Schrottmarktbericht Oktober 2023: Welche Auswirkungen hat der Nahost-Konflikt?

Die deutsche Wirtschaft löst sich nur langsam aus den Belastungen infolge des Energiepreisschocks, der geldpolitischen Straffung und der weltwirtschaftlichen Abschwächung. Diese Entwicklung verzögert die lang erwartete wirtschaftliche Erholung. Zwar hat sich die Steigerung der Inflationsrate im September deutlich verringert und liegt nur noch bei 4,5 % im Vergleich zum Vorjahresmonat, aber die allgemeine Stimmung ist nach wie vor pessimistisch geprägt.

In den kommenden Monaten ist, mit Blick auf den nachlassenden Preisdruck auf die vorgelagerten Wirtschaftsstufen, mit einer weiteren, wenn auch langsam abflachenden Preisdynamik zu rechnen. Der inflationsbedingte Kaufkraftverlust wird zunehmend überwunden und führt in Verbindung mit deutlich anziehenden Löhnen und einer robusten Beschäftigungssituation vermutlich zu einer langsamen und schrittweisen Belebung des privaten Konsums. Angesichts des hohen Investitionsbedarfs im Zuge der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft dürfte auch der Maschinen- und Anlagenbau in absehbarer Zeit wieder etwas zulegen. Demgegenüber wird jedoch erwartet, dass die Bauindustrie angesichts des deutlichen Zinsanstiegs und der erhöhten Bau- und Materialkosten weiter zurückgeht. Positive Stimmungsindikatoren bestehen, aber die allgemeine Einstellung der Wirtschaftsakteure ist nach wie vor von großer Unsicherheit geprägt.

Schrottmarkt
Zu Beginn des Monats bestand die Annahme, dass der asiatische Markt seinen Weg aus dem Monat September fortsetzt und weitere Nachfrageimpulse aufzeigt. In den vergangenen Monaten übten asiatische Verbraucher starken Einfluss auf die Materialverfügbarkeit aus und galten für viele Händler als zusätzliches Absatzventil. Entgegen dieser Erwartungshaltung war der Exportmarkt jedoch weiter rückläufig. Allgemein kämpft der Schrottmarkt weiterhin mit einer geringen Materialverfügbarkeit und eingeschränkten Absatzwegen. Die Verfügbarkeit von Altschrotten und Neuschrotten lag um bis zu 30 % unter den Vormonatsmengen. In Anbetracht der kalten Wintermonate wird sich die Situation insbesondere auf dem Altschrottmarkt durch die gedämpfte Sammeltätigkeit vermutlich nicht entspannen. Dazu haben sich bei einigen großen Automobilherstellern Lieferkettenstörungen bemerkbar gemacht und die Materialverfügbarkeit eingeschränkt. Der deutlich reduzierte Zulauf hinderte die Stahlwerke nicht daran, die Preise zurückzunehmen. Die Schrottpreise reichten im Monat Oktober je nach Region von unverändert bis hin zu Preisabschlägen von 20 €/t. Trotz dieser Preisrücknahmen konnte das verknappte Schrottangebot die Schrottnachfrage decken. Je länger der Monat andauerte, umso stabiler wurde der Markt, gleichwohl eine Vorhersehbarkeit und Gradlinigkeit nicht auszumachen war.

Schrott in den Regionen
Im Norden hat ein Stahlwerk einen Hochofen weiterhin stillgelegt. Die Nachfrage ist allgemein gedämpft, wodurch die Verbraucher Preisnachlässe von 10 €/t durchsetzen konnten. Die Schrottpreise im Osten haben aus September ein Preisgefälle mitgenommen, sodass bei soliden Bedarfen die Preisanpassungen je nach Ausgangslage bis hin zu minus 20 €/t reichten. Im Westen hatte ein Werk einen deutlich reduzierten Zukaufbedarf, wobei ein anderes Werk aktiver am Markt teilnahm. Hier blieben die Preise weitestgehend auf einem unveränderten Preisniveau. Der Südwesten war geprägt von der reduzierten Auslastung in der Baubranche. Die Nachfrage nach Schrotten konnte sich allerdings entgegen den Erwartungen etwas verbessern, wodurch die Preise durchschnittlich nur um 5 €/t sanken. Die Auftragslage an der Saar ist weiterhin gering. Ein Werk nahm nicht am Markt teil, da es über ausreichend Schrottmengen verfügte, ein anderes Werk hatte einen um 1/3 reduzierten Bedarf. Hier blieben die Preise auf einem unveränderten Preisniveau. Ein Verbrauch hatte im Süden einen merklich reduzierten Bedarf und kaufte mit Preisen von unverändert bis hin zu minus 10 €/t ein.

Schrott in den Nachbarländern
In Frankreich sind die Preise diesen Monat leicht gesunken, zwischen 5-10 €/t, abhängig von den Verbrauchern und entsprechenden Bedarfen. In Belgien gaben die Preise um 10 €/t nach. Auf dem italienischen Markt versuchten die Verbraucher zunächst, Preise herunter zu nehmen, da beschränkte Absatzmöglichkeiten zu einer geringen Schrottnachfrage führten. Die knappe Materialverfügbarkeit festigte aber die Preise, sodass das Septemberniveau überwiegend in den Oktober überführt werden konnte. Österreich bewertete die Schrottqualitäten unterschiedlich. Altschrotte bezogen Verbraucher zu gleichbleibenden Preisen, während Neuabfällen um 10 €/t weniger zum Vergleich des Vormonats gehandelt wurden. In der Schweiz konnte ein Verbraucher mit deutlich reduzierten Bedarfen Schrotte zu unveränderten Preisen bis hin zu leichten Preisanpassungen von minus 5 €/t zukaufen. In der Tschechischen Republik sorgen die finanziellen Schwierigkeiten eines Verbrauchers weiterhin für Spekulationen. Auf diesem Markt sind die Schrotte teilweise auf gleichbleibendem Niveau gehandelt worden oder mit Abschlägen von bis zu 10 €/t. Auf dem polnischen Markt hat sich die Nachfrage nach Betonstahl etwas verbessert. Schrotte wurden mit Preisabschlägen von 5-10 €/t gehandelt.

