Baustoffrecycling: Was Österreich uns voraus hat

Während in Deutschland noch immer eine bundeseinheitliche Regelung zum Einsatz von Recyclingbaustoffen aussteht – siehe Mantelverordnung – ist Österreich mit der 2016 in Kraft getretenen und mittlerweile einmal novellierten Recycling-Baustoffverordnung offensichtlich schon weiter.

Recyclingbaustoffe von sichergestellter Güte werden bereits vielfach eingesetzt. Die Alpenrepublik verzeichnet eine rege Bautätigkeit und dadurch einen starken Anstieg der Bau- und Abbruchabfallmengen. Aushubmaterialien, wie sie unter anderem beim Bau der Koralmbahn (voraussichtliche Fertigstellung 2025), des Semmeringtunnels (voraussichtliche Fertigstellung 2027) und des Brennerbasistunnels (voraussichtliche Fertigstellung 2028) in riesigen Mengen anfallen – im Jahr 2017 waren es insgesamt 35 Millionen Tonnen –, finden zunehmend im Straßen-, Garten- und Landschaftsbau Verwendung und landen immer weniger auf Deponien. 2021 wird ein leichter Rückgang bei Bau- und Abbruchabfällen erwartet, während die Anfallmengen bei anderen Abfällen relativ konstant bleiben sollen.

Nach den Informationen des BRV – Österreichischer Baustoff-Recycling Verband stellen mineralische Bau- und Abbruchabfälle mit etwa einem Fünftel – rund zwölf Millionen Tonnen im Jahr – den größten Abfallstrom Österreichs dar. Die Recyclingquote liegt bei 88 Prozent und ist damit eine der höchsten in Europa. 152 stationäre Aufbereitungsanlagen zählt der BRV im gesamten Bundesgebiet. An der Entwicklung von Richtlinien und Leitfäden zur Kreislaufführung mineralischer Materialien im Bauwesen hat der Verband, der heuer sein 30-jähriges Bestehen feiert (siehe Kasten), entscheidend mitgewirkt.

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Wenn die Qualität stimmt
Die 2016 in Kraft getretene und inzwischen einmal novellierte Recycling-Baustoffverordnung umfasst Pflichten bei Bau- und Abbruchtätigkeiten und regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Schad- und Störstofferkundung eines Gebäudes verpflichtend vor der Bau- beziehungsweise Abbruchtätigkeit durchzuführen ist. Recyclingbaustoffe dürfen nur aus bestimmten Abfällen, zum Beispiel aus Bauschutt, Betonabbruch und Straßenaufbruch, hergestellt werden und obliegen hier hohen Qualitätsanforderungen, was auch die Umweltverträglichkeit angeht. Gleiches gilt für die Herstellung und Verwendung von Asphaltmischgut. Verunreinigungen mit schädlichen Stoffen sind zu vermeiden. Dazu zählen teerhaltige Anstriche, Teerpappe, ältere Stein- und Glaswolle, zementgebundener Asbest, bleihaltige Anstriche oder gewisse Dichtungsstoffe sowie Mineralöl. Wenn ein Recyclingbetrieb Abfälle, die für die Herstellung von Recyclingbaustoffen herangezogen werden sollen, übernehmen möchte, so hat dieser eine Eingangskontrolle durchzuführen. Um die Umweltverträglichkeit der Recyclingbaustoffe bei der Herstellung sicherzustellen, sind Grenzwerte durch ein bestimmtes Untersuchungssystem nachzuweisen. Von dieser Regel gibt es Abweichungen: zum Beispiel bei Einkehrsplitt. Geregelt wird auch, dass die hergestellten Recyclingbaustoffe zu bezeichnen und was bei der Übergabe an einen Dritten zu beachten ist.

