bvse-Branchenforum 2023: Teure Energie, langwierige Genehmigungsverfahren und Fachkräftemangel

Dies sind die anspruchsvollen Herausforderungen, denen sich die Teilnehmer des 21. Elektro(nik)-Altgerätetages in nächster Zeit nach Einschätzung des bvse stellen werden müssen.

Dies betonte Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands, in seiner Eröffnungsrede. Als Beispiele nannte er die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise, komplizierte und langwierige Genehmigungsverfahren sowie den Fachkräftemangel in fast allen Tätigkeitsbereichen. „Unsere Branche versorgt große Industriebereiche mit den notwendigen Sekundärrohstoffen. Wenn es um Rohstoffverfügbarkeit geht, sind wir ein wichtiger Partner“, sagte er. „Doch wie wird sich der Wirtschaftsstandort Deutschland entwickeln? Wird weiterhin in Deutschland investiert?“

Eric Rehbock: Wir müssen alles darauf ausrichten, den maximalen Nutzen der Kreislaufwirtschaft zu generieren (Foto: bvse)

Der bvse-Bundesverband begrüße ausdrücklich das Vorhaben einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie für Deutschland und bringe sich aktiv in verschiedene Dialoggruppen ein, so der Redner. „Wir als Praktiker können für die verschiedenen Stoffströme deutlich machen, woran es hängt; was verbessert werden muss.“ Als „ganz wesentlich“ bezeichnete der bvse-Hauptgeschäftsführer – auch mit Blick auf das E-Schrott-Recycling – das „Design for Recycling“.

Für den Verband ist es daneben wichtig, dass Genehmigungsverfahren für Recycling- und Entsorgungsanlagen einfacher und schneller werden. „Wir müssen alles darauf ausrichten, den maximalen Nutzen der Kreislaufwirtschaft zu generieren. Wenn wir aber mit unseren Genehmigungsverfahren so weitermachen, wird das überhaupt nichts in Deutschland.“ So gehe bei Zulassungsprozessen ohne diverse Gutachter nichts mehr, nannte er als Beispiel. Die Behörden seien nicht mehr in der Lage, aus eigener Kompetenz Bewilligungen auszusprechen. Sinnvoller wäre es nach Verbandsposition, in den Behörden das Personal mit entsprechender Expertise aufzustocken, damit diese in der Lage sind, Genehmigungsverfahren effizient zu bearbeiten.

Europas neue Initiativen
Neben der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie beschäftigt sich die Branche auch mit neuen Initiativen der Europäischen Union. In diesem Zusammenhang wies Eric Rehbock darauf hin, dass die USA ein Klimaschutzprogramm auflegen und mit Fördermitteln Produzenten locken. China tue dies schon seit Jahren, „allerdings verbunden mit einem Technologietransfer“. Europa ziehe nur langsam nach. „Die Welt ordnet sich neu“, konstatierte er mit Blick auf die EU, die seiner Ansicht nach noch nach ihrem Platz sucht. „Immerhin, die Versorgungssicherheit bei wichtigen Industrierohstoffen soll erhöht werden um sich aus Abhängigkeiten zu lösen. Dazu möchte die EU-Kommission vor allem die Förderung von kritischen Rohstoffen in Europa ausbauen.“

Ein Gesetzesentwurf, der „Raw Material Act“, sei bereits in Arbeit. Demnach sollen zukünftig zehn Prozent des Jahresverbrauchs der EU an kritischen Rohstoffen in Europa selbst abgebaut werden, berichtete Rehbock. „Das klingt erst einmal realistisch. Allerdings sind die Erschließung von Vorkommen und die dazu gehörigen Genehmigungsverfahren zum Abbau aufwändig und langwierig. Das größte Vorkommen an Seltenen Erden wurde kürzlich in Nordschweden entdeckt. In Deutschland gibt es ein Vorkommen in Sachsen; allerdings werden auch hier derzeit keine Seltenen Erden abgebaut. Eine Umsetzung wäre ein Kraftakt und es würde voraussichtlich Jahre dauern“, vermutet er. Zudem soll die Rohstoffversorgung auch durch Recycling erfolgen. „Für unsere Branche wesentlich ist das Ziel, dass 15 Prozent des EU-Jahresverbrauchs an kritischen Rohstoffen zukünftig aus dem Recycling gedeckt werden sollen,“ informierte der Hauptgeschäftsführer des Verbands.