Schrottmarkt international
Die Unsicherheit über die Handelsaktivitäten insbesondere mit Bewehrungsstählen nimmt durch den Nahost-Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern deutlich zu. Der Ausbruch des Krieges könnte erhebliche Auswirkungen auf den türkischen und russischen Langstahlexport haben. Türkische Stahlexporte nach Israel erreichten im Jahr 2022 nahezu 2 Mio. Tonnen. Obwohl die Exporte in diesem Jahr zurückgegangen sind und Marktanteile an russische Lieferanten verloren wurden, entfallen auf Israel immer noch 10 Prozent der gesamten türkischen Stahlexporte. Russland hat von Januar bis August über 700 Tsd. Tonnen Bewehrungsstahl und Walzdraht nach Israel verschifft.

Türkische Stahlwerke versuchen, die Preise für Schrottimporte weiter nach unten zu drücken. In der Türkei stagnierte der Handel mit Langprodukten insbesondere mit Bewehrungsstählen, obwohl einige Werke ihre Preise um 10-20 $/t reduzierten. Sowohl die Schrottkäufer als auch die Schrottverkäufer zogen sich vorerst zurück, um die neue Situation zu analysieren. Die Meinungen über die Auswirkungen des Nahost-Konflikts gehen weit auseinander. Während einige Marktakteure davon ausgehen, dass der Handel mit Langstählen bis zur Lösung des Konflikts zum Erliegen kommt, stufen andere Beobachter die Auswirkungen als nicht besonders hoch ein. Insgesamt ist zu erwarten, dass sich das Volumen der Tiefseekampagnen im November nach unten anpasst. Die Importpreise über den Kurzstreckenmarkt werden durch den Konflikt gestützt. Von Januar bis August dieses Jahres betrug der Schrottzukauf aus Israel 275 Tsd. Tonnen, verglichen mit 325 Tsd. Tonnen im Vorjahr. Den Schrotteinkäufern spielt die allgemeine Schwäche der EURO-Währung gegenüber dem US-Dollar in die Hände. Mit dem Bewusstsein sind Preisnachlässe einfacher durchzusetzen. Demgegenüber stehen die erhöhten Frachtraten und der mangelnde Frachtraum, der den Transport allgemein erschwert. Der Preis könnte weiter unter Druck geraten, da Verkäufer Absatzwege für ihre Ladungen nach Israel suchen. In israelischen Häfen haben Getreidelieferungen Vorrang. Stahllieferanten befürchten Auftragsstornierungen und versuchen, die vorgesehenen Ladungen in andere Häfen umzulenken. Die Beschränkungen durch den Kriegskonflikt beeinflussen auch die Abfertigungen von Schiffen in den Häfen. Es herrscht ein Mangel an Transportmöglichkeiten über den Lkw-Verkehr. Lieferunterbrechungen und Zahlungsschwierigkeiten erschweren den Handel.

Gießereien
Der Gießereimarkt verhält sich je nach Kundenkreis sehr unterschiedlich. Während die Gießereien, die Automobilindustrie zu ihren Hauptkunden zählen, über eine gute Auftragslage verfügen, sieht es bei anderen Gießereien deutlich schlechter aus. Gießereien, die für den Anlagen- und Maschinenbau tätig sind und Zulieferteile herstellen, sehen sich, genau wie in den vorhergehenden Monaten, einem rückläufigen Markt ausgesetzt. Die Schrottpreise der Gießereien sind für die nicht angebundenen Schrotte um 10-15 €/t zurückgegangen.

Ausblick
Einige Stimmungsindikatoren, wie die leicht anziehende Nachfrage und die vorsichtige Stabilisierung, deuten darauf hin, dass die Industrieproduktion an ihrer Talsohle angekommen ist. Zum Jahreswechsel könnte die Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen. In den kommenden Jahren erwarten Wirtschaftsforschungsinstitute eine schrittweise Erholung in wichtigen Handelspartnerländern Deutschlands. Von China sind jedoch geringere Impulse zu erwarten als bisher angenommen. Viele Marktteilnehmer hegen auf dem Schrottmarkt keine großen Erwartungen hinsichtlich der kommenden Monate November und Dezember. Verbraucher kündigen bereits Produktionsunterbrechungen und Stillstandzeiten an, die von Oktober bis zum Dezember reichen. In diesen Zeiten sollen notwenige Wartungsarbeiten erfolgen und Produktionskürzungen den Absatzmarkt auf dem Fertigmaterialmarkt entspannen. Die Schrottpreise verspüren einen leichten, nach unten gerichteten Druck. Wie groß aber der Gegendruck sein wird, ist ungewiss. Durchsetzende Nachfrageimpulse sind wahrscheinlich nur vom Exportmarkt zu warten.

Redaktionsschluss 24.10.2023, Johannes Hanke, bvse (Alle Zahlen ohne Gewähr), Foto: O. Kürth