Schrottmarktbericht April 2023: Mengenprobleme
Zu Beginn des Berichtsmonats April war die Stimmung im Schrottmarkt noch recht optimistisch und es wurde mit nochmals steigenden Schrottpreisen gerechnet. Die Schrottnachfrage der Werke versprach zumindest so stark zu werden wie im Vormonat, während die Schrottverfügbarkeit die zu dieser Jahreszeit übliche Stärke immer noch vermissen ließ.
Die Verkaufsverhandlungen zogen sich wegen der Feiertage in der 14. und 15. Kalenderwoche lange hin und wurden als sehr zäh beschrieben. Gleichzeitig blieben die türkischen Schrottnachfrager dem Tiefseemarkt weitgehend fern und beeinflussten dadurch die Vertragsverhandlungen. Am Monatsanfang konnten die Händler ihre platzierten Mengen mit einem leichten Plus verkaufen, was bei Redaktionsschluss kaum noch möglich war. Die Preise blieben im Durchschnitt weitgehend unverändert mit Zu- und Abschlägen von rund €5 pro Tonne. Nach wie vor bewegt sich die Auslastung einiger Stahlhersteller auf einem schwachen Niveau. Laut der Weltstahlvereinigung worldsteel lag die deutsche Rohstahlproduktion im ersten Quartal 2023 nochmals um 5,8 Prozent unter der des entsprechenden Zeitraums des Vorjahres und die wiederum lag bereits um 4,1 Prozent unter der des Jahres 2021. Da das Schrottaufkommen konjunkturabhängig ist, wundert es wenig, dass sowohl das Alt- als auch das Neuschrottaufkommen regional zum Teil übersichtlich sind und die Eingänge beim Handel deutlich unter denen der Vorjahre liegen. Einige der befragten Marktteilnehmer sprachen von einem verbesserten Aufkommen, andere von einem weiterhin sehr schwachen Eingang. Am Ende scheinen die Werke mehr oder weniger mit den gewünschten Mengen versorgt worden zu sein. Besorgt zeigte sich der Schrotthandel über die Schwäche der Nachfrage nach Baustählen und den Hinweisen einiger Hersteller auf die nach wie vor unsichere Auslastung flexibel mit Produktionsanpassungen zu reagieren.
Aus den Regionen
Im Norden kauften die Werke zu unveränderten Preisen. Sie konnten wie auch andere Hersteller von dem schwachen Absatz über die Nordseehäfen in Drittländer profitieren. Im Nordwesten blieben die Preise bei gutem Bedarf ebenfalls weitestgehend unverändert. Für bestimmte Sorten gab es einen leichten Aufschlag. Die mangelnde Nachfrage nach Baustählen führt immer wieder zu Produktionsunterbrechungen, da die Hersteller den Ausstoß an die Nachfrage anpassen. Im Osten Deutschlands lag die ausgehandelte Preisspanne je nach Sorte und Werk bei Abschlägen von €5 pro Tonne bis zu Erhöhungen von €5 pro Tonne gegenüber den Vormonatspreisen. Händler berichteten von uneinheitlichen Angebotspreisen für die Lieferanten. Von den Ruhrwerken war nur ein Hersteller im Markt und kaufte in der Phase, in der die Marktteilnehmer noch steigende Preise erwartet hatten. Die Elektrostahlwerke im Westen waren dagegen im April voll beschäftigt und suchten Schrott. An der Saar beginnt sich die Produktion bei einem der Verbraucher zu erholen, dennoch konnten die Verbraucher je nach Sorte leichte Abschläge durchsetzen oder hielten die Preise gegenüber dem Vormonat stabil. Erfreulicherweise produzierte der Verbraucher im Südwesten zum ersten Mal in diesem Jahr mit beiden Öfen. Auf Grund seiner hohen Bestände war der Zukauf verhalten bei überwiegend unveränderten Preisen, lediglich für Neuschrotte wurden Aufschläge angeboten. Der Stahlproduzent im Süden Deutschlands schien einen höheren Bedarf als im Vormonat zu haben und bestellte zu Monatsbeginn zu unveränderten Preisen auch bei Lieferanten, die nicht zum Konzern gehören. Kurz vor dem Redaktionsschluss stoppte das Werk die Zulieferungen bis zum 02.05.2023 und stornierte die noch ausstehenden Mengen. Als Hintergrund wurden Auftragsprobleme vermutet.
