Schrottmarktbericht: Magerer Schrottzulauf
Die Entwicklung im Berichtsmonat Februar war geprägt von den katastrophalen Erdbeben im Südosten der Türkei und im Norden Syriens am 6. und 7. Februar 2023. Es waren über 47.000 Tote und enorme Schäden an Bauwerken und der Infrastruktur zu beklagen. Die in den betroffenen Provinzen Osmaniye und Hatay angesiedelten sieben Stahlwerke, die einen Anteil an der türkischen Stahlproduktion in Höhe von 30 Prozent pro Jahr haben, sind von schweren Schäden verschont geblieben. Sie trauern jedoch über viele tote Mitarbeiter, kämpfen mit logistischen Problemen aufgrund von zum Teil zerstörter Infrastruktur und leisten Hilfe. Das integrierte Hüttenwerk Isdemir prüft laut der internationalen Fachpresse seine Betriebsfähigkeit und hat die Produktion noch nicht wieder hochgefahren.
Ein ungewöhnlich geringes Altschrottaufkommen und ein leicht erholtes Neuschrottangebot trafen in Deutschland auf eine immer noch weitgehend zurückhaltende Kaufbereitschaft der Werke. Sie mussten sich dem Wettbewerb um den übersichtlichen Warenstrom stellen. Die Preisvorstellungen der einzelnen Werke waren wie im Vormonat sehr unterschiedlich. Sie reichten gegenüber Januar unveränderten Preisen bis zu einem Aufschlag von €20 pro Tonne. Diejenigen, die am unteren Rand der Preisspanne versucht haben zu kaufen, dürften Probleme bei der Beschaffung gehabt haben. Nach der Naturkatastrophe und dem sich abzeichnenden steigenden Schrottbedarf der türkischen Verbraucher wurden die Preise fester.
Die im Februar bei einigen Stahlwerken zu beobachtenden Stillstände, die Kurzarbeit oder die tageweisen Produktionsunterbrechungen lassen darauf schließen, dass der Rohstahlausstoß im Februar vermutlich nicht viel höher war als im Januar. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl veröffentlichte kürzlich die Zahlen für die Januarproduktion 2023, die mit 2,9 Mio. Tonnen um 10,2 Prozent unter des entsprechenden Vergleichsmonats 2022 gelegen hat. Laut dem türkischen Statistikanbieter SteelData hatten die deutschen Stahlwerke im vergangenen Jahr eine durchschnittliche Auslastung von lediglich 63,4 Prozent. Darauf bezogen lag ihre Auslastung im Januar 2023 mit knapp 60,5 Prozent nochmals darunter.
Aus den Regionen
Die Auslastung der Stahlwerke im Osten Deutschlands ist schwer einzuschätzen, da die Anlieferungen immer wieder unterbrochen wurden und in einem Werk die Produktion noch nicht wieder aufgenommen wurde. Die angebotenen Preiserhöhungen lagen je nach Werk und Sorte bei €2 bis €13 pro Tonne. Im späteren Monatsverlauf stieg sogar die Verhandlungsbereitschaft bei dem ein oder anderen Verbraucher. Die Werke im Norden signalisierten anfangs einen geringen Bedarf. Er erhöhte sich im Laufe des Monats und führte zu Preiszugeständnissen gegenüber dem Handel. Triebfeder war der anziehende Exportmarkt, der den Wettbewerb um die überschaubaren zur Verfügung stehenden Schrottmengen intensivierte. Im Nordwesten war die Nachfrage besser als im Vormonat und je nach Werk lagen die Preissteigerungen bei €5 bis €15 pro Tonne. Überall konnten die Schrottlieferanten für Scherenschrott die deutlichsten Preiserhöhungen durchsetzen. Einer der Verbraucher an der Ruhr hatte keinen und der andere einen immer noch reduzierten Bedarf zu unveränderten Preisen. Die Elektrostahlwerke der Region produzierten auf einem verringerten Niveau. Trotz Kurzarbeit eines Verbrauchers an der Saar und einem damit verbundenen insgesamt geringeren Bedarf blieben die Preise für die Neuschrottqualitäten unverändert, während für Altschrotte bis zu €20 pro Tonne mehr gezahlt wurden. Der Verbraucher im Südwesten hat seine Produktionsmöglichkeiten im Februar ebenfalls noch nicht genutzt und zeigte bei einem geschätzten Produktionsniveau von etwa 60 Prozent nur an bestimmten Sorten ein gewisses Kaufinteresse. Für sie war er bereit einen Aufpreis im Monatsvergleich je nach Sorte und Lieferant von €5 bis €10 zu bezahlen. Die Produktionsauslastung bei dem Verbraucher im Süden hat sich zwar verbessert, ist aber ebenfalls noch deutlich von einer Vollauslastung entfernt. Stornierungen von bestellten Mengen waren die Folge. Bei der erneut eingeschränkten Annahme blieben die Neuschrottpreise unverändert, während die Altschrotte mit einem Aufpreis von €10 bis €15 gekauft wurden.