„Wir können es uns nicht mehr leisten, Rohstoffe zu verschenken, indem wir illegale Exporte von E-Schrott nicht unterbinden, die Erfassung nicht auf die Behandlungsschritte abstimmen oder recycelbare Rohstoffe einfach verbrennen“, unterstrich Eric Rehbock in seiner Rede. Abhängigkeiten verringern, heiße auch Forschung und Entwicklung zu betreiben. Für das Recycling müsse das komplexe Gemisch der verschiedenen Werkstoffe getrennt werden; dies stelle erhebliche Ansprüche an technologische Lösungen. Aufgrund technischer und ökonomischer Grenzen sei das heutige Recycling auf die großen Metall- und Edelmetallstoffströme fokussiert, die den Materialwert der Geräte bestimmten. Die Herausforderungen der Zukunft würden aber insbesondere in der Weiterentwicklung von Verfahren zur erhöhten Ausbeute seltener Metalle bestehen, zeigte sich der Verbandsvertreter überzeugt. Die Mitgliedstaaten der EU seien daher gefordert, erhebliche Anstrengungen in Forschung und Entwicklung zu unternehmen.

Chemisches Recycling und Brandschutz
Beim „Gemeinsamen Forum Altgeräte-/Schrottrecycling“ waren die Möglichkeiten des Chemischen Recyclings ein Thema, zumal technische Kunststoffe sowohl in Fahrzeugen als auch in Elektro(nik)geräten vorhanden sind. „Obwohl der bvse immer das werkstoffliche Recycling präferiert und forciert, gilt es objektiv zu betrachten, ob auch das chemische Recycling eine Option zur Verwertung sein kann“, erläuterte Eric Rehbock und verwies auf den Vortrag von Dr. Andree Blesgen von der Evonik Operations GmbH.

Die Organisatoren des bvse-Branchenforums zählten mehr als 150 Teilnehmer in diesem Jahr (Foto: bvse)

Darüber hinaus standen der aktive und passive Brandschutz in Abfallbehandlungsanlagen im Mittelpunkt; entsprechende Vorträge hielten Benedikt Stolz und Daniel Rickes von der Firma Protection One sowie Christopher Jahn von der Kooi Security Deutschland GmbH. Wie der Verband unterstrich, stellt die zunehmende Anzahl an Lithium-Akkus die Branche vor erhebliche Herausforderungen; mittlerweile seien sie in fast allen Stoffströmen zu finden. „Die Anlagen technisch aufzurüsten, ist aber nur ein Teil der Maßnahmen. Präventiver Brandschutz beginnt bereits in der Erfassung“, sagte Rehbock. „Die Fehlwürfe und damit die katastrophalen Folgen für die Abfallbehandlungsbetriebe sind Folge unzureichenden Wissens der Endverbraucher, einer mangelnden Kennzeichnung der Geräte, einer fehlenden leichten Entnahme des Akkus vom Gerät und einer unzureichenden Separierung des Akkus an Sammelstellen.“ Brände bedrohten mittlerweile die Existenz der Recyclinganlagen. „Jeder in der Kette vom Produkthersteller über den Erfasser bis zum Behandler muss daher für seinen Bereich Verantwortung übernehmen. Das Problem darf nicht weiterhin alleine auf die Recyclingwirtschaft übertragen werden.“

Um eine Datenlage zu bekommen, habe der bvse mit den Verbänden ASA, VKU und BDE ihre Mitglieder kürzlich zu Brandereignissen sowie zum Stand der Technik in den Anlagen befragt. „Die Umfrage wird gerade ausgewertet, sodass wir heute noch keine Ergebnisse nennen können“, informierte Eric Rehbock. Zudem werde in Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft die VDS 2517 (Sortierung, Aufbereitung und Lagerung von Siedlungsabfällen und brennbaren Sekundärrohstoffen – Hinweise für den Brandschutz) überarbeitet.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 06/2023, Seite 20 -von Brigitte Weber-, Foto: Landratsamt Kitzingen studio zudem / abfallbild.de)