Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie – ein Schritt nach vorn?

Das Bundeskabinett hat die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) verabschiedet. Sie folgt dem Leitgedanken, den primären Rohstoffverbrauch in Deutschland insgesamt zu senken, Stoffkreisläufe zu schließen und den Wert von Rohstoffen und Produkten möglichst lange zu erhalten. Damit schafft die Bundesregierung – nach eigener Aussage – einen langfristigen Orientierungsrahmen für den Umstieg auf eine nachhaltige zirkuläre Wirtschaftsweise, die Innovationen stärkt und Deutschland von Rohstoffimporten unabhängiger macht. Die Branche bewertet die Umsetzung jedoch kritisch.

Mit der Veröffentlichung der NKWS geht ein neues Online-Angebot unter www.kreislaufwirtschaft-deutschland.de an den Start. Die Website versteht sich als Informations-Hub rund um die Kreislaufwirtschaftsstrategie und die damit verbundene Transformation hin zu einer zirkulären Wirtschaft und Gesellschaft. Download der Strategie und eines BMUV-Infopapiers zur NKWS unter diesem Link: https://www.bmuv.de/DL3288

Nach den Vorstellungen soll bis 2045 der jährliche Verbrauch erheblich reduziert werden. Die NKWS orientiert sich dabei an dem Vorschlag des International Resource Panel, den Verbrauch pro Kopf langfristig auf sechs bis acht Tonnen zu senken. Derzeit liegt er bei rund 16 Tonnen. Bisher sind nur 13 Prozent der eingesetzten Materialien Sekundärrohstoffe; diesen Anteil gilt es bis 2030 zu verdoppeln. Auch greift die NKWS die Ziele des Critical Raw Materials Act für strategische Industrierohstoffe auf, um die Unabhängigkeit von Rohstoffimporten zu stärken. Danach verfolgt die EU, 25 Prozent des Bedarfs an strategischen Rohstoffen bis 2030 durch Recycling zu decken. Pro Kopf sollen bis zum Jahr 2030 zehn Prozent und bis 2045 20 Prozent weniger Abfall produziert werden, jeweils im Vergleich zum Jahr 2020.

Handlungsfelder, Maßnahmen, Instrumente
Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft umfasst alle Wirtschafts- und Lebensbereiche. In der Strategie liegt der Fokus auf elf prioritären Handlungsfeldern, die ein besonders hohes Potential für zirkuläres Wirtschaften bieten: Digitalisierung, zirkuläre Produktion, Fahrzeuge und Batterien, Mobilität, IKT und Elektro(nik)geräte, Erneuerbare Energien-Anlagen, Bekleidung und Textilien, Bau und Gebäudebereich, Metalle, Kunststoffe und öffentliche Beschaffung.

In der Umsetzung müssen alle Stationen des Nutzungszyklusses von Produkten berücksichtigt werden: die Gestaltung von Produkten, die Auswahl der Materialien, die Produktion, die Nutzungsphase, in der „Langlebigkeit“, Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit entscheidend sind, und schließlich das Recycling. Kreislaufwirtschaft soll dazu beitragen, dass Abfall gar nicht erst entsteht und Rohstoffe, soweit es geht, im Kreislauf geführt werden. Dies gilt für Smartphones oder Textilien genauso wie für Baustoffe oder Industriemetalle.

Die Ziele der NKWS sollen durch konkrete Maßnahmen und Instrumente umgesetzt werden. Beispiele sind Standards für langnutzbare Produkte, die Einführung digitaler Produktpässe, Rezyklateinsatzquoten für Kunststoffe auf EU-Ebene, Weiterentwicklung des Rechts auf Reparatur für Verbraucher oder die gezielte Nutzung der öffentlichen Beschaffung für die Kreislaufwirtschaft. Maßnahmen sind sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene erforderlich. Bei der Umsetzung wird die Fortführung des Stakeholder-Dialogs und der erfolgreichen gemeinsamen Arbeit als entscheidend erachtet. Eine Plattform für Kreislaufwirtschaft soll dafür die Grundlage schaffen.

