Abfallwirtschaft in Italien: Die Strategie der Regierung greift nicht

Klare normative Rahmenbedingungen sind nicht gegeben. Überholte Definitionen von Recyclingmaterialien bremsen die Aktivitäten der nationalen Branche aus, was auch der instabilen politischen Lage im Land – häufige Regierungswechsel in kurzer Folge – geschuldet ist. Indes wächst der Druck seitens der Europäischen Union, in Sachen Abfallwirtschaft endlich die erforderlichen Hausaufgaben zu machen.

Nach Lage der Dinge nicht zu schaffen

Die Abfalltransporte von Süditalien gen Norden nahmen zuletzt wieder an Fahrt auf. So wurden rund 7.000 Tonnen Hausmüll, die seit Jahren in einer Deponie in Battipaglia nahe Saerno lagerten, in Niederösterreich entsorgt. Über 300 Lkw-Transporte gingen zur Firma Zöchling in St. Pölten. Die Grünen Niederösterreich fordern klare und bessere Regelungen für derartige Transfers, die wohl auch in nächster Zeit nicht ausbleiben werden. Wenn Gemeinden und Regionen „unfähig sind, ihren Hausmüll zu entsorgen“, sollten die jeweiligen EU-Länder in die Pflicht genommen werden. Die Entsorgung müsse in den Verursacherländern stattfinden. Gemäß den Vorgaben der Europäischen Union muss Italien bis zum Jahr 2035 den Anteil an kommunalen Abfällen, die deponiert werden – nach offiziellen Angaben nur 23 Prozent vom gesamten Abfallaufkommen, was zu bezweifeln ist – auf mindestens zehn Prozent reduzieren. Im gleichen Zeitraum gilt es, den Recyclinganteil von 47 auf 65 Prozent zu erhöhen. Das wären pro Jahr vier bis fünf Millionen Tonnen zusätzliche Kommunalabfälle zum Recyceln – nach Lage der Dinge nicht zu schaffen: Bis heute verfügen viele Regionen in Mittel- und Süditalien über keine Müllverbrennungsanlagen, geschweige denn über Recyclingkapazitäten. Auf Sizilien gibt es keine MVA. Der Bau neuer Verbrennungsanlagen scheitert oft am Widerstand der lokalen Bevölkerung, sodass Abfälle zur Entsorgung ins Ausland verbracht werden müssen.

Nach Informationen von Germany Trade & Invest (GTAI) stoßen die vorhandenen MVA in Italien an ihre Kapazitätsgrenzen. In Süditalien werden Müllverbrennungsanlagen mit Energiegewinnung für 400.000 Tonnen und Behandlungsanlagen für 1,5 Millionen Tonnen organischer Materialien benötigt. Sizilien braucht Verbrennungsanlagen für 500.000 Tonnen Hausmüll und Behandlungsanlagen für 700.000 Tonnen organischer Abfälle. Und auch in Nord- und Mittelitalien gibt es Bedarf. So fehlen in Norditalien Kompostierungsanlagen für etwa 200.000 Tonnen organischer Abfälle und in Mittelitalien MVA für 900.000 Tonnen Hausmüll.

Fünfzehn neue Anlagen zur Energiegewinnung könnten Deponien mit rund zwei Millionen Tonnen gelagerter Reststoffe des Gewerbemülls entlasten. Überhaupt werden italienweit 28 Deponien für ungefährliche und neun Deponien für Sondermüll und gefährliche Abfälle benötigt. Aufgrund einer restriktiveren Gesetzgebung in immer mehr Landesteilen ist auch das Problem der Klärschlamm-Entsorgung nicht gelöst. Klärschlamm darf vielerorts nicht mehr landwirtschaftlich verwendet oder deponiert werden. Grundsätzlich müssen sich die künftigen Anlagenbetreiber auf lange und auch verzögerte Genehmigungsverfahren seitens der Provinzen und Gemeinden gefasst machen. Öffentliche Ausschreibungen sind bislang nicht an den Einsatz von Recyclingmaterialien gebunden.

Mehr Abfalltrennung, aber noch zu wenig Recycling

Verbessert hat sich die Abfalltrennung in Italien auf eine landesweite Quote von 55 Prozent. Vor allem die nördlichen Regionen sind hier vorbildhaft. In der Lombardei, Venetien und der Emilia-Romagna liegt die Abfalltrennung sogar bei bis zu 65 Prozent. Das Pro-Kopf-Aufkommen an Abfällen bewegt sich unter dem europäischen Durchschnitt, und die italienischen Unternehmen führen zu über 60 Prozent ihre Abfälle einer Verwertung zu.

Das Recycling von Papier (20 Prozent), Plastik (8 Prozent), Glas (12 Prozent) und Holz (5 Prozent) hinkt im europäischen Vergleich aber deutlich hinterher. Denn dafür müssten Anlagen gebaut werden, wie GTAI ermittelt hat: fünf bis sechs für zusätzliche 700.000 Tonnen Papier/Pappe/Kartonagen, drei bis vier für 500.000 Tonnen zusätzlicher Glasverpackungen, vier bis fünf für 500.000 Tonnen zusätzlicher Plastikverpackungen, zwei bis drei für 200.000 Tonnen zusätzlicher Metallabfälle, zwei bis drei für 200.000 Tonnen Holz und vier bis fünf Anlagen für 300.000 Tonnen Elektroschrott.

Italienische Branchenakteure bewerten die Abfallstrategie der Regierung als wenig ambitioniert und zielführend, was auch der instabilen politischen Lage im Land – insbesondere den schnell wechselnden Regierungen – geschuldet ist. Anders gesagt: Sie greift nicht. Die geplante Plastiksteuer wird als kontraproduktiv erachtet, wenn im Gegenzug wirksame Anreize für Unternehmen, Bürger und die Kommunen fehlen, weniger Abfälle zu hinterlassen sowie mehr Wertstoffe zu trennen und zu recyceln. Der Regierung wird zudem vorgeworfen, keine klaren normativen Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit einem regulatorischen Verweis auf überholte Definitionen von Recyclingstoffen seien die Aktivitäten der Abfallwirtschaft im letzten Jahr (2019) nahezu zum Erliegen gebracht worden, was jedoch nicht belegt ist. Fest steht aber, dass der sogenannte „Green New Deal“ vorerst nicht umgesetzt werden soll. Die italienische Regierung verweist dabei auf den anstehenden Haushaltsentwurf 2020, der noch mit der Europäischen Union abgestimmt werden muss.

(EU-Recycling 01/2020, Seite 10, Foto: Roman Babakin / stock.adobe.com)

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