Nachbarländer
Italienische Stahlwerke haben ihre Einkaufspreise ebenfalls weitgehend stabil gehalten, obwohl sie deutliche Preisreduzierungen angekündigt hatten. Verbraucher, die Mengen gesucht haben, zahlten höhere Preise als im Vormonat. Im ersten Quartal 2023 haben die italienischen Werke laut worldsteel 6 Prozent weniger Stahl produziert als im entsprechenden Quartal des Vorjahres. Wegen Steuererleichterungen im Bereich der Energiekosten begannen die Werke ab Februar die Produktion gegenüber Januar um 22 Prozent und von Februar auf März um weitere 15 Prozent auf 2,2 Mio. Tonnen zu steigern. Die Regierung hat die Erleichterungen im April zwar gekürzt, aber nicht wie ursprünglich geplant gestrichen, sodass die Produktion im April zumindest auf dem Niveau der Märzproduktion gelegen haben dürfte, letztere war die höchste Monatsproduktion seit Mai 2021. Die Stahlhersteller in der Schweiz hatten bei reduzierter Produktion nur einen geringen Importbedarf aus Deutschland, wobei die Preise als stabil bzw. leicht rückläufig beschrieben wurden. Ein österreichischer Verbraucher hatte noch zum Monatsbeginn eine deutliche Preisanhebung angekündigt. Im Endeffekt gab es einen Zuschlag von €5 pro Tonne gegenüber dem Vormonat. Der andere Verbraucher zahlte für schweren Alt- und Neuschrott €5 pro Tonne mehr und für alle übrigen Sorten erhöhte er den Einkaufspreis um €20 pro Tonne, da es gegenüber den Mitbewerbern in einigen Nachbarländern einen gewissen Nachholbedarf gab. In Polen musste der Handel kräftige Abschläge akzeptieren. Anfangs waren Preisreduzierungen von €7 bis €12 pro Tonne im Gespräch, die sich dann zu je nach Sorte und Abnehmer auf €15 bis €23 pro Tonne ausweiteten. In Tschechien kaufte einer der Verbraucher keine Mengen vom Handel und begründete dies mit ausreichenden Beständen und einer Auftragsschwäche. Das andere Werk senkte seine Beschaffungspreise um €17 pro Tonne. An die Werke in Deutschland und Österreich konnten die polnischen und tschechischen Händler zu unveränderten Preisen bzw. mit einem leichten Aufschlag von €5 pro Tonne liefern. Der Verbraucher in Luxemburg hat seine Produktion laut worldsteel zwar von im Januar 141.100 Tonnen auf 176.940 Tonnen im März gesteigert, der Ausstoß lag im ersten Quartal jedoch um 12,4 Prozent unter der erzeugten Menge des Vergleichsquartals 2022. Der Schrottbedarf für April soll sich auf dem Vormonatsniveau bewegt haben. Der Verbraucher konnte sich am Monatsanfang mit einem größeren Teil seines Bedarfs zügig mit Preisabschlägen von €5 bis €7 pro Tonne in Frankreich eindecken. Die deutschen Lieferanten reagierten auf diese unter den üblichen Preisen in Deutschland liegenden Angebote verhalten. In Frankreich reduzierten die Verbraucher ihre Eingangspreise von €5 bis €7 pro Tonne. Für einzelne Sorten erzielten deutsche Händler unveränderte Preise. Die Nachfrage wurde als gut eingestuft. Der Schrottbedarf in Belgien und den Niederlanden war reduziert, kombiniert mit den mangelnden Exportmöglichkeiten wurden mehr Mengen in Deutschland angeboten. Dennoch lagen Angebot und Nachfrage in Deutschland im Berichtsmonat im Gleichgewicht.
