Verwertbarer Stahl aus giftigem Rotschlamm

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung haben ein Verfahren entwickelt, über das im Rotschlamm enthaltenes Eisenoxid in verarbeitbares Eisen umgewandelt wird. So lässt sich aus den Abfällen der Aluminiumproduktion CO2-freier Stahl gewinnen.

Prognosen zufolge dürfte die Nachfrage nach Stahl und Aluminium bis zum Jahr 2050 um bis zu 60 Prozent steigen. Bei der Aluminiumproduktion fallen jährlich etwa 180 Millionen Tonnen Rotschlamm an, der Spuren von Schwermetallen wie etwa Chrom enthält. Er ist zudem stark ätzend und greift unter anderem die Betonwände von Deponien an, in denen er aufwändig getrocknet und entsorgt wird. Auch löste er bereits mehrmals Umweltkatastrophen aus, so etwa in China 2012 oder in Ungarn 2010. Derweil zeichnet die Stahlindustrie schon jetzt für acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich und belastet dadurch die Umwelt.

Die CO2-Bilanz verbessern
„Unser Prozess könnte gleichzeitig das Abfallproblem der Aluminiumproduktion lösen und die CO2-Bilanz der Stahl­industrie verbessern“, unterstreicht Matic Jovičevič-Klug, der als Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Eisenforschung maßgeblich an der Arbeit beteiligt war. Denn der Abfall der Aluminiumproduktion besteht aus bis zu 60 Prozent Eisenoxid.

Dazu schmelzen die Max-Planck-Wissenschaftler den Rotschlamm in einem Lichtbogenofen und reduzieren das darin enthaltene Eisenoxid gleichzeitig mit einem Plasma, das zehn Prozent Wasserstoff enthält, zu Eisen. Bei diesem Prozess – im Fachjargon Plasmareduktion genannt – trennt sich das flüssige Eisen von den flüssigen Oxiden und lässt sich anschließend einfach abscheiden. Die Umwandlung dauert rund zehn Minuten. Das gewonnene Eisen soll schließlich so rein sein, dass es sich direkt zu Stahl weiterverarbeiten lässt.

Treibhausgas-Emissionen vermieden
Die resultierenden Metalloxide sind nicht mehr ätzend und erstarren beim Abkühlen zu einem glasartigen Material, das sich etwa in der Bauindustrie als Füllmaterial einsetzen lässt. Andere Forschungsgruppen haben aus Rotschlamm in einem ähnlichen Ansatz mit Koks Eisen erzeugt, wobei stark verunreinigtes Eisen und große Mengen CO2 entstehen.

Mit „grünem“ Wasserstoff als Reduktionsmittel werden diese Treibhausgas-Emissionen vermieden. „Wenn man aus den vier Milliarden Tonnen Rotschlamm, die bei der weltweiten Aluminiumproduktion bislang angefallen sind, mit grünem Wasserstoff Eisen erzeugen würde, könnte die Stahlindustrie fast 1,5 Milliarden Tonnen CO2 einsparen“, schätzt Isnaldi Souza Filho, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Eisenforschung.

Schwermetalle gebunden
Auch die Schwermetalle im Rotschlamm lassen sich mit dem Verfahren sozusagen entschärfen. „Chrom haben wir nach der Reduktion im Eisen nachgewiesen“, erklärt Matic Jovičevič-Klug. „Auch andere Schwer- und Edelmetalle gehen wahrscheinlich ins Eisen oder einen separaten Bereich über. Das werden wir in weiteren Studien untersuchen. Wertvolle Metalle könnte man dann abtrennen und weiterverwenden.“ Zusätzlich seien Schwermetalle, die in den Metalloxiden zurückbleiben, darin fest gebunden und könnten nicht mehr mit Wasser ausgeschwemmt werden, wie dies beim Rotschlamm passieren kann.

Auch wirtschaftlich rentabel
Das Verfahren, um mit Strom aus „grünem“ Wasserstoff Eisen direkt aus Rotschlamm zu erzeugen, nützt aber nicht nur der Umwelt. Der Prozess lohnt sich auch ökonomisch, wie das Forschungsteam in einer Kostenanalyse nachgewiesen hat. Mit Wasserstoff und einem Strommix für den Lichtbogenofen aus nur teilweise regenerativen Quellen lohnt sich das Verfahren bereits, wenn der Rotschlamm 50 Prozent Eisenoxid enthält. Berücksichtigt man noch die Kosten für die Entsorgung des Rotschlamms, reichen darin sogar nur 35 Prozent Eisenoxid, um den Prozess wirtschaftlich zu machen.

Mit „grünem“ Wasserstoff und Strom ist bei den heutigen Kosten – den Aufwand für die Deponierung des Rotschlamms eingerechnet – ein Anteil von 30 bis 40 Prozent Eisenoxid nötig, damit das entstehende Eisen am Markt konkurrenzfähig ist. „Das sind vorsichtige Abschätzungen, weil die Kosten für die Entsorgung des Rotschlamms wahrscheinlich eher niedrig berechnet sind“, sagt Isnaldi Souza Filho. Ein weiter Vorteil aus Sicht der Praxis: Lichtbogenöfen sind in der Metallindustrie – auch in Aluminiumhütten – weitverbreitet, da sich damit Altmetall einschmelzen lässt. In vielen Fällen müsste die Branche also nur wenig investieren, um nachhaltiger zu werden.

Die Industrie ist am Zug
„Uns war es wichtig, in unserer Studie auch die ökonomischen Aspekte zu berücksichtigen“, sagt Dierk Raabe, Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung. „Jetzt kommt es auf die Industrie an, ob sie die Plasmareduktion von Rotschlamm zu Eisen auch einsetzt.“ Jedenfalls könnten sich auf diese Weise aus den vier Milliarden Tonnen Rotschlamm, die sich bislang weltweit angesammelt haben, knapp 700 Millionen Tonnen CO2-freier Stahl gewinnen lassen. Das entspricht einem guten Drittel der jährlichen Stahlproduktion weltweit.

mpie.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 03/2024, Seite 34, Foto: pixabay.com)