis 30 Prozent unter dem entsprechenden Vorjahreswert. Der Altschrottzulauf hat sich regional zufriedenstellend entwickelt, auch wenn er in manchen Regionen immer noch für die Jahreszeit unterdurchschnittlich stark ist und das Vormaterial dort knapp ist. Gesucht waren nach wie vor die Sorten E3 und E8.

Bedarf und Angebot
Der Bedarf der ostdeutschen Werke war durch einen rund sechs Wochen bis Mai dauernden Stillstand eines der Werke wegen Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten sowie einem einwöchigen Stillstand eines anderen wegen Instandhaltungsarbeiten geringer als im Vormonat. Je nach Abnehmer waren die Verhandlungen sehr schwierig. Die Preise stiegen je nach Werk, Bedarf und Sorte um €0 bis €20 pro Tonne. Im Norden war die Nachfrage eher verhalten und aus Marktkreisen wurde gemutmaßt, dass Importschrotte favorisiert worden seien. Die Auftragslage der Werke im Nordwesten ist gut und die Schrottnachfrage ebenfalls. Sie erhöhten die Einkaufspreise je nach Sorte und Werk um €20 bis €30 pro Tonne. Die Elektrostahlwerke im Westen waren unterschiedlich stark ausgelastet, die Nachfrage war jedoch erfreulich hoch, der Bedarf der integrierten Werke war hingegen übersichtlich. Durch die vorgenommenen Preisanpassungen konnten einige Verbraucher die Verluste des vergangenen Monats ausgleichen. An der Saar zahlten die Verbraucher bis zu €35 pro Tonne mehr. Im Südwesten war der Bedarf geringer als erwartet, weil die Produktion strom- und energiekostenorientiert erfolgte. Je nach Sorte und Zeitpunkt des Abschlusses sowie des erzielten Vormonatspreises waren €20 bis €45 pro Tonne mehr zu erzielen. In der ersten Aprilhälfte war das Nachfrageverhalten des Verbrauchers im Süden Deutschlands ausgesprochen verhalten. Das änderte sich im Monatsverlauf, und die angebotenen Preiserhöhungen lagen je nach Sorte bei €25 bis €30 pro Tonne.

Die Preissteigerungen für Neuschrotte lagen im Durchschnitt bei €20 bis 45 und für Altschrotte bei €20 bis €30 pro Tonne. Schrott ist nach wie vor gesucht, denn die meisten Werke verfügen über ein gutes Auftragsvolumen. Insbesondere die Langstahlhersteller gelten als gut beschäftigt, zumal die Importquoten Schutz vor unkontrollierten Lieferungen zu günstigen Preisen bieten. Des einen Freud ist hier des anderen Leid. Einige Stahlverbraucher, die bisher ihre Mengen aus den GUS-Ländern bezogen haben, versuchen nun auf den heimischen Markt auszuweichen und sorgen so für eine höhere Nachfrage nach heimischem Stahl. Viele Verarbeiter suchen dennoch händeringend Stahl und müssen sehr lange Lieferzeiten in Kauf nehmen. Im kommenden Monat wird mit einer steigenden Stahlproduktion und damit einem erhöhten Schrottverbrauch gerechnet. Der Druck auf die Stahlindustrie CO2 einzusparen, wird außerdem bleiben und womit, wenn nicht mit einem erhöhten Schrotteinsatz, kann schnell und nachhaltig die CO2-Bilanz verbessert werden.