Gießereien
Einige Gießereien verfügen über eine gute und stabile Auslastung, wodurch der Schrottbedarf entsprechend hoch ist. Gießereien mit Produktangeboten, die derzeit weniger gefragt sind, klagen über eine schlechte Auslastung. Die Schrottnachfrage ist insgesamt jedoch so hoch, dass der Schrotthandel wieder Mühe hatte alle gewünschten Sorten zu beschaffen. Das Schrottaufkommen reicht kaum, um den Bedarf einiger Gießereien adäquat zu decken. Viele Hersteller sind daher gezwungen mit ihren Schmelzen flexibel auf die angebotenen Schrottsorten zu reagieren. Der Handel konnte leicht höhere Preise gegenüber dem Vormonat durchsetzen. Der erstarkte Euro hat für den Roheisenimport eine gewisse Beruhigung gebracht. Da sich gleichzeitig das Angebot bei etwas reduzierten Preisen verbessert hat, könnte sich die Lage bei den Gießereien, die Roheisen zusetzen, entspannen.
Schwache türkische Nachfrage
Laut der internationalen Fachpresse gab es vom europäischen Kontinent aus nur einen nennenswerten Verkauf von den Niederlanden in die Türkei. Türkische Werke kauften bis zum Redaktionsschluss nur wenige Mengen im April und auch nur die, die für sie günstig zu beschaffen waren. Mit ihrer aktuellen Kostenstruktur, die durch hohe Schrott- und Energiepreise belastet ist, sind sie mit ihrem Stahlangebot international nicht wettbewerbsfähig. Die Nachfrage im Inland ist ebenfalls schwächer geworden, was zum Teil auf das unsichere Marktumfeld vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen Mitte Mai zurückgeführt wird. Die Werke drängen auf günstigere Einkaufspreise und konnten seit Ende März Preisreduzierungen im Tiefseemarkt von rund US-$35 pro Tonne durchsetzen. Allerdings waren bisher nur die US-Exporteure zu entsprechenden Konzessionen bereit, da das zunehmende Schrottaufkommen in den USA zu rückläufigen Preisen geführt hat, da auch die Stahlnachfrage nicht so stark ist wie erwartet. Die Betreiber der Exportläger konnten ihre Einkaufspreise sukzessive senken. Für die kontinentaleuropäischen Exporteure waren Reaktionen auf Grund des festen Binnenmarktes ungleich schwieriger. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, haben sie die Preise frei Tiefseelager um €35 bis €40 pro Tonne zurückgenommen, was, bis Redaktionsschluss einen sehr verhaltenen Zulauf zur Folge hatte.
Schlussbemerkungen
Die Einschätzungen für die Entwicklung im kommenden Monat sind nach dem Ausfall der türkischen Nachfrage weniger optimistisch. Zwar erholt sich die Nachfrage nach Flachstahl in Deutschland, aber die Baustahlnachfrage hat noch bei weitem kein stabiles tragfähiges Niveau erreicht. Das Schrottaufkommen wächst im Alt- aber auch im Neuschrottbereich nur langsam und ist regional zudem sehr unterschiedlich. Die Stahlverbraucher erwarten sinkende Stahlpreise und halten sich mit Bestellungen zurück, die Stahlhersteller möchten sie erhöhen. Die geopolitischen und konjunkturellen Unsicherheiten werden auch im kommenden Monat das Marktgeschehen beeinflussen und viele Marktteilnehmer erwarten zum Teil unveränderte oder rückläufige Schrottpreise, jedoch kein Ausbrechen nach unten oder oben.
Redaktionsschluss 21.04.2023, BG-J/bvse, Foto: O. Kürth