Schrottmarktbericht: Angebotsdefizit bei Altschrotten

Im Berichtsmonat Oktober 2022 lagen die Schrottpreisveränderungen bei durchschnittlich ±€5 pro Tonne. Es gab jedoch je nach Bedarf eine starke Preisspreizung bei den einzelnen Sorten und den verschiedenen Werken, die sich letztendlich auf bis zu €30 je Tonne belief. Zudem verzerren Altverträge nach wie vor das Marktgefüge. Das Altschrottaufkommen reichte nicht überall aus, um die Nachfrage zu befriedigen, sodass betroffene Verbraucher zur Bedarfsdeckung die vorerwähnten Preisaufschläge gegenüber dem Vormonat aufgerufen haben. Das Neuschrottangebot war vor allem durch die ansteigende Automobilproduktion höher als die Nachfrage, wodurch die Verbraucher Preissenkungen von €5 bis €20 pro Tonne vornehmen konnten.

Aus den Regionen
Die Schrottnachfrage der Werke im Osten war gut. Altschrott war über den Redaktionsschluss hinaus noch gesucht. Die Verbraucher erhöhten die Preise für Altschrotte je nach Sorte und Bedarf von €8 bis €25 pro Tonne, korrigierten jedoch die Neuschrottpreise leicht um €5 pro Tonne nach unten. Die norddeutschen Werke signalisierten am Monatsanfang einen geringen Zukaufbedarf, was sich im Monatsverlauf änderte und entsprechend höhere Aufschläge zur Folge hatte. Im Nordwesten hatten Werke zum Teil einen normalen Bedarf, zum Teil war er jedoch reduziert. Für Altschrotte konnte der Handel Preise von unverändert bis zu €20 pro Tonne mehr als im Vormonat erzielen. Die Werke im Westen hatten wegen eingeschränkter Produktion oder anderer Vorgaben wieder einen begrenzten Bedarf. Je nach Werk und Sorte lagen die Einkaufspreise um €10 pro Tonne unter den Vormonatspreisen oder es waren leichte Preisverbesserungen zu erzielen. An der Saar wurde für Altschrott €10 pro Tonne mehr bezahlt, während beim Neuschrott wegen des hohen Angebots ein Abschlag von bis zu €20 pro Tonne vereinbart wurden. Marktteilnehmer bezeichneten dies jedoch als Preiskorrektur gegenüber dem Vormonat. Der Verbraucher im Südwesten baute bei einer erfreulich guten Nachfrage Preisspitzen ab und für die übrigen Mengen bot er je nach Sorte und Lieferant sowie Zeitpunkt des Kontrakts eine Preisspanne von einer Reduzierung €7 pro Tonne bis zu einem Aufpreis von €10 pro Tonne. Das Stahlwerk im Süden Deutschlands senkte bei einem geringen Bedarf und logistischen Problemen die Einkaufspreise um €5 pro Tonne.

Nachbarländer
Die italienische Regierung gewährte ihren Stahlwerken im Oktober, sofern sie produzierten, einen Steuernachlass. Woraufhin viele Werke die Produktion – wenn auch zum Teil mit reduzierter Auslastung –wieder aufgenommen haben und wieder Schrott in Deutschland bestellten. Deutsche Lieferanten konnten je nach Werk und Sorte €15 bis €25 pro Tonne mehr als bei vorherigen Verkäufen erzielen, wobei das Preisniveau bei einigen Sorten dem in Deutschland entsprach, bei den anderen lag es darunter. Positiv stimmte den Handel, dass es überhaupt wieder eine nennenswerte Nachfrage nach deutschem Schrott gab. Da die Steuererleichterungen zeitlich begrenzt sind, könnte die Produktion und damit auch der Schrottbedarf im kommenden Monat wieder geringer sein. Zwar hat sich die Energiepreissituation etwas entspannt, aber die Nachfrage nach Stahlprodukten leidet nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa unter der abwartenden Haltung der Verbraucher. Sie zögern die Zukäufe hinaus, da sie weiter sinkende Preise erwarten.

In der Schweiz fragte nur eines der Werke Schrott in Deutschland nach und bot dabei Preiserhöhungen je nach Sorte und Anbieter von €5 bis €10 pro Tonne für Altschrotte und bis zu €5 pro Tonne für Neuschrotte an. Bei schwacher Nachfrage senkten die Verbraucher in Österreich die Neuschrottpreise um €10 pro Tonne und erhöhten die Altschrottpreise um €10 pro Tonne. Unterschiedliche Informationen gab es aus dem polnischen Markt. Bei vermindertem Bedarf blieben die Preise für Altschrotte weitgehend unverändert, während die Preise für Neuschrotte von den Verbrauchern um bis zu €20 pro Tonne reduziert wurden. Je nach Werk sanken die Preise in Tschechien um €10 bis €18 pro Tonne. Der französische Markt war geprägt von einer reduzierten Produktion und den Streiks, die die Wirtschaft des Landes stark belasten. Hier blieben die Schrottpreise weitgehend unverändert. Der Verbraucher in Luxemburg hatte auch im Oktober einen verminderten Bedarf, während die Altschrottpreise nahezu unverändert blieben, fielen die Neuschrottpreise je Lieferant um €5 bis €20 pro Tonne. In den Niederlanden stieg der Preis bei einem normalen Bedarf dagegen um €5 bis €10 pro Tonne. Die von den ARAG Exporteuren angebotenen Preise frei Tiefseelager blieben im Oktober weitgehend unverändert. Erst zum Ende der 42. Kalenderwoche nahmen die Exporteure, die keine Schiffe mehr im Ausgang haben, ihre Einkaufspreise auf Grund des schwächeren Exportgeschäftes zurück.