Nachbarländer
Die italienischen Stahlwerke haben ihren Bedarf vor allem bei inländischen Lieferanten gedeckt. Einige Verbraucher haben mit kräftigen Preiserhöhungen von bis zu €70 pro Tonne versucht Anschluss an das europäische Niveau zu halten, was ihnen in der Regel jedoch nicht gelungen ist. Die Lieferbereitschaft aus Deutschland war daher wie schon im Vormonat verhalten und Bedarf signalisierten einige italienische Verbraucher erst in der zweiten Monatshälfte. Die Werke scheinen es angesichts der hohen Rohstoff- und Energiekosten vorzuziehen, ihre Kapazitätsauslastung zu optimieren und stattdessen die Gewinnspannen zu stabilisieren. Die Stahlproduzenten in der Schweiz scheinen sich aus hohen Lagerbeständen und dem Aufkommen aus dem Inland bedient zu haben, wodurch der Zukaufbedarf aus den Nachbarländern gering war. Die Werke erhöhten die Preise um CHF10 bis CHF25 pro Tonne. In Österreich boten die Verbraucher gleich am Monatsanfang für Neuschrotte €55 pro Tonne und für Altschrotte €60 bis €70 pro Tonne mehr an. Die letztendlich auf diesem Niveau abgeschlossenen Verträge waren vor allem bei einem Verbraucher mehr als überschaubar. Die polnischen Werke konnten ihren Schrottbedarf Anfang April zu unveränderten Preisen eindecken. Von dieser Preispolitik profitierten die ostdeutschen Verbraucher. Das Schrottangebot war dennoch ausreichend groß und die Verbraucher reduzierten bereits zur Monatsmitte die Preise um Zloty 200 pro Tonne. In Tschechien konnte der Verbraucher mit normalem Bedarf seine Mengen mit einem Aufpreis gegenüber dem Vormonat von €7 pro Tonne eindecken. Der andere Verbraucher hat Probleme bei der Erzbeschaffung und daher einen entsprechend reduzierten Schrottbedarf. Der Handel berichtete, dass die je nach Werk in Frankreich angebotenen Preissteigerungen bei guter Nachfrage höher waren als in Deutschland. Dieser Umstand zwang den Verbraucher in Luxemburg seine Preispolitik entsprechend anzupassen. Hier lagen die Erzielungspreise je nach Anbieter und Sorte um €15 bis €25 pro Tonne höher als im März. Es hieß zwar zwischendurch, der Bedarf sei im Laufe des Monats reduziert worden, Anfragen an Händler bis zum Redaktionsschluss lassen anderes vermuten. Nicht ganz so üppig fielen die Preiserhöhungen in Belgien aus.

Gießereien
Verbraucher, die an keinen Preisindex gebunden sind und einen hohen Bedarf hatten, zahlten im April €30 bis €35 pro Tonne mehr als im Vormonat. Die Beschäftigungslage der Gießereien ist nach wie vor sehr unterschiedlich. Gießereien, die zum Beispiel für die Windkraft- oder Pumpenindustrie produzieren, haben einen enorm hohen Schrottbedarf und die Versorgung mit manganarmen Schrottsorten war auf Grund der schwachen Automobilproduktion nicht immer erfolgreich. Einige Gießereien beginnen daher, den Schmelzprozess den veränderten Schrottversorgungsmöglichkeiten anzupassen. Keine Entspannung gab es auf der Roheisenseite. Noch sind die Preise durch die komplizierte Beschaffung hoch. Die traditionellen russischen Lieferanten müssen ersetzt werden. In Frage kommen Lieferanten aus Kanada und Brasilien. Diese Quellen zapfen selbstverständlich alle an, die von der Versorgung aus den GUS-Ländern abgeschnitten sind. In der Folge sind die Roheisenpreise nach oben geschossen, wovon der Schrottverbrauch profitiert.

Der Schrotthandel sorgt sich um die zum Teil schwierige Lage bei der Versicherbarkeit seiner Abnehmer. Nicht immer ist dieses Problem über Sondervereinbarungen aus der Welt zu schaffen.

