Vivis legt Band 5 der „Verwertung von Klärschlamm“ vor

Die „Verwertung von Klärschlamm“ ist weitaus umfassender als die überwiegende Mitverbrennung in Kohlekraftwerken, Müllverbrennungsanlagen und Zementwerken. Inwiefern das Thema an Breite und Tiefe gewonnen hat und gewinnen wird, zeigt der mittlerweile 5. Band der gleichnamigen Reihe des Vivis-Verlags.

Die Artikel des rund 420 Seiten starken Samplers geben die Vorträge der 5. Berliner Klärschlammkonferenz vom 14. und 15. November 2022 wieder. Zwei Themenbereiche dominieren die aktuelle Diskussion. Sie betreffen zum einen die Suche nach der sinnvollsten Technologie, die auch für kleinere kommunale oder dezentrale Recycling- oder Verwertungsanlagen wirtschaftlich vertretbar ist. Und es ist zum zweiten die Suche nach den vielversprechendsten Methoden zur Phosphorrückgewinnung.

Kein „letzter Dreck“
Entsprechend informiert das Kapitel zu Thermischer Verwertung und Verbrennung über Anlagen zur Gewinnung von Synthesegas aus Klärschlamm als Ersatzbrennstoff. Es kommen Systeme zur Sprache, in denen der – wortwörtlich – „letzte Dreck“ aus kommunalen Kläranlagen für 50.000 bis 100.000 Einwohnergleichwerte zu wettbewerbsfähigen Konditionen be- und verarbeitet wird. Das TerraNova ultra-Verfahren zur hydrothermalen Karbonisierung kommt dabei ebenso zur Sprache wie die Ergebnisse des DreiSATS-Verbundprojekts, das die prinzipielle Machbarkeit der Klärschlammverbrennung mittels Staubfeuerung nachweisen konnte. In anderen Versuchen ließ sich die Klärschlammbehandlung an dezentralen Standorten mithilfe von Wirbelfeuerung zur Verbrennung von Klärschlammpellets als grundsätzlich funktional bestätigen. Das Kapitel wird ergänzt durch Erfahrungsberichte über die Monoverbrennungsanlagen der Kuttner Martin Technology GmbH und der Energy from Waste GmbH, zur Erweiterung der VERA Hamburg sowie zur Optimierung einer neuen Klärschlammverbrennungslinie in Karlsruhe.

Das zweite Kapitel konzentriert sich auf die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlämmen. Wobei eine Umfrage der DDP unter Klärschlamm­erzeugern zeigt, dass diese sich noch wenig mit Lösungen befassen und der Großteil kein allzu großes Interesse an den Tag legt, die Klärschlammverordnung termingerecht umzusetzen. Dabei sind – wie in entsprechenden Beiträgen vorgestellt – bereits etliche Verfahren auf dem Markt: der Hias-Prozess, um sowohl Phosphor wie Stickstoff im gleichen Reaktor rückzugewinnen; das Pontes Pabuli-Verfahren, um phosphathaltige Aschen in hochwertige und standardisierte Düngergranulate zu überführen; oder ViviMagR, um Phosphor aus Schlämmen magnetisch zu separieren. Den Themenbereich runden Artikel zur Nährstoff-Rückgewinnung, zur landwirtschaftlichen Nutzbarkeit und zur marktrelevanten Aufbereitung von Rezyklaten ab.

Details zu Rahmenbedingungen
Weitere Themen des von Praktikern und Wissenschaftlern verfassten Bandes widmen sich den Rahmenbedingungen, denen die Abfallverwertung in Deutschland unterliegt. So sind bei jeder neuen oder umzubauenden Anlage Entscheidungen zu treffen, ob eine autotherme Verbrennung, eine allotherme Verbrennung mittels Pyrolyse, Vergasung, Hydrothermie oder Verflüssigung oder aber ein Plasma-Verfahren angebracht ist. Bei den der Monoverbrennung vorgeschalteten Trocknungsverfahren muss bei der Rauchgasreinigung zwischen einer konditionierten Trockensorption mit Ca(OH)2, der Kombination konditionierter Trockensorption mit NaHCO3 und NaOH-Wäscher oder der Kombination beider Vorgehensweise entschieden werden. Weiterhin sind beim Betrieb die Auflagen des Brennstoffemissionshandels-Gesetzes sowie die Vorgaben zu Strom- und Energiesteuern zu beachten. Und schließlich muss bei der Bauvergabe eine Entscheidung darüber fallen, ob das Projekt einem Generalunternehmer übergeben oder über verschiedene Lose aufgeteilt wird. Dazu liefert der vorliegende Band jeweils detaillierte Angaben.

Ein neues Kapitel warnt schließlich vor dem hierzulande kaum ins Bewusstsein getretenen PFAS – per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, die in Schäumen zur Brandbekämpfung und in Pharmazeutika vorkommen und sich aufgrund ihres persistenten Charakters in Luft, Boden und Gewässern angereichert haben. Zu ihrer Verhinderung und Entsorgung sind umfangreiche Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen.

Branche verunsichert
Der Band 5 der „Verwertung von Klärschlamm“ schließt an seine empfehlenswerten Vorgänger an. Er umfasst einschlägige Artikel zu den aktuellen (Diskussions-)Themen, ist von Experten aus Theorie und Praxis verfasst und vergisst auch periphere Gebiete wie Rauchgas-Reinigung, Nährstoff-Rückgewinnung oder juristische Fallstricke nicht. Leider – oder zum Glück ? – fällt die Veröffentlichung dieses Samplers in eine Zeit, in der die Branche der Klärschlammverwerter durch neue Gesetze verunsichert ist, an Lösungen noch nicht unmittelbar interessiert zu sein scheint und Betreiber neuer Anlagen sich noch auf kein Verfahren festlegen wollten oder konnten. „Eine Angabe zu den im Jahr 2029 zur Verfügung stehenden Phosphorrückgewinnungstechnologien lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vornehmen“, heißt es in einem Artikel zum Status quo der thermischen Klärschlammbehandlung und Phosphorrückgewinnung in Deutschland. So kann dieser Band 5 der Vivis-Verlags-Reihe den Blick auf die Probleme, aber auch auf die Möglichkeiten der Klärschlammverwertung als einem wichtigen Teil der Abfallwirtschaft lenken.

Verwertung von Klärschlamm 5, hrsg. von O. Holm, E. Thomé-Kozmiensky, P. Quicker und S. Kopp-Assenmacher, Neuruppin 2022, ISBN 978-3-944310-65-7.

www.vivis.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 03/2023, Seite 36 -Buchbesprechung-, Abb.: TK Verlag)