Freier Markt ist wichtiger als Handels­beschränkungen und Exportverbote

In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen in Politik und Wirtschaft standen bei der Branchenveranstaltung in Potsdam (19. Forum Schrott des bvse-Fachverbands Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling) die Herausforderungen und Chancen im Vordergrund.

Laut Sebastian Will, stellvertretender Vorsitzender des Fachverbands und Vorstandsmitglied des bvse, hat die weltweite Rohstahlproduktion um fast ein Prozent abgenommen und betrug im vergangenen Jahr 1.884 Milliarden Tonnen. Während der Rückgang in der Region Nordamerika im Vergleich zum Vorjahr 4,2 Prozent (auf 105,9 Millionen Tonnen) betrug, mussten auch Russland, die GUS-Staaten und die Ukraine eine Abnahme in der gleichen Größenordnung (4,2 Prozent) hinnehmen; die Länder dieses Teils der Welt produzierten insgesamt 84,8 Millionen Tonnen Rohstahl.

Dagegen gehörte Deutschland zu den Ländern, die mehr Rohstahl erzeugten; mit 37,2 Millionen Tonnen (Vorjahr: 35,4 Millionen Tonnen) stieg die Produktion um fünf Prozent. Die Elektrostahlproduktion im Umfang von etwa 10,8 Millionen Tonnen legte dabei – im Vergleich zu 2023 – um 10,2 Prozent zu, während sich die Oxygen-Stahlerzeugung um 3,3 Prozent auf 26,4 Millionen Tonnen erhöhte. Bei der Rohstahlerzeugung wurde im vergangenen Jahr mit 17.000 Tonnen Stahlschrott 11,2 Prozent mehr Material verbraucht; der Schrottanteil lag mit 45,7 Prozent nur minimal über dem Niveau des Vorjahres.

In der Handelsbilanz haben sich ebenfalls Veränderungen ergeben. Im Jahr 2024 stiegen die Schrottimporte gegenüber dem Vorjahr um 782.000 Tonnen auf 4,3 Millionen Tonnen, während die Exportmenge um zwölf Prozent (oder 958.000 Tonnen) auf 7,0 Millionen Tonnen sank. Der Netto-Exportüberschuss betrug 2,7 Millionen Tonnen.

Sebastian Will berichtete auch von dem Widerstand der Recyclingwirtschaft und ihrem Engagement auf europäischer Ebene gegen Forderungen der Stahl- und Metallindustrie nach Handelsbeschränkungen oder Exportverboten für Schrotte. Laut bvse hatte die EU-Kommission Vertreter beider Seiten zu einem Gespräch über den sogenannten „Steel and Metals Action Plan“ eingeladen. Den Angaben zufolge „überzeugte die Recyclingwirtschaft mit Daten und Fakten, während die Befürworter von Handelsbarrieren oft im Vagen blieben“. In diesem Zusammenhang erinnerte Sebastian Will daran, dass der freie Handel eine tragende Säule der Kreislaufwirtschaft sei und dass die Branche wachsam bleiben müsse, um nicht zwischen industriepolitischen Interessen zerrieben zu werden.

Prognose: Schrottbedarf und -verfügbarkeit
Prof. Frank Pothen von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena analysierte in seinem Vortrag die langfristige Verfügbarkeit von Schrotten. Seinen Angaben zufolge zeigen die erarbeiteten Szenarien, dass bis zum Jahr 2050 das Schrottaufkommen in Europa jährlich um etwa 1,6 Prozent steigen wird, vor allem im Bereich der Altschrotte. Dagegen werde die Verfügbarkeit hochwertiger Neuschrotte stagnieren. Eine akute Nachfrageknappheit sieht er jedoch nicht (siehe auch Seite 35).

Foto: bvse

Im Hinblick auf die Zukunft des internationalen Handels warnte Prof. Frank Pothen vor Beschränkungen. Die aktuelle Forschung zeige, dass der Handel mit Stahlschrott sensibel auf höhere Kosten (beispielsweise Zölle) reagiere. Eine Verteuerung um ein Prozent senke den Handel um fast sieben Prozent, betonte er mit Blick auf Ergebnisse eigener Arbeiten. Handelsverbote könnten das Marktgeschehen zwar reduzieren, jedoch nicht verhindern; Barrieren gegenüber einzelnen Staaten könnten (relativ) leicht umgangen werden. „Bei vollständigen Exportverboten bricht die Inlandsnachfrage ein, Preise fallen – und das tut richtig weh“, zitierte ihn der bvse. Neben ökonomischen Schäden drohten auch negative klimapolitische Effekte.

Wert von Legierungen bewahren
Rutger Gyllenram, Gründer und CEO der schwedischen Firma Kobolde & Partners AB, stellte in seinem Vortrag fest, dass der „Green Deal“ der EU die Kreislaufwirtschaft bei Stahl verändern wird: Die neue Ökodesign-Richtlinie und der Innovationsdrang der Industrie seien ein Rückenwind für die Recyclingfähigkeit von Produkten. Der Lebenszyklusansatz verschiebt sich seinen Angaben zufolge zunehmend vom cradle-to-gate zum cradle-to-cradle-Denken. Ziel müsse es sein, den Wert von Legierungen über mehrere Nutzungsphasen hinweg zu erhalten, anstatt sie durch mangelnde Trennung als Störstoffe zu verlieren. Voraussetzung dafür sei eine enge Kooperation entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Stahlindustrie: Zwischen Transformation und Kostendruck
Konkret bedeute dies für das Recycling, dass bei Bauteilen mit einer wertvollen Legierung sich das Sortieren und Schreddern nach dem jeweiligen Wert richten sollte. Bei Bauteilen mit einem hohen Gehalt an unerwünschten Begleitelementen sollten die betreffenden Objekte vor dem Recyclingprozess entfernt werden. Bauteile mit einem geringen Wert und niedrigen Gehalt an unerwünschten Verunreinigungen könnten behandelt werden wie bisher. Ein weiteres Thema war die Dekarbonisierung der Stahlindustrie, über die Stefan Bracher von Primetals Technologies informierte. Wie er konstatierte, zwingt die Transformation hin zu CO₂-neutralem Stahl die Hersteller, traditionelle Hochöfen durch moderne Direktreduktionsanlagen zu ersetzen. Die steigenden Kosten für CO₂-Zertifikate setzten zusätzliche Anreize. Drei technologische Pfade stehen im Fokus: Elektrifizierung, Carbon Direct Avoidance (z. B. mit Wasserstoff) und Carbon Capture sowie Usage and Storage (CCUS). Die herkömmliche Hochofenroute verursacht 1.765 Kilogramm (kg) CO₂ pro Tonne (t) Rohstahl. Durch Direktreduktion mit Erdgas sinkt der Ausstoß auf 940 kg/t, mit – blauem – Wasserstoff sogar auf 437 kg/t – bei einem Mischverhältnis von 80 Prozent hat DRI zu 20 Prozent Schrott. Noch weiter nach unten lassen sich die CO₂-Emissionen mit grünem, „fossil-freiem“ Wasserstoff drücken.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2025, Seite 6 -von Brigitte Weber-, Fotos: bvse)