bvse-Jahrestagung: „Verbandsarbeit ist positives Storytelling“

Das sagte Henry Forster, Präsident des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., als er den öffentlichen Teil der bvse-Jahrestagung einleitete, zu der rund 460 Teilnehmer nach Leipzig gekommen waren.

Henry Forster: „Warum sind wir so
pessimistisch und unzufrieden?“ (Foto: bvse)

Obwohl die Recycling- und Entsorgungswirtschaft etliche Herausforderungen zu bewältigen hat, wollte sich Henry Forster in seiner Begrüßungsrede nicht den anstehenden Problemen widmen, sondern die anwesenden Verbandsmitglieder motivieren. Dabei beklagte er sich, dass bei Reden und in der Branche Positives wenig vorkommt und öfter Negatives herausgestellt wird. „Warum sind wir so pessimistisch und unzufrieden?“, fragte der Verbandspräsident – und gab die aus seiner Sicht richtige Antwort: „Wir müssen darüber nachdenken, was wir wollen.“ Zudem „müssen wir lernen, mit den anderen Verbänden zu den Megathemen eine gemeinsame Lösung anzubieten“. Die Kreislaufwirtschaft sei in aller Munde, aber es werde zu wenig getan, um sie durchzusetzen, konstatierte der Redner. In diesem Zusammenhang nannte er unter anderem die Produktgestaltung. Er schloss seine Ausführungen mit dem Appell, Verbandsarbeit dürfe nicht heißen, pessimistisch zu sein und Kritik zu üben. Verbandsarbeit sei positives Storytelling.

Wie sich „Erfolg und Motivation in Zeiten der Veränderung“ erreichen lassen, vermittelte den Anwesenden der Persönlichkeits- und Managementtrainer Jörg Löhr. Anhand konkreter Beispiele aus seiner Praxis als Mentaltrainer (unter anderem wurde er vom Fußball-Verein Werder Bremen engagiert) erläuterte er, wie sich ein entsprechender Veränderungsprozess in Gang setzen lässt. Seinen Worten zufolge trägt Optimismus dazu bei, Möglichkeiten zu sehen und Chancen zu ergreifen. Zu den Erfolgsfaktoren gehörten die Konzentration auf „inspirierende Ziele“ sowie das persönliche Durchhaltevermögen und die Begeisterung für die jeweilige Tätigkeit.

Anschließend erläuterte Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V., wie die Steuer- und Finanzpolitik der Bundesregierung angesichts von Krieg, Krisen und Katastrophen nach den Vorstellungen der Vereinigung aussehen sollte. Den Vortragsreigen des öffentlichen Teils der Veranstaltung schloss Alexander Heck, Director Public & Regulatory Affairs der Salzgitter AG, mit seinen Ausführungen über die industrielle Transformation am Beispiel der Stahlindustrie. Sein Fazit: Die neue „EU-Stahlwelt“ werde gekennzeichnet sein durch hohe CO2-Preise, keine kostenfreien CO2-Zuteilungen (ab 2034) sowie einen effektiven EU-Grenzausgleich. Die Folge: Grüner Stahl werde den Marktpreis bestimmen.

Fachverband Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling: Protektionismus schafft keine Klimaneutralität
Die Schrottbranche warnt davor, Schrotte und Aluminium als strategische Rohstoffe einzustufen, weil damit de facto ein Exportverbot einhergehen könnte. Das war der klare Tenor auf der Mitgliederversammlung des Fachverbandes Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling in Leipzig.

Laut Jörg Löhr trägt Optimismus dazu bei, Möglichkeiten zu sehen und Chancen zu ergreifen (Foto: bvse)

Laut bvse befindet sich das Gesetzgebungsverfahren zum Critical Raw Material Act (CRMA) in einer wichtigen Phase. Im Trilogverfahren zwischen EU-Kommission, EU-Ministerrat und dem Europäischen Parlament werde nun über den konkreten Regelungsumfang entschieden. „Nachdem der EU-Industrieausschuss eine ausgewogene Position eingenommen hat, beschloss das EU-Parlament nun überraschend, dass auch Schrotte und Aluminium in die Liste der strategischen Rohstoffe aufgenommen werden sollen, da diese Materialien strategisch im Sinne der Dekarbonisierung wären.“

Diese Positionierung hält der bvse für völlig inakzeptabel und willkürlich, denn nach dieser Begründung könnte so „ziemlich jedes Material“ als strategisch eingestuft werden. Nach Ansicht von Sebastian Will, geschäftsführendes Mitglied des bvse-Präsidiums, würde dies jedoch den Sinn des Critical Raw Material Act (CRMA) völlig infrage stellen. „Es kann ja hier nicht um Marktabschottung gehen, es muss darum gehen, mithilfe des CRMA die Versorgung der Industrie mit strategisch wichtigen Rohstoffen sicherzustellen.“

