BIR-Kongress in Singapur: Von Restriktionen, mangelnder Einigkeit und anderen Barrieren

Das Bureau of International Recycling (BIR) konnte bei seiner Tagung 2024 in Singapur mehr als 1.200 Teilnehmer aus über 570 Unternehmen begrüßen, die aus 59 Ländern der Erde angereist waren.

BIR-Präsidentin Susie Burrage (Recycled Products Ltd, UK) stellte in ihrer Begrüßungsrede heraus, dass Singapur für den Weltrecyclingverband ein wichtiger Tagungsort ist: Zum einen ist Asien ein bedeutender Abnehmer von Recyclingmaterialien, und zum anderen wächst die Zahl der asiatischen BIR-Mitglieder.

Der Wille zum weltweiten Handel ist bei den Beteiligten vorhanden, obwohl Restriktionen ihnen das Leben schwer machen. Während der Zusammenkunft des Internationalen Handelsrates (International Trade Council) plädierte Sanjay Mehta, Direktor der Material Recycling Association of India (MRAI), dafür, dass der Handel zwischen Indien und Europa fortgesetzt wird, nachdem die EU ihre Exportregeln im Hinblick auf Schrott und Abfälle geändert hat. Seiner Meinung nach ist es „wirklich entmutigend“, wenn entwickelte Länder Restriktionen verhängen, weil sie befürchten, Indien würde Umweltverschmutzungen verursachen und die Umwelt schädigen. Laut Sanjay Mehta sollte nicht vergessen werden, dass Indien das am schnellsten wachsende Land der Welt ist. Sollten solche Verordnungen verhängt werden, werde das nicht nur Indien betreffen, sondern auch die gesamte internationale Recyclingbranche.

Bei dem Treffen des Internationalen Umweltrates ging es um den möglichen „Global Plastics Treaty“ der Vereinten Nationen

Indien hat bis zum 21. Februar 2025 Zeit, der Europäischen Kommission mitzuteilen, welche Materialien das Land importieren möchte. Nach Ansicht der EU können „nicht gefährliche Abfälle” (non-hazardous waste) nur aus Europa exportiert werden, wenn sichergestellt ist, dass sie in indischen Anlagen umweltgerecht von unabhängigen Gutachtern auditierten Firmen behandelt werden. Wie der MRAI-Vertreter hervorhob, ist er zu 100 Prozent optimistisch, dass die indische Regierung die notwendigen Angaben machen wird. Zudem legten die indischen Behörden eine sehr positive Einstellung zum Recycling an den Tag, indem sie verschiedene Vorgehensweisen vorschlagen, einschließlich des vorgeschriebenen Anteils an Recyclingmaterial und der erweiterten Herstellerverantwortung für NE-Metalle, Kunststoffe, Reifen, elektrische und elektronische Geräte, Altautos und Batterien. Wie der Redner weiter betonte, geht er davon aus, dass die existierenden Einfuhrzölle für NE-Metallschrott bis zum Jahr 2027 aufgehoben werden.

Mögliche Folgen der US-Wahl
Während der Sitzung des Internationalen Handelsrats waren die Präsidentschaftswahlen in den USA ebenfalls ein Thema. Ein Sieg von Kamala Harris hätte vielleicht mehr Stabilität im globalen Handel – auch mit den USA – bedeutet, vermutete Brian Henesey (Rocky Mountain Recycling Inc., USA).

Wahlgewinner Donald Trump hingegen „liebt“ laut Brian Henesey Zölle, weil er glaube, auf diese Weise das Haushaltsdefizit verringern zu können. Gleichzeitig sei dies ein Weg, die amerikanische Industrie und ihre Arbeitsplätze zu schützen und Druck auf Länder auszuüben, damit sie ihre „unfairen Handelspraktiken ändern“. In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, dass Donald Trump versprochen hat, auf chinesische Produkte Zölle im Umfang von 60 Prozent zu erheben. Henesey zeigte sich überzeugt, dass die Einfuhrzölle bleiben. Als Antwort schlug er vor, dass die Recyclingwirtschaft eine globale Strategie für aufbereitete Materialien entwickelt, um zu unterstreichen, dass es sich nicht um Abfälle handelt. Zudem sollte – seiner Ansicht nach – die Branche weltweit mit den politischen Entscheidungsträgern kommunizieren und auch betonen, dass rezyklierte Materialien natürliche Ressourcen schützen.