 

30 Jahre BRV
Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums veranstaltet der Österreichische Baustoff-Recycling Verband am 5. Oktober 2020 in Wien einen Kongress mit anschließendem Galaabend. Der ursprüngliche Termin, 2. April 2020, wurde verschoben. Themen des Kongresses sind die Zukunft des Baustoffrecyclings, neue technische Anforderungen und Herausforderungen. Weitere Informationen zum Programm und Anmeldung beim BRV unter www.brv.at

So endet die Abfalleigenschaft
Der Hersteller von Recyclingbaustoffen hat Art, Menge, Herkunft und Verbleib von Abfällen zur Herstellung von Recyclingbaustoffen gemäß den Bestimmungen der Abfallbilanzverordnung zu dokumentieren und zu melden. Mineralische Abfälle aus einem Abbruch, bei dem insgesamt nicht mehr als 750 Tonnen Abbruchabfälle anfallen, können ohne analytische Untersuchung auf derselben Baustelle, auf der die Abfälle angefallen sind, bautechnisch verwertet werden. Es muss jedoch durch ein alternatives Qualitätssicherungssystem sichergestellt werden, dass diese weitgehend frei von Schad- und Störstoffen sind und auch keine sonstigen Verunreinigungen enthalten. Diese Sonderregelung gilt jedoch nicht für Linienbauwerke und Verkehrsflächen. Wird ein Recyclingbaustoff der Qualitätsklasse U-A in Österreich an einen Dritten übergeben, so endet die Abfalleigenschaft des Recyclingbaustoffes. Der Hersteller von Recyclingbaustoffen hat sich im Wege eines elektronischen Registers (gemäß § 22 österreichisches Abfallwirtschaftsgesetz) als Hersteller von Recycling-Baustoffprodukten zu deklarieren und eine verbindliche Erklärung über die Einhaltung des Vermischungsverbotes abzugeben. Des Weiteren sind die Übergaben aufzuzeichnen und zu melden.

Bei der grenzüberschreitenden Verbringung von Recycling-Baustoffprodukten muss eine Konformitätserklärung ausgestellt werden. Diese kann zusammen mit der Leistungserklärung gemäß EU-Bauprodukte-Verordnung erfolgen. Dem Übernehmer ist eine Kopie der Konformitätserklärung zu übergeben. Bei einer Abbruchtätigkeit, bei der weniger als 750 Tonnen an Bau- und Abbruchabfällen – ausgenommen Bodenaushubmaterial – anfallen, muss keine Schad- und Störstofferkundung durchgeführt werden.

Bei einer Abbruchtätigkeit, bei der mehr als 750 Tonnen an Bau- und Abbruchabfällen – ausgenommen Bodenaushubmaterial – anfallen und ein gesamter Bruttorauminhalt von weniger als 3.500 Kubikmeter vorliegt, ist eine orientierende Schad- und Störstofferkundung gemäß der österreichischen Norm B3151 vor dem Abbruch durchzuführen.

Österreichs Abfallwirtschaft im Überblick

Im Jahr 2017 (letzter Stand der Statistik) fielen in Österreich 64,2 Millionen Tonnen Abfälle an. Seit 2008 werden keine unbehandelten Siedlungsabfälle mehr abgelagert.

Beim Recycling – gemäß den EU-Richtlinien und Zielquoten-Vorgaben – kam das Land in einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft 2018 auf den zweiten Platz hinter Deutschland. Jedoch hat Österreich – ebenso wie für Deutschland nachgewiesen – erhebliche Defizite beim Kunststoffrecycling, weshalb solche „Rangauszeichnungen“ angezweifelt werden dürfen.

Die Müllverbrennung ist nach wie vor von großer Bedeutung. Es gibt landesweit 62 Anlagen zur thermischen Abfallbehandlung, elf davon zur Verbrennung von Siedlungsabfällen und 51 Anlagen zur thermischen Behandlung anderer Abfälle. Die Anzahl der Betriebe, die Altstoffe sortieren und für die stoffliche Verwertung aufbereiten, ist in den letzten Jahren gestiegen. Rund 3.000 Recyclinganlagen gibt es in Österreich (Quelle: Germany Trade & Invest, Stand: 2017). Die mittelständisch geprägte Branche mit 778 Unternehmen und 14.000 Mitarbeitenden (2018; Quelle: Statistik Austria) erzielte 2017 einen Gesamtumsatz von 4,1 Milliarden Euro.

 

(EU-Recycling 04/2020, Seite 22, Foto: O. Kürth)

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