Genau das sei aber bei Schrotten und Aluminium nicht erforderlich, zumal die Industrie in der EU-27 jährlich mehr als 13 Millionen Tonnen Schrotte und Metalle nicht benötige, die momentan in den Export gehen. Sollten Schrotte und Aluminium tatsächlich als kritische Rohstoffe eingestuft werden und infolgedessen ein de facto-Exportverbot verhängt werden, würden die Mechanismen der nationalen wie auch der europäischen Schrottmärkte erheblich beeinträchtigt und die vorhandenen Sammelstrukturen infrage gestellt werden, unterstrich der Recyclingverband. „Es ist doch ganz klar, dass nur so viel gesammelt wird, wie auch auf dem Markt abgesetzt werden kann,“ so Sebastian Will. „Die Schrottwirtschaft benötigt daher dringend den Export als Ventil für die Mengen, die weder national noch europäisch von den Stahlproduzenten abgenommen werden.“

Nach Auffassung des bvse könne es nicht darum gehen, den freien Handel von Schrotten auszuhebeln, um der Stahlindustrie scheinbar einen Gefallen zu tun. „Wer die Axt an der Schrottwirtschaft anlegt, handelt sich in Wahrheit ein großes Versorgungsproblem ein. Die deutsche Schrottwirtschaft hat in der Vergangenheit, Gegenwart und wird auch in Zukunft die Versorgung der Industrie mit Schrotten sicherstellen.“ Dazu benötige man keine protektionistischen Regelungen, ist der Verband überzeugt. Klimaschutz mache nicht an den nationalen oder europäischen Grenzen halt. Klimaneutralität erreiche man daher auch nicht durch die Abschottung der Märkte. Im Gegenteil: Das Ziel der weltweiten Klimaneutralität (Net Zero-Indus­try) werde so konterkariert, waren sich die Teilnehmer der Mitgliederversammlung einig.

bvse und Mittelstandsallianz fordern Aussetzen der Mauterhöhung
Bei der bvse-Jahrestagung stand das Thema Mauterhöhung ebenfalls im Zentrum der Kritik. Das galt beispielsweise für die Fachverbände Papierrecycling und Sonderabfallwirtschaft wie auch den Ausschuss Technik, Logistik und Digitales. Wie der bvse konstatierte, war im Koalitionsvertrag vereinbart worden, die Doppelbelastung aus CO2-Zuschlag auf die Maut und CO2-Zuschlag auf Diesel zu vermeiden. „Davon scheint nun keine Rede mehr zu sein“, fasste bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock die Hauptkritik an der Mautänderung zusammen.

Eric Rehbock sieht die geplante Maut­erhöhung als „eine Wachstumsbremse in Zeiten der Rezession“ (Foto: bvse)

„Der Bundestag hat am Donnerstag, 21. September 2023, in erster Lesung über die von der Bundesregierung geplante Novellierung des Lkw-Mautsystems hinsichtlich der Einführung einer Kohlenstoffdioxid-Differenzierung sowie die Umstellung vom zulässigen Gesamtgewicht auf die technisch zulässige Gesamtmasse, wie auch die Einbeziehung der Fahrzeuge mit mehr als 3,5 und weniger als 7,5 Tonnen beraten,“ berichtete der Verband. Der dazu vorgelegte Entwurf „eines Dritten Gesetzes zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften“ (20/8092) sei im Anschluss der Debatte zur weiteren Beratung an den federführenden Verkehrsausschuss überwiesen worden. „Die Lkw-Maut soll der Vorlage zufolge ab 1. Dezember 2023 um eine CO2-Komponente erweitert werden. Ab 1. Juli 2024 sollen dann auch Lkw mit über 3,5 bis 7,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse die Maut entrichten müssen. Die Bundesregierung geht dem Entwurf zufolge von Maut-Mehreinnahmen durch die Einführung der Kohlenstoffdioxid-Differenzierung (nur Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen berücksichtigt) von 26,61 Milliarden Euro für die Jahre 2024 bis 2027 aus.“

In einem Schreiben an die Mitglieder des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages hat die BVMW-Mittelstandsallianz, der auch der bvse angehört, die Aussetzung der Mauterhöhung bis 2027 gefordert. Dabei wird darauf hingewiesen, dass mit der Erhöhung der Mautsätze zusätzliche Kosten von 7,62 Milliarden Euro pro Jahr auf die Transportunternehmen zukämen. Das Marktwachstum beim Transport werde sich erheblich reduzieren. Ebenso würden durch die Mauterhöhung auch vor- und nachgelagerte Dienstleistungen wie beispielsweise Lagerhaltung, Umschlag, Kommissionierung, Konfektion sowie Zollabfertigung mit höheren Kosten belastet. Damit treffe nach Meinung der Mittelstandsallianz die Mauterhöhung aber auch Verbraucherinnen und Verbraucher insgesamt und nicht nur allein den Logistikbereich.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2023, Seite 6, von Brigitte Weber, Foto: bvse)