Was die Schweiz aus ihrem Holz macht

In der Schweiz besteht noch erhebliches Potenzial, was die nachhaltige Holznutzung betrifft. Forschende der Institute Empa und WSL haben die Materialflüsse von Holz genau analysiert – und ungenutzte Möglichkeiten entdeckt.

Für ihre Analyse nutzten die Forschenden Daten für das Jahr 2020 aus 21 verschiedenen Quellen – eine methodische Herausforderung, denn die Angaben in den unterschiedlichen Quellen stimmten nicht immer überein. Holz ist ein vielfältiger Rohstoff, der auf dem Weg von der Ernte zur Anwendung zahlreiche Formen annehmen kann, die sich oft in Volumen und Feuchtigkeitsgehalt unterscheiden: Rohholz, Schnittholz, Holzspäne, Holzfasern für die Papierindustrie und vieles mehr. Die Harmonisierung der unterschiedlichen Holzflüsse war daher eine Mammutaufgabe.

Grafik: Empa

Doch der Aufwand hat sich gelohnt. „Vergleichbare Studien aus dem Ausland setzen stark auf Modellierung. Sie haben Daten dazu, wie viel Holz im Wald geerntet wird, und berechnen daraus die weiteren Materialflüsse“, erklärt die Erstautorin der Studie, Nadia Malinverno aus dem Empa-Labor „Technologie und Gesellschaft“. Das Team der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) verwendete dagegen fast durchgehend „echte“ Daten: von der Holzernte und dem Import/Export über die Verarbeitung bis hin zu Recycling und Entsorgung. Dadurch ergibt sich ein wesentlich genaueres Bild – wenn auch kein perfektes, betont Malinverno. „Die gute Datenlage in der Schweiz haben wir vor allem unseren Kolleginnen und Kollegen von der WSL und dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) zu verdanken“, ergänzt Co-Autorin und Empa-Forscherin Claudia Som.

Holz soll möglichst lange Holz bleiben
Das Fazit: In der Schweiz besteht noch erhebliches Potenzial, was die nachhaltige Holznutzung betrifft. So beträgt die Recyclingrate beim Holz gerade einmal knapp acht Prozent – beim Papier sind es an die 70. Außerdem: „Von den fünf bis sieben Millionen Kubikmetern Holz, die wir in der Schweiz jährlich ernten, werden rund 40 Prozent direkt energetisch genutzt – sprich verbrannt“, weiß Malinverno. Das ist keineswegs ideal, sind sich die zwei Autorinnen einig: „Damit das Holz seine Funktion als CO2-Speicher erfüllt, sollte es möglichst lange als Material in der Technosphäre verbleiben.“

 

Das Swiss Center of Excellence on Net-Zero Emissions (SCENE) ist eine gemeinsame Initiative aller sechs Institutionen des ETH-Bereichs, die teilweise vom Rat der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) finanziert wird. Gemeinsam betreiben die Partner interdisziplinäre Forschung, um die Schweiz bei der Erreichung des Netto-Null-Ziels bis ins Jahr 2050 zu unterstützen. Die beiden Empa-Labore „Technologie und Gesellschaft“ und „Cellulose and Wood Materials“ arbeiten gemeinsam mit dem Paul Scherrer Institut (PSI) und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) am Arbeitspaket „Biomasse-Kohlenstoffkreislauf“.

 

Die Vision der Forscherinnen und der SCENE-Initiative (siehe Kasten) sieht die Kaskadennutzung von Holz vor. Darin würde ein gefällter Baum zuerst zu möglichst großen und hochwertigen Werkstücken verarbeitet werden – etwa zu Balken und Brettern für den Bau. In dieser Funktion sollte das Holz dann so lange wie möglich wiederverwendet werden. Erst wenn das nicht mehr geht, würde es zerkleinert und in die nächste Materialstufe überführt, beispielsweise als kleinere Bretter, Holzspäne oder Holzwerkstoffe. Und in den Ofen sollte das Holz erst dann kommen, wenn keine weitere Materialnutzung mehr möglich ist.

Diese Kaskade ist nur ein mögliches Beispiel. Welche Holznutzungen ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll sind, wollen die Forschenden im Rahmen von SCENE noch näher untersuchen. Eines der Ziele ist auch, ausgewählte Materialströme genauer unter die Lupe zu nehmen: In welcher Form liegt das Holz in einem bestimmten Fluss vor? Wo genau fällt es an? Wie ist es behandelt? Und wie könnte man es sonst noch verwenden? All diese Fragen beschäftigen Nadia Malinverno, Claudia Som und ihre Mitforschenden in den nächsten Jahren.

Die Studie wurde in der Zeitschrift „Industrial Ecology“ veröffentlicht. Der Artikel steht unter dora.lib4ri.ch/wsl/islandora/object/wsl%3A38057 zum Download zur Verfügung.

scene-project.ch, empa.ch

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2025, Seite 22, Foto: O. Kürth)