Gießereien
Bei Gießereien, die an keinen Preisindex gebunden sind, konnte der Schrotthandel im Oktober zu unveränderten Preisen bzw. bei einigen Sorten auch mit leichten Preiserhöhungen eine immer noch hohe Nachfrage bedienen. Die Energiekrise lastet auf den Herstellern und obwohl die Auftragslage zumindest für das vierte Quartal und für das erste Quartal im neuen Jahr bei einigen Gießereien gut ist, wachsen die Sorgen um die Zukunft. Vermutlich wird ein großer Teil der Gießereien die Weihnachtsferien verlängern, um so Kosten zu sparen.

Tiefseemarkt
Wegen des schwachen Neustahlabsatzes türkischer Stahlwerke im heimischen Markt und auch im Exportmarkt haben die türkischen Werke versucht Druck auf die Schrottpreise auszuüben, um ihren Stahl günstiger anbieten zu können. Gleichzeitig wirkte die Schrottnachfrage der Schrottverbraucher vom indischen Subkontinent, die wegen günstiger Frachtraten vermehrt Bulkladungen zu wettbewerbsfähigen Preisen seit Sommer kaufen, preisstabilisierend. Von Juli bis September hatten die Vereinigten Arabischen Emirate ein Schrottausfuhrverbot zum Schutz der heimischen Stahlindustrie verhängt und dieses im Oktober bis März 2023 verlängert. Gerade indische Stahlwerke kaufen dort größere Mengen Schrott und mussten ihre daher ihre Nachfrage verlagern, wovon die europäischen und amerikanischen Schrottanbieter profitieren konnten. Es gab neben einigen Verkäufen von Bulkladungen eine verstärkte Nachfrage aus Indien nach Schrott in Containern, wodurch große Mengen Europa zu attraktiven Preisen Richtung Südasien verlassen haben und noch verlassen werden.

Die kontinentaleuropäischen Exporteure waren daher trotz des schwachen Euros gegenüber den türkischen Kunden nicht zu Zugeständnissen bereit, denn der schleppende Zulauf zu den Tiefseelägern und die anhaltenden logistischen Probleme, ließen keine Preissenkungen zu. Die türkischen Werke sahen sich wegen der neuen Konkurrenz gezwungen, ihre Einkaufspreise seit Ende September bis zum Redaktionsschluss um rund US-$20 pro Tonne für Schrott der Sorte HMS 1/2 (80:20) aus Europa anzuheben. Seit dem Ende der 42. Kalenderwoche schwächt sich der Tiefseemarkt ab, weil der Druck der Stahlverbraucher die Stahlverkaufspreise zu senken immer stärker wird.

Schlussbemerkungen
Für den kommenden Monat rechnet der Handel auf Grund der aktuellen Situation eher mit einer Seitwärtsbewegung der Preise als mit größeren Ausschlägen nach oben oder unten. Laut der Wirtschaftsvereinigung Stahl erzeugten die deutschen Stahlwerke im September mit 2,842 Mio. Tonnen Rohstahl nochmals ein Prozent weniger als im schon schwachen Ferienmonat August, als sie 2,873 Mio. Tonnen produzierten. Die Elektrostahlwerke erhöhten zwar den Ausstoß um 151.000 Tonnen, aber gegenüber September 2021 sank ihre Produktion um 23,8 Prozent. Im Oktober war die Elektrostahlproduktion wegen zahlreicher Produktionsdrosselungen wahrscheinlich kaum höher als im Vormonat und im November dürfte sich die Lage kaum ändern. Einigen europäischen Herstellern mangelt es an Folgeaufträgen und der Jahreswechsel könnte für verlängerte Stillstandszeiten genutzt werden.

Viele Marktteilnehmer werden die Schrottbeschaffung für den verringerten Bedarf im Dezember bereits im November mit einzudecken versuchen. Der Schrotthandel erwartet für den Rest des Jahres keine Belebung, zumal die Stahlpreise national und international nachgeben. Im aktuell fallenden Markt kaufen die Stahlverbraucher nur das, was sie unbedingt brauchen, verzichten auf einen Bestandsaufbau und warten auf sinkende Preise.

Hohe Energiekosten belasten sowohl die Hersteller als auch die Schrottwirtschaft und die Aussichten sind unsicher, obwohl sich die Lage im Energiesektor etwas beruhigt hat. Leider ist unklar, ob das so bleiben wird, da viel zu viele negative Faktoren, wie Krieg in der Ukraine, hohe Inflation, steigende Zinsen und nach wie vor unterbrochene Lieferketten eine hohe Belastung für die Wirtschaft sind. Die Meldungen über Produktionsdrosselungen oder gar -stillstände häufen sich. Der Schrotthandel weist darauf hin, dass logistische Probleme alle Marktbeteiligten vor kaum lösbare Aufgaben stellen. Es wird immer schwieriger bestellte Ware zur vereinbarten Zeit am richtigen Ort bereitzustellen. Das Werkzeug Logistik ist zu einer Herausforderung statt einem Hilfsmittel geworden, das viel Zeit und viel Geld in Anspruch nimmt, aber oft nicht das notwendige Ergebnis bringt.

Redaktionsschluss 20.10.2022, BG-J/bvse, Foto: Andi Karg