Kreislaufwirtschaft als Wirtschaftsfaktor
Eine Wirtschaft, die immer mehr neue (primäre) Rohstoffe braucht, ist auf Dauer weder ökonomisch noch ökologisch tragfähig. Die Wirtschaft der Zukunft wird daher eine Kreislaufwirtschaft sein, die den Wert von Rohstoffen und Produkten so lange wie möglich erhält. Nicht zuletzt deshalb macht Kreislaufwirtschaft die Wirtschaft unabhängiger und wettbewerbsfähiger – denn Rohstoffe sind oft knapp und teuer, Lieferketten gestört und risikoanfällig. Sie eröffnet außerdem neue wirtschaftliche Chancen durch neue Geschäftsmodelle. Damit das gelingt und Deutschland zu einem Leitmarkt für die Circular Economy werden kann, sind die richtigen politischen Rahmenbedingungen entscheidend.

Dies zahlt sich wirtschaftlich aus: Der Bundesverband der Deutschen Industrie und das Beratungsunternehmen Deloitte gehen davon aus, dass die Kreislaufwirtschaft bis 2030 die jährliche Bruttowertschöpfung der deutschen Wirtschaft um zwölf Milliarden Euro steigern und rund 120.000 neue Arbeitsplätze schaffen kann.

Unverbindliches Leidbild
Die Deutsche Umwelthilfe zeigt sich enttäuscht von der NKWS. DUH-Bundesgeschäftsführin Barbara Metz erklärte: „Aus dem ursprünglich geplanten Ziel zur Verringerung des Verbrauchs von Primärrohstoffen wie Metall, Holz, Erdöl oder Sand von heute 16 Tonnen pro Kopf und Jahr auf nur noch acht Tonnen im Jahr 2045 ist ein unverbindliches Leitbild geworden. Es fehlt zudem ein ambitioniertes und verbindliches Zwischenziel für das Jahr 2030. Ohne dieses droht die Lösung unseres Ressourcenproblems einfach in die Zukunft verschoben zu werden.“

Die nächste Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass die Verringerung des Verbrauchs von Primärressourcen zu einem verpflichtenden Ziel und Abfallvermeidung, Mehrwegförderung, Reparatur und Rezyklateinsatz über europäische Mindestvorgaben hinaus durch konkrete Vorgaben in die Umsetzung gebracht werden.

Gegebenenfalls nachjustieren
Der TÜV-Verband begrüßt die Verabschiedung der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie noch in dieser Legislaturperiode. „Die NKWS kann einen entscheidenden Beitrag leisten, um ‚Made in Germany‘ auch im Kontext der Kreislaufwirtschaft als echtes Werte- und Qualitätsversprechen zu etablieren“, meint Referentin Juliane Petrich. Unabhängige Prüforganisationen wie die TÜV-Unternehmen würden bei der Umsetzung eine Schlüsselrolle spielen. Die nächste Bundesregierung wird aufgefordert, die Zielerreichung mit einem umfassenden Maßnahmenplan zu unterlegen, kontinuierlich zu überprüfen und gegebenenfalls nachzujustieren.

Unzureichend berücksichtigt
Der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung sieht Nachbesserungsbedarf. „Die Strategie bleibt zu allgemein und verweist oft auf zukünftige EU-Regelungen, statt konkrete nationale Maßnahmen zu ergreifen“, bemängelt Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. „Besonders die mittelständischen Unternehmen in der Recyclingbranche fühlen sich unzureichend berücksichtigt. Gezielte Fördermaßnahmen fehlen, während Großprojekte bevorzugt werden. Das werkstoffliche Recycling wird dabei sträflich vernachlässigt.“

Ein zentraler Kritikpunkt des bvse ist die langwierige Bürokratie bei Genehmigungsverfahren für Recyclingprojekte: „Wir erleben immer wieder Verzögerungen und ständige behördliche Nachforderungen, die für die Unternehmen ein unkalkulierbares Risiko darstellen.“ Rehbock spricht sich für eine Privilegierung von Recyclingprojekten aus, um Investitionen zu erleichtern, die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu stärken und nicht zuletzt einen Großteil der Rohstoffversorgung zu sichern. Die Umsetzung der NKWS müsse konkreter und praxisnäher erfolgen.