Handelsbarrieren wenig hilfreich
Der kürzlich gewählte Vorsitzende des International Trade Council, Emmanuel Katrakis (Galloo, Belgien und Frankreich), hob seine Erfahrungen während seiner Lobbying-Zeit für die Recyclingbranche hervor. Teil des Antriebs der Interessenvertretung sei die bevorstehende Veröffentlichung des Positionspapiers zum freien Handel. In diesem Zusammenhang betonte er, dass die effizientesten Instrumente für den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Kreislaufwirtschaft nicht Handelsbeschränkungen seien, sondern Ziele für den Recyclinganteil in Produkten, die die Nachfrage nach rezyklierten Materialien antreiben.

Das Positionspapier
Das BIR vertritt den Standpunkt, dass Regierungen mit ihren Interventionen nicht nur Unternehmen und Arbeitsplätze, sondern auch Recyclingquoten gefährden. Außerdem würde auf diese Weise die Realisierung von Nachhaltigkeitszielen beeinträchtigt und der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft untergraben, betonte der Weltrecyclingverband in einem Papier, das während der BIR-Tagung vom „World Council of Recycling Associations“ in Singapur verabschiedet wurde. Um solche ungewollten Folgen zu verhindern, unterstreicht das Dokument mit der Überschrift „Free Trade of Recyclables and Recycled Materials“, dass die Recyclingindustrie dort repräsentiert sein muss, wo politische Entscheidungen den Handel mit Recyclingmaterialien betreffen.

Sanjay Mehta: Die indischen Behörden sind gegenüber Recycling sehr positiv eingestellt

Wie das BIR weiter hervorhebt, sind Recyclingmaterialien nach wie vor der Schlüssel, um als Alternative zu natürlichen Ressourcen den Klima-Herausforderungen zu begegnen. Aber um wettbewerbsfähig zu sein, benötige die globale Recyclingwirtschaft einen stabilen Marktzugang. Aus diesem Grund sollten die staatlichen Maßnahmen den freien und fairen Fluss dieser Materialien sicherstellen.

Obwohl dieser Handel die effiziente Versorgung mit den benötigten Rohstoffen ermögliche, hätten weltweit Regierungen politische Maßnahmen ergriffen, die den grenzüberschreitenden Warenfluss behinderten. Ungerechtfertigte Steuerverpflichtungen, Exportquoten und Verbote sowie zusätzliche administrative Bürden sorgten für ungleiche Wettbewerbsbedingungen und behinderten den Einsatz von sekundären Rohstoffen – zum Wohl von Primärerzeugern und Produzenten von entsprechenden Produkten.

Die Einmischung in das effiziente Funktionieren des internationalen Recyclingmarktes werde weniger Investitionen und Recycling nach sich ziehen, so die Warnung in dem BIR-Positionspapier. Ein unberechenbares regulatorisches Umfeld beeinträchtige langfristige Investitionsentscheidungen und gefährde zahlreiche Recyclingunternehmen und damit verbundene Arbeitsplätze.

Wie der internationale Verband weiter konstatierte, unterstreicht sein Positionspapier die zentrale Bedeutung des internationalen Handels von Materialien zur Verwertung sowie von Recyclingprodukten. Der globale Handelswert von sekundären Materialien wurde im Jahr 2019 auf mehr als 130 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das BIR geht davon aus, dass die globale Recyclingwirtschaft jährlich über 600 Millionen Tonnen an Materialien zur Verwertung aufbereitet.

Ziel: Ein globales Kunststoff-Abkommen
Bei dem Treffen des Internationalen Umweltrates (International Environment Council) stand das angestrebte Ziel von rechtsverbindlichen Vereinbarungen zur Steuerung der weltweiten Kunststoffproduktion auf der Tagesordnung. Der von den Vereinten Nationen beworbene „Global Plastics Treaty“ wird wahrscheinlich noch auf sich warten lassen, denn in Singapur war zu hören, dass „wenig ehrgeizige“ Länder eine solche Vereinbarung verzögerten, während Erzeuger von Kunststoffen aus der Petrochemie Lobbyarbeit leisteten, um von Maßnahmen hinsichtlich des Kunststoff-Lebenszyklus‘ ausgenommen zu werden.

Olivier François (Galloo, Belgien und Frankreich), Vorsitzender des BIR-Umweltrats, widmete die gesamte Sitzung diesem Thema. Den Angaben zufolge starteten die Verhandlungen im Jahr 2022. Es waren fünf Sitzungen vorgesehen, wobei die Abschlusskonferenz im November in Südkorea stattfinden sollte. Die Vertragsunterzeichnung könnte Mitte kommenden Jahres erfolgen.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2024, Seite 6 – von Brigitte Weber -, Fotos: Hans-Jürgen Schwanke)