Reifenrecycling: „Die Pyrolyse ist nicht länger der arme Verwandte der Recyclingindustrie“

Die Pyrolyse entwickelt sich zu einer „echten Lösung“ für die Verwertung von Altreifen. Das erklärte Robert Weibold in seinem Vortrag, der die Sitzung des Tyres & Rubber Committee im Rahmen der BIR World Recycling Convention & Exhibition im Mai in Kopenhagen eröffnete. Das Verfahren sei besser als sein Ruf, die Technologie werde immer ausgefeilter. Nachhaltige Rohstoffe seien dadurch verfügbar.

Der Geschäftsführers des in Österreich ansässigen Reifenrecycling- und Pyrolyse-Beratungsunternehmens Robert Weibold GmbH präsentierte Zahlen zum Marktgeschehen: Jährlich werden weltweit aus Reifen rund 1,7 Millionen Tonnen Reifenpyrolyseöl (engl. Tyre Pyrolysis Oil, kurz: TPO) und 1,2 Millionen unbehandelte Kohle produziert sowie 180.000 Tonnen Ruß (engl. recycled Carbon Black, kurz: rCB) rückgewonnen, gemahlen und pelletiert.

Der Schwerpunkt verlagert sich
Weibold geht davon aus, dass die jährliche rCB-Produktion in drei bis fünf Jahren 500.000 Tonnen übersteigen wird. Das Endprodukt könne reinen Ruß (engl. virgin Carbon Black, kurz: vCB) in einer Reihe von Anwendungen ersetzen, einschließlich der in neue Reifen eingearbeiteten Butylauskleidungen, Innenauskleidungsträger, Seitenwände und Laufflächen. Die Nachfrage nach rCB ist dem Experten zufolge stark gewachsen. Der Preis für Pellets kopple sich allmählich von dem für vCB ab. Laut Weibold führt die steigende Nachfrage nach TPO in immer mehr Regionen zur Abkopplung von den Rohölpreisen. Obwohl der überwiegende Teil des TPO immer noch als Kraftstoff verwendet werde, verlagere sich der Schwerpunkt langsam auf Anwendungen mit geschlossenem Kreislauf.

Europas jährliche Pyrolysekapazitäten liegen nach Kenntnis von Weibold derzeit bei 62.400 Tonnen Altreifen, was 1,4 Prozent der weltweiten Gesamtmenge entsprechen würde. Es wird jedoch ein Ausbau der Kapazitäten erwartet. In drei bis fünf Jahren könnten die Verarbeitungsmengen auf 671.900 Tonnen pro Jahr – oder elf Prozent der geschätzten weltweiten Altreifen-Menge – ansteigen.

Max Craipeau, Vorsitzender des BIR Tires & Rubber Committee und für Greencore Resources Ltd. mit Sitz in China tätig, stellte fest, dass die Pyrolyse auch in den USA an Bedeutung gewinnt: „Es beginnt sich zu einer sehr attraktiven Branche zu entwickeln. Die Pyrolyse ist nicht länger der arme Verwandte der Recyclingindustrie.“

Michael Christensen informierte über die Aktivitäten von Genan A/S. Das dänische Recyclingunternehmen verarbeitet pro Tag bis zu 150.000 Altreifen zu Gummipulver, Granulat, Pellets, Beschichtungen und Füllmaterialien. Mit einem großen Automobilhersteller laufen derzeit Tests, um den Einsatz von Textilien, die rund zehn Prozent der Output-Fraktionen der Altreifen-Verarbeitung ausmachen, in Absorbern zu bewerten. Beim Vergleich der Umweltvorteile des Materialrecyclings mit der Mitverbrennung in Zementöfen bezifferte Christensen die Treibhausgaseinsparung auf 700 Kilogramm CO2 pro Tonne Reifen.
Das schwedische Recyclingunternehmen SDAB, vertreten durch CEO Fredrik Ardefors, unterstützt die Entwicklung von Gummibeton und Modeartikeln wie Schuhen und Taschen, die aus Altreifen hergestellt werden. SDAB steht außerdem hinter dem „End-of-Life Tyre Research Portal“ (ELTRP), das einen einfachen Zugang zu wissenschaftlichen Fakten über das Material ermöglicht, darunter chemische Zusammensetzung, Leistung, Materialverwendung, Gesundheit/Umwelt und Produkte.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2024, Seite 30, Foto: O. Kürth)