Schrottmarktbericht September 2024: Schadensbegrenzung im Käufermarkt
Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in einer Stagnationsphase. Rückläufige Auftragsbestände und eine tendenziell schwache Auftragslage dämpfen unsere exportorientierte Industrie. Wenngleich die rückläufige Inflation zu einer deutlich gestiegenen Kaufkraft im Zusammenspiel mit höheren Reallöhnen führt, hat sich die Stimmung privater Haushalte in Deutschland, wie der GfK-Konsumklimaindex zeigt, verschlechtert. Die Inflationsrate lag im August mit +1,9 Prozent erstmals seit März 2021 wieder unter der anvisierten Zielmarke von 2 Prozent.
Der ifo-Geschäftsklimaindex ist im August zum dritten Mal in Folge gefallen. Unternehmen bewerten sowohl die aktuelle Lage als auch die Geschäftserwartungen pessimistischer. Besonders deutlich nahm der Index im verarbeitenden Gewerbe ab. Zurückzuführen ist dies auch auf die Verlangsamung der Wirtschaft in den wichtigen Absatzmärkten der USA und China. Die Schwächephase dürfte weiter anhalten, eine konjunkturelle Erholung erwarten Experten nicht vor dem Jahresende.
Schrottmarkt
Nach der Sommerpause sind die Stahlwerke wieder zurück in den Markt gekommen. Gute Materialbevorratung führten zu deutlichen Preisreduzierungen zwischen durchschnittlich 25-35 €/t, abhängig von der Region und der Schrottgüte. Zentral in den Fokus sind in diesem Monat die Entfallstellen, aber auch die Stahlindustrie gerückt. Bei den Entfallstellen bereitet die Automobilindustrie Sorgen. Schrottmengen kommen zeitversetzt noch in den Schrotthandel, aber die Schrottnachfrage lässt nach und der Absatz dieser Qualitäten ist merklich schwieriger. Anfang des Monats machte der Verbraucher thyssenkrupp von sich Reden. Die Niederlegung von Aufsichtsratsämtern und Vorstandspositionen sorgte für ein Beben in der Stahlindustrie. Auf dem anschließenden Stahlgipfel in Duisburg diskutierten mehr als 350 Teilnehmer über die Zukunft der Stahlindustrie. Elf Bundesländer der Stahlallianz, die Wirtschaftsvereinigung Stahl und die IG-Metall fordern in ihrem gemeinsamen Positionspapier wirksame Maßnahmen von der Bundes- und EU-Politik. Zu den Forderungen zählen wettbewerbsfähige Strompreise, schnellere Maßnahmen für die Schaffung grüner Leitmärkte und eine handelspolitische Flankierung der Transformation. Auf dem Schrottmarkt führte die neue Marktsituation, nach einer langen Zeit der gleichbleibenden Ausgewogenheit, zu einer Verschiebung hin zu einem Käufermarkt. Dies führte dazu, dass Verbraucher diesen Monat ihre Preisforderungen weitestgehend durchsetzen konnten.
Schrott in den Regionen
Im Norden sanken die Schrottpreise zwischen 25-30 €/t je nach Region und Schrottgüte. Im Osten sanken die Schrottpreise etwas höher zwischen 25-35 €/t. Aus dieser Region berichteten Marktteilnehmer, dass die Verfügbarkeit von Blechabfällen höher war, als bei anderen Schrottqualitäten. Es bildete sich ein Neuschrottüberhang. Preisabschläge fielen bei Neuabfällen daraufhin höher aus als bei Altschrotten, wie bspw. bei schweren Altschrotten der Sorte E3 und bei Shredderschrotten der Sorte E4. Im Westen hatte ein großer Verbraucher im Hinblick auf sein Geschäftsjahresende im September keinen Zukaufbedarf, ein anderer Verbraucher kaufte seine Bedarfe bereits im Vormonat mit Preisabschlägen von 15 €/t ein. Im Südwesten kam es zu Preisabschlägen von 25 €/t, teilweise fielen diese sogar höher aus. Einige Altverträge stehen noch zur Auslieferung. In der Saar-Region war ein Verbraucher nicht im Markt gegenwärtig. Verbraucher im Süden lagen mit ihren Preisreduzierungen durchschnittlich bei 25 €/t. Schrotthändler konnten nur geringe Mengen absetzten.