Keine Impulse – aber einheitliches Vorgehen
Die türkische Zurückhaltungstaktik hat auch dieses Mal ihre Wirkung nicht verfehlt. Sobald sich der weltgrößte Schrottimporteur aus dem Tiefseegeschäft zurückzieht, fehlt die Orientierung, bei welchem Preis das Marktgleichgewicht erreicht ist. Im Berichtsmonat April ließen sich die türkischen Abnehmer sehr viel Zeit mit den an sich erwarteten Zukäufen zur Lieferung im Mai. Sie sind laut internationaler Fachpresse am 07.04.2022 bei einem Preis für die Sorte HMS 1/2 (80:20) aus Europa in Höhe von US-$645 pro Tonne aus den Verhandlungen ausgestiegen und haben sich am 22.04.2022 mit einem Kaufpreis von US-$576 pro Tonne jeweils CFR Türkei wieder zurückgemeldet. Im März hatten sie ihre Einkaufspreise um US-$140 pro Tonne erhöht und senkten sie bis zum Redaktionsschluss um US-$63 pro Tonne. Wie empfindlich die Marktteilnehmer auf Informationen reagieren, zeigen die in der Presse erwähnten Zukäufe russischer Knüppel durch türkische Stahlwerke. Einige Werke haben die Möglichkeit genutzt, diese Knüppel günstig einzukaufen und stattdessen auf die Schrottbeschaffung zu verzichten. Die türkischen Marktteilnehmer halten ihre Geschäfte mit russischen Partnern so weit wie möglich aufrecht und da sie die einzigen verbliebenen Abnehmer sind, war ihre Verhandlungsposition hervorragend und handelten Preise aus, die deutlich unter dem Weltmarktniveau lagen. Es ist unklar, in welchem Umfang diese Handelsgeschäfte stattgefunden haben, aber die Meldungen darüber haben ausgereicht, um den Schrottpreis unter Druck zu setzen. Der für den Ramadan übliche schwache Betonstahlabsatz im Inland und die aktuell schwächeren Exportmöglichkeiten, auf die die Hersteller vorsichtig mit Preisnachlässen reagieren, konnten sie ebenfalls für ihre Schrottpreispolitik nutzen.

Turbulente Zeiten
Der Krieg in der Ukraine ist bereits durch die Preissteigerungen für Strom und Energie für alle spürbar. Die Abkopplung der seit Jahren auf- und ausgebauten Verbindungen zu den GUS-Ländern ist in vollem Gange. Unterbrochene Lieferketten, die möglicherweise nicht mehr aufgebaut werden können, führen in Deutschland und Europa zu Produktionsengpässen. Rohstoffe müssen zügig anderweitig beschafft werden, Produktionsstandorte werden aufgegeben und Absatzgebiete fallen weg, was nicht ohne Folgen für die hiesige Wirtschaft bleibt. Im Inland scheint so zu sein, dass nur noch die Projekte öffentlicher Auftraggeber reibungslos weiterlaufen, während bei denen der Privatwirtschaft Stornierungen akzeptiert werden müssen. Das Ergebnis des sich jetzt vollziehenden Wandels ist nicht prognostizierbar.

Im laufenden Monat begann sich die Stimmung auf dem Schrottmarkt durch das türkische Verhalten zu drehen und es wird für Mai von vielen Marktteilnehmern mit einem Rückgang der Preise auf das Märzniveau gerechnet. Der Zenit der Preise, die ein nie gekanntes Niveau erreicht haben, scheint überschritten zu sein. Was das Schrottangebot betrifft, so belastet die Schwäche der Industrieproduktion und im gewerblichen Bereich den Neuschrottentfall. Bei den Altschrotten beginnt sich die Situation zu entspannen, obwohl das Aufkommen immer noch unter dem Niveau von vor der Pandemie liegt. Die Bereitschaft des Schrotthandels Bestände aufzubauen hat durch die seit langem anhaltende Hochpreisphase stark nachgelassen und er hat stattdessen den Lagerumschlag beschleunigt. Dieser Umstand könnte im kommenden Monat zu einer unterschiedlich starken Preisanpassung im Export- und Inlandsmarkt führen. Zu der unsicheren und zum Teil sehr undurchsichtigen Marktlage gesellte sich bei einigen Verbrauchern ein Engpass bei der Beschaffung von Schiffsraum. Bereitstehende Mengen konnten nicht ausgeliefert werden, weil der notwendige Schiffsraum nicht zu bekommen war. Die Kosten für den Transport per Lkw sind angesichts der hohen Sprit- und Dieselpreise, des Fahrermangels und einer schwierigen Ersatzteilbeschaffung ebenfalls angestiegen.

Redaktionsschluss 22.04.2022, BG-J/bvse (Foto: D. Betz)