Nachbarländer
Im Februar blieb bei den meisten italienischen Stahlwerken der Zukaufbedarf aus Deutschland gering. Je nach vereinbartem Preisniveau im Januar und in Abhängigkeit von der gewünschten Sorte waren die Werke bereit Aufpreise von bis zu €20 pro Tonne zu zahlen. Das italienische Preisniveau erreichte im Berichtsmonat das des süddeutschen Raumes. Der geringere Nachfrage nach deutschem Schrott könnte auf die fehlende Nachfrage der Schrottverbraucher in der Schweiz zurückzuführen sein. Dort hatte eines der Werke wegen Instandsetzungsarbeiten geschlossen und das andere hatte in Folge von Kurzarbeit kaum Zukaufbedarf, sodass eine größere Menge für die Schrottausfuhr nach Italien zur Verfügung gestanden haben könnte. Bei den am Monatsanfang in Österreich abgeschlossenen Verträgen blieben die Preise unverändert. Polnische Werke zahlten je nach Kaufzeitpunkt und Sorte Aufpreise von €5 bis €20 pro Tonne, während in Tschechien einer der Schrottverbraucher die Preise unverändert ließ. Obwohl der andere Abnehmer bis zu €8 pro Tonne mehr bereit war zu zahlen, scheinen größere Mengen Schrott in die Nachbarländer verkauft worden zu sein. Der Verbraucher in Luxemburg hat das Marktgeschehen frühzeitig richtig eingeschätzt. Bei einem gestiegenen Bedarf gegenüber dem Vormonat bot er im Februar Einkaufspreise an, die er je nach Sorte um €15 und in der Spitze im Laufe des Monats bis zu €30 pro Tonne erhöhte. Verbraucher in Frankreich, die sich mit unveränderten Preisen der Marktentwicklung nicht anpassten, erhielten nur Kontaktmengen, während andere ihre Preisangebote dem Marktgeschehen anpassten. In den Niederlanden hatte der größte Verbraucher wegen technischer Probleme einen geringeren Bedarf, während das Geschehen in den Tiefseelagern umso lebhafter war.
Gießereien
Die Marktlage bei den Gießereien ist nach wie vor unverändert. Laut aktuellem Ifo Konjunkturspiegel für das Verarbeitende Gewerbe rechnen die Eisen-, Stahl- und Tempergießereien zumindest in den kommenden drei Monaten mit stabilen Verhältnissen und zum Teil mit einer leichten Erholung. Das Angebot an bestimmten Gießereischrotten ist nach wie vor ausgesprochen knapp. Wegen des harten Wettbewerbs mit der Stahlindustrie zum Beispiel um Neuschrottqualitäten haben zahlreiche Marktteilnehmer ihre bisher zu Grunde gelegten Preisindexierung aufgehoben. Je nach Verbraucher und Basispreis im Vormonat lagen die Preiserhöhungen bei den frei verhandelten Mengen bei €5 bis €25 pro Tonne. Die Roheisenpreise verzeichnen seit Januar je nach Qualität Preiserhöhungen von €30 bis €35 pro Tonne und festere Marktverhältnisse zeichnen sich bereits ab.
Exportbedarf beeinflusst Preise
Die Katastrophe in der Türkei ließ kurzzeitig die Schrottverbraucher in den anderen Teilen der Welt auf sinkende Schrottpreise hoffen. Seit jedoch der türkische Regierungschef am 14. Februar im Rahmen seines Wiederaufbauplans für die zerstörten Regionen bei der türkischen Stahlindustrie den Bedarf von rund vier Millionen. Tonnen Betonstahl angemeldet hat, beginnen sich die Werke auf die höhere Nachfrage einzurichten. Ihre bisher bescheidene Produktionsauslastung von rund 63 Prozent muss nun gesteigert werden und wird den Schrottbedarf erhöhen. Die Fachpresse meldet bereits eine lebhafte Schrottnachfrage der türkischen Stahlwerke verbunden mit deutlich steigenden Preisen. Die europäischen Exporteure hatten nach dem Erdbeben ihre Einkaufspreise um €25 bis €30 pro Tonne gesenkt, weil sie unsicher wegen der weiteren Entwicklung waren. Der Schrottzufluss kam dadurch jedoch zum Erliegen. Mit der erneut ansteigenden Schrottnachfrage der türkischen Verbraucher passen sie die Einkaufspreise laufend an.
Schlussbemerkungen
Angesichts des Einflusses des türkischen Schrottimportbedarfs auf die Preisbildung in Europa, der im März steigenden europäische Stahlproduktion und dem geringen Altschrottaufkommen können Schrottpreisrückgänge ausgeschlossen werden. Die europäische Stahlindustrie rechnet mit einer Belebung, denn sie nimmt sukzessive die im vergangenen Jahr stillgelegten Hochofenkapazitäten wieder in Betrieb. Die Flachstahlhersteller haben ihre Verkaufspreise bereits deutlich erhöht, während die Baustahlhersteller auf eine bisher noch nicht erkennbare Erholung warten. Das geringe Schrottaufkommen ist unter anderem eine Folge des negativen Wirtschaftswachstums seit dem Jahr 2019. Die Pandemie und Krieg in der Ukraine haben zudem zu enormen Kostensteigerungen bei Rohstoffen, der Energie und zu steigende Zinsen geführt. Der private Wohnungsbau ist eingebrochen und es bleibt abzuwarten, ob die öffentlichen Bauvorhaben ausreichen, um zur wirtschaftlichen Erholung beizutragen. Viele Hersteller werden die deutlich gesunkenen Strom- und Energiepreise für eine kontinuierlichere Produktion nutzen. Die Lust am Bauen ist definitiv gesunken. Aber wo nicht gebaut wird, gibt es keine Abbrüche und somit keinen Abbruchschrott. Die vorhandenen Reserven des Handels sind durch die vergangenen Preisbewegungen und das ohnehin hohe Preisniveau erschöpft. Die Läger gelten als weitgehend geräumt. Dennoch wird der konjunkturabhängige Sekundärrohstoff Schrott seine Flexibilität auch in den kommenden möglicherweise turbulenteren Monaten unter Beweis stellen.
Redaktionsschluss 22.02.2023, BG-J/bvse, Foto: O. Kürth