Schrott in den Nachbarländern
In Frankreich nahmen Verbraucher durchschnittlich 25 €/t bei den Schrottpreisen herunter. Luxemburgische Verbraucher schlossen sich an und nahmen ebenfalls 25 €/t herunter, kommend von einem niedrigeren Ausgangsniveau als andere europäische Länder. Österreich reduzierte Altschrotte um 20 €/t, während die Neuabfälle einen stärkeren Überhang bildeten und mit minus 25 €/t gehandelt wurden. In der Schweiz fanden lediglich geringe Kontaktmengen ihren Weg zu den Verbrauchern. Ein besonderes Augenmerk ist in diesem Monat auf Italien gerichtet. Nachdem italienische Verbraucher Schiffsladungen kauften, stiegen sie aus dem Schrottmarkt fast vollständig aus. Italienische Verbraucher schlossen nur geringe Mengen ab mit Preisabschlägen, die mit 40-50 €/t deutlich höher lagen als in anderen europäischen Ländern. In Polen sind die Schrottpreise um durchschnittlich 25 €/t gefallen, bei einige Qualitäten gab es höhere Abschläge von bis zu 30 €/t. Die Slowakei hatte ähnliche Abschläge wie die polnischen Marktteilnehmer in Höhe von 25 €/t. Abschläge in der Tschechischen Republik betrugen durchschnittlich 20 €/t.
Schrottmarkt international
Ende August verlangsamten sich Schrottverhandlungen auf dem türkischen Markt und die Preise erreichten ihren Tiefststand. Verhandlungen verliefen in den ersten Septembertagen schleppend und keine neuen Abschlüsse wurden bekanntgegeben. Für die Oktober-Verladung warteten türkische Verbraucher zunächst auf neue Verkaufsangebote.
Die wenigen im Markt erhältlichen Angebote lagen über ihren Zielvorstellungen. US-Verkäufer und Exporteure aus dem Baltikum gaben für die HMS 1/2 (80:20) Preise von 375 $/t CFR Türkei an, während Stahlwerke auf dem aktuellen Niveau blieben. Marktteilnehmer waren der Meinung, dass Stahlwerke höhere Schrottpreise akzeptieren könnten, um Preise für Fertigstahlprodukte zu stützen. Diese Vorgehensweise verfolgten Stahlproduzenten in der Vergangenheit bereits des Öfteren. Da US-Exporteure nur begrenzte Schrottmengen zur Verfügung hatten und EU-Verkäufer sich aus dem Markt verabschiedeten, stiegen die Schrottpreiserwartungen an. Nachdem türkische Stahlwerke zwei Ladungen zu höheren Preisen gekauft hatten, zeichnete sich eine Aufwärtsbewegung im internationalen Schrottmarkt ab. Neben dem US-Verkauf einer HMS 1/2 (80:20) zu 370 $/t CFR Türkei an ein Werk in Marmara (vgl. Schrottmarktinfo Nr. 098) soll eine litauische Ladung HMS 1/2 (80:20) für 368 $/t CFR Türkei ihren Besitz an ein Werk in Samsun gewechselt haben. Türkische Verbraucher waren weiterhin auf der Suche nach Schrottpartien für Oktober-Verladungen, verwiesen aber immer wieder auf günstige Knüppellieferungen asiatischer Herkunft.
Gießereien
Eine Momentaufnahme zeigt ein nicht ganz so katastrophales Marktbild wie in den vergangen Monaten, aber die Aussichten bleiben eingetrübt. Der Gießereimarkt ist weiterhin angespannt. Das ist nicht besonders erstaunlich, wenn ein abrupter Technologiewechsel eine drastische Verkehrswende herbeiführen soll. Eine über 100-jährige Automobilindustrie soll neu geschrieben werden. Leitragend ist besonders die Gießereiindustrie. Transformation und Verkehrswende drücken zusammen massiv auf diese Industrie. Neben Vorkehrungen zur Dekarbonisierung sorgen schwindende Absatzwege für Existenzbedrohungen. Marktteilnehmer beklagen regionalen Absatzdruck bei bestimmten Gießereigüten, wie bspw. Handelsguss. Folglich setzt ein Materialstau bei diesen Qualitäten ein, deren Absatzwege durch geringe Materialbedarfe stark eingeschränkt sind.
Ausblick
Gespannt blickt die Schrottwirtschaft auf das Treffen der Marktteilnehmer im Langstahlmarkt bei dem 91. IREPAS Treffen in Paris. Positive Marktaussichten bringen die Teilnehmer jedoch nicht von der Konferenz mit nach Hause. Weiter eingetrübt haben sich die Erwartungen. Schrottmarktteilnehmer, die in der Vergangenheit den Markt pessimistisch einschätzten, wurden vor Wochen noch der Schwarzmalerei bezichtigt. Immer mehr Marktteilnehmer nehmen jedoch diese Position ein. Die Schrottwirtschaft formuliert ihre Aussichten nur noch als Sauregurkenzeit und hofft auf Schadensbegrenzung für den weiteren Jahresverlauf. Preiserwartungen gehen sehr weit auseinander. Ähnliche Preisabschläge wie im September bis hin zu leichten Preiszunahmen sind im Gespräch. Es überwiegen aber die rückläufigen Tendenzen.
Redaktionsschluss 19.09.2024, Johannes Hanke, bvse (Alle Zahlen ohne Gewähr), Foto: O. Kürth