Braucht klare und faire Regeln
Die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen will sich aktiv in die Ausgestaltung einbringen. Gebraucht würden klare und faire Regeln für die Nutzung von recycelten Materialien, Anreize für ökologisch nachhaltige Verpackungen, Unterstützung für Investitionen in weiter optimierte Recyclingtechnologien und eine verbesserte Infrastruktur für Abfalltrennung und -sammlung. Vor allem eine faktenbasierte Regelung zum Einsatz von Polyolfin-Rezyklaten in Verpackungen von kontaktsensitiven Produkten sei zwingend notwendig. „Aktuell ist die fehlende regulatorische Klarheit ein großer Hemmschuh beim Weiterentwickeln der Rezyklatanteile im Verpackungsbereich“, stellt IK-Präsident Georg Pescher fest.

Expertise einbeziehen
Die Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV) fordert die Bundesregierung auf, die Expertise der Stahlrecyclingbranche bei der weiteren Ausarbeitung und Umsetzung der Strategie, die hinter den Erwartungen zurückbleibt, stärker einzubeziehen. Eine enge Kooperation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sei unerlässlich, um das volle Potenzial der Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen.

BDSV-Hauptgeschäftsführerin Dr. Claudia Conrads vermisst verlässliche Rahmenbedingungen und eine klare Vision, wie die ambitionierten Ziele umgesetzt werden sollen. Die geplanten Förderprogramme und Instrumente wie der KfW-Rohstofffonds oder Transformationsbürgschaften müssten konkretisiert und auf die Bedürfnisse der Branche zugeschnitten werden. Dabei gelte es, den Ausbau bestehender Infrastruktur wie Sammel- und Sortieranlagen nicht zu vernachlässigen. Dringend erforderlich sei ein einheitlicher rechtlicher Rahmen und verbindliche Qualitätsstandards für Sekundärrohstoffe, um die Wettbewerbsfähigkeit und Akzeptanz von Rezyklaten auf den Märkten zu stärken. Bürokratische Hürden, beispielsweise bei Genehmigungsverfahren, müssten abgebaut werden, um Innovationen und Investitionen zu erleichtern.

Ein blinder Fleck
Stefan Winklhofer, IT Director und Prokurist der Green IT Solution GmbH, die Unternehmen ganzheitlich bei ihrem Umgang mit gebrauchter IT-Hardware unterstützt, ordnet die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie als wichtigen Schritt in die richtige Richtung ein – ihr mangele es aber an Schlagkraft. Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie sehe zwar vor, das europaweite Recht auf Reparatur konsequent umzusetzen und mit einem Förderprogramm zu unterstützen. Wer aber dafür die Kosten übernehmen soll und wie eine langfristige Finanzierung aussehen könnte, sei nicht klar. „Außerdem“ – hebt Winklhofer hervor – „lässt auch die NKWS, genauso wie das ‚Right to Repair‘, einen zentralen Aspekt außen vor: Es ist wesentlich entscheidender, dass für Unternehmen Anreize für die Wiederaufbereitung ihrer IT-Geräte geschaffen werden, als für Privatpersonen. Unternehmen nutzen viel mehr IT-Hardware; für einen wirklichen Fortschritt bei der Kreislaufwirtschaft muss es für sie attraktiv gemacht werden, ihre Laptops, Smartphones & Co. nach einer gewissen Zeit nicht schreddern, sondern sie standardisiert wiederaufbereiten zu lassen. Beim aktuellen Entwurf der NKWS ist das ein blinder Fleck, den wir uns mit Blick auf den Klimawandel nicht leisten können.“

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2025, Seite 11, Abb.: Screenshot Infopapier Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (BMUV))